Abfindung und Anspruchsverzicht sind Standardklauseln bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Vorsicht ist geboten, wenn eine Lohnpfändung vorliegt.
Nach unseren Ausführungen zur Lohnpfändung im laufenden Arbeitsverhältnis und der Lohnpfändung im zeitlichen Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses widmen wir uns nun zwei Klauseln, die sich in vielen Aufhebungsvereinbarungen und Vergleichen finden.
Beispiel 1: Der Arbeitgeber kündigt das Arbeitsverhältnis am 4. April (unter Einhaltung der Kündigungsfrist) mit Wirkung zum 31. Mai. Noch vor Ablauf der Kündigungsfrist, am 15. April, wird dem Arbeitgeber ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugestellt. In diesem heißt es, gepfändet würden alle Ansprüche des Arbeitnehmers* gegen den Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis. Im Kündigungsschutzprozess schließen Arbeitgeber und Arbeitgeber am 3. August einen Vergleich. Er sieht vor, dass der Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung von brutto EUR 24.000 erhält. Angesichts der Lohnsteuerabzugsmerkmale des Arbeitnehmers ergibt sich hieraus ein Netto-Betrag von EUR 20.000.
Abfindung ist mitgepfändet
Heißt es im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, gepfändet würden alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, ist eine Abfindung mitgepfändet, auch wenn sie erst nach der Zustellung des Beschlusses vereinbart wird. Die Abfindung ist sogar in voller Höhe pfändbar, weil die Pfändungsfreibeträge nur für regelmäßiges Arbeitseinkommen, nicht aber für einmalige Zahlungen gelten. Von der Abfindung bliebe dem Arbeitnehmer also unter Umständen nichts.
Pfändungsfreibetrag für die Abfindung auf Antrag
Da dieses Ergebnis vom Gesetzgeber nicht gewollt ist, sieht § 850i ZPO vor, dass der Arbeitnehmer für Abfindungen die Gewährung eines besonderen Freibetrags beantragen kann (LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 13. Dezember 2005 – 2 Sa 384/05). Dieser Freibetrag wird allerdings nur auf Antrag gewährt. Den Antrag stellt der Arbeitnehmer bei dem Amtsgericht, das den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen hat.
Bemessung des Pfändungsfreibetrags für die Abfindung
Eine einheitliche Praxis der Vollstreckungsgerichte, wie sie den Freibetrag für Abfindungen bemessen, gibt es nicht. Denn die Gerichte haben einen Ermessensspielraum. In der Regel prognostizieren sie, wann der Arbeitnehmer voraussichtlich eine neue Arbeitsstelle finden wird, für wie viele Monate er also die Abfindung als Lebensunterhalt benötigt.
In dem obigen Beispiel könnte man, wenn der Arbeitnehmer gut qualifiziert ist und in der Umgebung seines Wohnortes derzeit Bedarf an Arbeitskräften mit seiner Ausbildung besteht, davon ausgehen, dass die Arbeitssuche höchstens ein halbes Jahr dauern wird. Angenommen, in dem beendeten Arbeitsverhältnis waren von dem monatlichen Lohn EUR 1.630,25 unpfändbar, könnte das Gericht das Gericht das Sechsfache dieses Betrags und damit knapp EUR 10.000 von der Abfindung für unpfändbar erklären.
Umgekehrt könnte das Gericht bei einem Arbeitnehmer, bei dem wegen seines Alters zu befürchten ist, dass er bis zum Renteneintrittsalter keine neue Arbeitsstelle findet, die gesamte Abfindung für unpfändbar erklären. Allerdings kann es auch in diesem Fall einen pfändbaren Betrag bestimmen, etwa wenn der Arbeitnehmer hohe Nebeneinkünfte (zum Beispiel aus der Vermietung einer Immobilie) hat oder wenn überwiegende Belange des Gläubigers die Pfändbarkeit wenigstens eines Teils gebieten. Letzteres kann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer dem Gläubiger vorsätzlich einen Schaden zugefügt hat und der Gläubiger wegen dieses Schadensersatzanspruchs das Arbeitseinkommen gepfändet hat.
Arbeitgeber muss bei Lohnpfändung mit Auszahlung der Abfindung abwarten
Folgendes muss der Arbeitgeber beachten, wenn eine Abfindung mitgepfändet ist:
- Ein Freibetrag für die Abfindung gilt nur, wenn das Amtsgericht ihn festgesetzt hat. Der Arbeitgeber erfährt hiervon, weil das Amtsgericht auch ihm den entsprechenden Beschluss zustellt. Ohne einen solchen Beschluss ist die Abfindung in voller Höhe pfändbar (aber natürlich maximal bis zur Höhe des Betrages, wegen dem der Gläubiger die Pfändung erwirkt hat).
- Damit der Arbeitnehmer Gelegenheit hat, den Freibetrag zu beantragen, darf der Arbeitgeber die Abfindung erst vier Wochen nach der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auszahlen (§ 835 Abs. 5 ZPO). In diesen vier Wochen muss der Arbeitgeber also abwarten, ob ihm ein Beschluss des Amtsgerichts zugestellt wird, durch den ein Freibetrag für die Abfindung festgesetzt wird.
- Fraglich ist, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer darauf hinweisen muss, dass er bei dem Amtsgericht einen Freibetrag für die Abfindung beantragen kann. Das BAG hat eine solche Aufklärungspflicht in einem älteren Urteil abgelehnt (Urteil v. 13. November 1991 – 4 AZR 20/91). In der aktuellen arbeitsrechtlichen Literatur wird eine Hinweispflicht des Arbeitgebers allerdings zuweilen angenommen. Vorsorglich sollte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer daher über diese Möglichkeit aufklären.
Arbeitnehmer kann nicht auf gepfändete Ansprüche verzichten
Viele Vergleiche sehen vor, dass der Arbeitnehmer auf Ansprüche verzichtet oder bestätigt, dass Ansprüche nicht bestehen.
Beispiel 2: Der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber aus dem obigen Beispiel haben schon vor der Kündigung darüber gestritten, ob einige Reisen des Arbeitsnehmers privat oder beruflich veranlasst waren und ob dem Arbeitnehmer noch Resturlaub zustand. Weil sie nun alle Streitpunkte beilegen möchten, soll der Vergleich folgende Klauseln enthalten:
- Der Arbeitnehmer verzichtet auf alle ihm noch nicht ausgezahlten Reisekostenentschädigungen; der Arbeitgeber nimmt diesen Verzicht an.
- Die Parteien sind sich darüber einig, dass der gesamte Anspruch des Arbeitnehmers auf Gewährung von Erholungsurlaub in natura erfüllt wurde.
Die erste Klausel ist unwirksam. Denn durch die Pfändung hat der Arbeitnehmer das Recht verloren, über die gepfändeten Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zu verfügen (§ 829 ZPO). Der Forderungsverzicht wäre jedoch eine Verfügung (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 5. April 2011 – L 11 R 112/10). Dies bedeutet natürlich nicht, dass der Gläubiger, der die Pfändung erwirkt hat, ohne Weiteres von dem Arbeitgeber die Reisekostenentschädigungen verlangen kann. Verlangt er sie, muss er, also der Gläubiger, beweisen, dass die Reisen dienstlich veranlasst waren (so wie es auch der Arbeitnehmer selbst hätte beweisen müssen).
Die zweite Klausel ist ein Tatsachen-Vergleich: Der Arbeitnehmer verzichtet nicht auf seinen Urlaubsanspruch, sondern bestätigt, dass ihm kein Urlaub mehr zusteht. An diese Klausel ist der Gläubiger, der die Pfändung erwirkt hat, nicht gebunden (denn er ist am Vergleich nicht beteiligt). Er könnte also den Arbeitgeber auf Zahlung von Urlaubsabgeltung mit der Begründung verklagen, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Urlaubstage offen gewesen seien.
*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.