Die Bundesregierung plant die Einführung eines neuen Sanktionsrechts für Unternehmen und gesetzliche Vorgaben für Internal Investigations.
Die neue Bundesregierung hat in dem am 12. März unterzeichneten Koalitionsvertrag beschlossen, ein neues Sanktionsrecht für Unternehmen zu schaffen. Dies umfasst die Abkehr von dem bislang bei der Verfolgung von Unternehmen anwendbaren Opportunitätsprinzip. Zudem soll die Obergrenze der Sanktionen deutlich erhöht werden. Gleichzeitig will die Bundesregierung gesetzliche Vorgaben für Internal Investigations schaffen, die einen Anreiz für die Aufklärungshilfe setzen.
Einführung des Legalitätsprinzips
Für die Rechtspraxis stellt die geplante Abkehr vom bislang bei der Verfolgung von Unternehmen geltenden Opportunitätsprinzip die wohl einschneidenste Erneuerung dar.
Hierdurch wird die Einleitung von Verfahren gegen Unternehmen bei dem Anfangsverdacht einer betriebsbezogenen bzw. das Unternehmen bereichernden Straftat zur Pflicht und liegt nicht mehr im Ermessen der Behörde.
Ausweislich des Koalitionsvertrages sollen „klare Verfahrensregelungen (…) die Rechtssicherheit der betroffenen Unternehmen“ erhöhen. Diese Verfahrensregelungen sollen auch unternehmensspezifische Regelungen zu Verfahrenseinstellungen enthalten. Es ist anzunehmen, dass die Möglichkeiten zur Verfahrenseinstellung ähnlich wie im Individualstrafrecht gesetzlich klar definiert werden.
Höhere Geldsanktionen für unternehmensbezogene Straftaten
Die Bundesregierung plant die Höhe der Geldsanktionen in Zukunft an der Wirtschaftskraft der Unternehmen zu orientieren. Für Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als EUR 100 Mio. soll die Höchstgrenze bei 10% des Jahresumsatzes liegen. Damit könnten für unternehmensbezogene Straftaten in Zukunft Sanktionen in einer Höhe verhängt werden, wie sie schon viele Jahre aus dem Kartellrecht bekannt sind. Ferner hält die zukünftige Bundesregierung im Koalitionsvertrag fest, dass die Sanktionen gegen Unternehmen „auf geeignetem Weg öffentlich bekannt gemacht werden“ sollen.
Für die Verhängung der Sanktionen möchte die Bundesregierung zudem „konkrete und nachvollziehbare Zumessungsregeln“ schaffen. Es ist zu erwarten, dass hierbei auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Berücksichtigung findet. Der Bundesgerichtshof urteilte im Mai 2017, dass für die Bemessung eines Bußgeldes von Bedeutung ist, inwieweit ein Unternehmen ein effektives Compliance-Management-System installiert hat, das auf die Vermeidung von Rechtsverstößen ausgerichtet ist (Urteil v. 9. Mai 2017 – 1 StR 265/16).
Internal Investigations
Ferner hält der Koalitionsvertrag fest, dass „gesetzliche Anreize zur Aufklärungshilfe durch ‚Internal Investigations‘ und zur anschließenden Offenlegung der hieraus gewonnenen Erkenntnisse“ gesetzt werden sollen. Dabei möchte die Bundesregierung gesetzliche Vorgaben für Internal Investigations schaffen und hierbei insbesondere die Durchsuchung und Beschlagnahme von Unterlagen regeln.
Bis dato ist die Rechtsprechung in Bezug auf die Beschlagnahmung von in Gewahrsam von Rechtsanwälten befindlichen oder von ihnen im Rahmen von Internal Investigations erstellten Dokumenten nicht eindeutig. Zuletzt hatte das Bundesverfassungsgericht im Juli 2017 einstweilig angeordnet, dass bei einer Rechtsanwaltskanzlei beschlagnahmte Dokumente aus einer Internal Investigation vorerst nicht ausgewertet werden dürfen (Beschluss vom 25. Juli 2017 – 2 BvR 1287/17). Eine endgültige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht noch aus.
Referentenentwurf noch 2018 erwartet
Beobachter gehen davon aus, dass die Bundesregierung bereits im Herbst dieses Jahres einen Referentenentwurf zu entsprechenden Neuregelungen vorlegen wird. Hierbei könnte sie auch die generell mit Verfahren gegen Unternehmen und insbesondere mit Internal Investigations verbundenen offenen Fragen des Mitarbeiterdatenschutzes und des Arbeitsrechts angehen.
Der gestalterische Wille der Bundesregierung ist offenkundig: Durch höhere Sanktionen auf der einen und die Honorierung von Compliance-Maßnahmen sowie Aufklärungshilfe auf der anderen Seite, sollen Unternehmen stärker in die Pflicht genommen werden.
Unsere Beitragsreihe informiert rund um die Pläne der GroKo in den verschiedenen Rechtsbereichen. Bereits erschienen sind Beiträge zu den allgemeinen Änderungen im Arbeitsrecht sowie speziell zur Zeitarbeit, zu den Auswirkungen der geplanten Einschränkung sachgrundloser Befristungen, zum Recht auf befristete Teilzeit und zu den Änderungen hinsichtlich flexibler und mobiler Arbeitsgestaltung. Weiter ging es mit einem Überblick über die von der GroKo im Koalitionsvertrag geplanten Maßnahmen zu den Themen Venture Capital, Start-ups und Unternehmensgründung. Wir haben einen Überblick über die Änderungspläne der GroKo im Steuerrecht gegeben sowie die Pläne einer Musterfeststellungsklage und eines Sanktionsrechts für Unternehmen beleuchtet. Neben einem Überblick übers Gesellschaftsrecht haben wir uns mit der SPE näher beschäftigt. Danach sind wir auf die Sitzverlegungsrichtlinie, die Reform des Personengesellschaftsrechts sowie die Grunderwerbsteuer bei Share Deals eingegangen. Zuletzt erschienen sind Beiträge zur Finanztransaktionsteuer und zu Änderungen im Kündigungsschutz hochbezahlter Bankangestellter.