10. März 2016
Ausschlussfrist Mindestlohn
Arbeitsrecht

Nach Urteil: Obacht bei Ausschlussfrist und Mindestlohn

LAG Nds: vertragliche Ausschlussfrist greift nicht für den gesetzlichen Anspruch auf Zahlung eines Mindestentgelts. Auswirkung auf Mindestlohnregelungen?!

Nach der Entscheidung des LAG Niedersachsen (Urteil vom 17.09.2015, Az. 6 Sa 1328/14) war der Arbeitgeber trotz Ablauf der „üblichen“ 3-Monatsfrist verpflichtet, den der Arbeitnehmerin zustehenden Entgeltfortzahlungsanspruch zu erfüllen.

Der Anspruch folgte dabei zwar aus dem Anwendungsbereich der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (PflegeArbbV). Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Entscheidung auf das Mindestlohngesetz (MiLoG) übertragbar ist, so dass das Urteil für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen von Relevanz sein könnte.

Die Klägerin war als Pflegekraft angestellt und klagte gegen ihren Arbeitgeber auf Entgeltfortzahlung, weil sie mehrere Wochen arbeitsunfähig erkrankt war und für diese Zeit keinen Lohn erhalten hatte. Der Arbeitgeber verweigerte die Zahlung und berief sich darauf, dass der Anspruch verfallen sei, da die Mitarbeiterin diesen erst nach Ablauf der vom Arbeitsvertrag vorgesehenen dreimonatigen Ausschlussfrist geltend gemacht hatte.

Die Klägerin unterfiel als Pflegekraft dem Anwendungsbereich der PflegeArbbV, so dass sie nach deren § 2 Abs. 1 Anspruch auf Zahlung des dort normierten Mindestentgeltes hatte. § 4 PflegeArbbV sieht vor, dass Ansprüche auf das Mindestentgelt verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwölf Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. 

Arbeitsvertragliche Ausschlussfrist im Hinblick auf den gesetzlichen Mindestlohn unwirksam

Der Arbeitsvertrag der Klägerin sah folgende Ausschlussklausel vor:

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis (…) verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Dies gilt auch für Ansprüche, die während des bestehenden Arbeitsverhältnisses entstehen.

Nach Ansicht des LAG Niedersachsen ist diese Formulierung unwirksam. Dies begründet das Gericht damit, dass die Klausel in der von dem Arbeitgeber verwandten Form gegen mehrere gesetzliche Vorschriften verstoße. Denn aufgrund ihres Wortlauts („Alle beiderseitigen Ansprüche„) könne die Regelung nur so verstanden werden, dass sie auch den Mindestentgeltanspruch erfasst. Für diese sehe das Gesetz aber eine Ausschlussfrist von 12 Monaten vor, die durch eine arbeitsvertragliche Regelung nicht unterschritten werden dürfe.

Ausschlussklauseln richtig formulieren

Wir halten die Entscheidung des LAG Niedersachsen für falsch und gehen davon aus, dass auch umfangreiche Ausschlussklauseln nach richtiger Ansicht nach wie vor wirksam sind. Da aber auch das Arbeitsgericht Berlin mit Urteil vom 06. November 2015 (Az. 28 Ca 9517/15) Bedenken gegen die Wirksamkeit einer Verfallklausel geäußert hat, die sich auf sämtliche „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erstreckt“, ist bei der Formulierung solcher Klauseln Vorsicht geboten.

Das Urteil des LAG Niedersachsen zeigt, dass die „falsche“ Formulierung bzw. Verwendung einer Ausschlussklausel teuer werden kann. Hätte die Klausel vorgesehen, dass der Anspruch der Arbeitnehmerin auf Zahlung des Mindestentgelts von dieser nicht erfasst wird, hätte das Gericht sie wohl für wirksam erachtet – der Arbeitgeber wäre dementsprechend nicht zur Nachzahlung der Entgeltfortzahlungsleistungen verpflichtet gewesen. Sinnvoll ist eine solche Vereinbarung in dem Fall, dass dem Arbeitnehmer durch Arbeitsvertrag ein höheres Entgelt zusteht als das Mindestentgelt. Somit hätte er nach Ablauf der zulässig verkürzten Ausschlussfrist nur noch Anspruch auf die Höhe des Mindestentgelts – dieser Anspruch kann, wie aufgezeigt, nicht mit einer das Gesetz unterschreitenden Frist ausgeschlossen werden.

Brisanz der Entscheidung zur Ausschlussfrist vor dem Hintergrund des gesetzlichen Mindestlohns

Das seit dem 01. Januar 2015 geltende Mindestlohngesetz (MiLoG) sieht in § 3 vor, dass Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam sind.

Auch wenn die Entscheidung des LAG Niedersachsen nicht überzeugend ist, ist nicht auszuschließen, dass Gerichte in zukünftigen Fällen auch im Rahmen des MiLoG in Bezug auf arbeitsvertragliche Ausschlussklauseln ähnlich argumentieren, wenn diese sich auf „alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis″ und damit auch auf den Anspruch auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns beziehen. Darauf deutet zumindest die oben genannte Entscheidung des ArbG Berlin hin. Ob diese Ansicht im Instanzenzug und gar vom BAG bestätigt wird, ist aber nach wie vor offen.

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Isabel Meyer-Michaelis