Auch in Zeiten der Coronakrise bleibt die Pflicht des Kunden zur Zahlung einer Provision nach der Übernahme eines Zeitarbeitnehmers ein streitbares Thema.
Das LG Berlin hat sich mit einem von dem Personaldienstleister geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer Vermittlungsprovision auseinandergesetzt – im Wege der Stufenklage, zunächst gerichtet auf Auskunft über den Verdienst des übernommenen Arbeitnehmers (Urteil v. 21. Mai 2019 – 88 O 146/18).
Das Gericht hat die Klage abgewiesen.
Streit über Provision für eine vermeintliche Personalvermittlung
Der Zeitarbeitnehmer X war nach Anfrage des beklagten Kunden am 14. August 2017 sowie ab dem 16. August 2017 bei diesem tätig. Am 15. August 2017 übersandte die Klägerin der Beklagten postalisch und per E-Mail einen von ihr unterschriebenen Rahmenarbeitnehmerüberlassungsvertrag mit einer Konkretisierung auf X und die AGB, in denen eine Vermittlungsprovision geregelt wurde.
Nach dem streitigen Vortrag der Beklagten habe diese die Vertragsunterlagen am 16. August 2017 erhalten und am 17. August 2017 unterschrieben an die Klägerin zurückgesandt. Mit Schreiben vom 26. September 2017 kündigte X das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin, der nunmehr bei der Beklagten angestellt ist. Mit Schreiben vom 20. November 2017 stellte die Klägerin der Beklagten für die Personalvermittlung des X eine Provision i.H.v. EUR 5.275,89 brutto in Rechnung.
Die Zahlung wurde von der Beklagten abgelehnt, die ihrerseits im Wege der Widerklage die Kosten für den von ihr beauftragten Rechtsanwalt von der Klägerin erstattet verlangt.
LG Berlin: Keine wirksame Provisionsvereinbarung
Nach Ansicht des LG Berlin war die zulässige Stufenklage als unbegründet abzuweisen. Der Klägerin stehe aus kein Anspruch auf Zahlung einer Vermittlungsprovision zu, so dass auch kein Auskunftsanspruch begründbar sei. Es bestehe keine wirksame Provisionsvereinbarung nach dem Rahmenarbeitnehmerüberlassungsvertrag i.V.m. den AGB.
Der Rahmenarbeitnehmerüberlassungsvertrag sei bei Aufnahme der Tätigkeit von X bei der Beklagten formnichtig gewesen (§ 125 BGB). Dabei könne es dahinstehen, wann X die Arbeit bei der Beklagten aufgenommen habe. Gem. § 12 Abs. 1 S. 1 AÜG bedürfe der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag der Schriftform nach § 126 BGB. Ein schriftlicher Vertrag sei jedoch erst nach Zugang der schriftlichen Willenserklärung der Beklagten an die Klägerin zustande gekommen. Dies habe unter Zugrundelegung des beiderseitigen Vorbringens nicht vor Aufnahme der Tätigkeit des X erfolgen können.
Unerheblich sei, ob der Vertrag mit Zugang der Willenserklärung der Beklagten an die Klägerin wirksam geworden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe bereits eine unwirksame Arbeitnehmerüberlassung des X stattgefunden mit der Folge, dass zwischen diesem und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis jedenfalls seit dem 16. August 2017 fingiert worden sei. Spätestens vor Aufnahme der Arbeit am 16. August 2017 hätten die Parteien nach § 1 Abs. 1 5, 6 AÜG die Überlassung in dem Vertrag noch nicht ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung bezeichnet und die Person des Zeitarbeiters konkretisiert. Nach Ansicht des Gerichts könne dies unter sinnvoller Beachtung des § 12 AÜG nur im Rahmen einer Vereinbarung erfolgen, die die Schriftform gem. § 126 BGB wahre. Andernfalls würde das Schriftformerfordernis weitgehend leerlaufen. Die Formunwirksamkeit umfasse dabei sämtliche Abreden der Parteien und daher auch die von der Klägerin gestellten AGB (mit der dort vorgesehenen Provisionsabrede).
Rechtsfolge dieses Verstoßes sei die Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages zwischen der Klägerin und X nach § 9 Abs. 1a AÜG sowie die Fiktion eines solchen zwischen der Beklagten und X nach § 10 AÜG. Damit könne sich bereits aus den AGB der Klägerin, soweit diese durch die Wahrung der Schriftform am 17. August 2017 wirksam geworden seien, kein Anspruch gegen die Beklagten auf Zahlung einer Vermittlungsprovision ergeben, da es zu einer Überlassung von X als Arbeitnehmer der Klägerin nicht mehr habe kommen können. Es liege auch keine Übernahme von X vor, da das Arbeitsverhältnis gem. § 10 AÜG fingiert worden sei.
LG Berlin: Beauftragung eines Rechtsanwaltes zur Abwehr der Forderung einer Vermittlungsprovision nicht erforderlich gewesen
Die Widerklage sei nach Auffassung des LG Berlin ebenfalls unbegründet. Der Beklagten stehe kein Anspruch auf die Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches lägen nicht vor.
Die Beklagte habe trotz der Unwirksamkeit des Rahmenarbeitnehmerüberlassungsvertrages die Vergütung für eine Arbeitnehmerüberlassung gezahlt. Aufgrund der weiteren vorgerichtlichen Inanspruchnahme der Beklagten durch die Schreiben der Klägerin vom 20. November 2017 und 24. November 2017 habe diese eine Beauftragung eines Rechtsanwaltes zur Abwehr des Zahlungsanspruches nicht für erforderlich halten dürfen. Selbst bei einer unterstellten Wirksamkeit der vertraglichen Regelungen hätte die Beklagte erkennen können, dass die Klägerin jedenfalls aus ihren Schreiben keine weitere wirksame Forderung habe herleiten können. Selbst wenn der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung einer Vermittlungsprovision zugestanden hätte, sei der Rechnungsbetrag ohne Mitteilung der Beklagten über das Einkommen des X nicht nachvollziehbar gewesen. Dies habe die Beklagte auch erkennen müssen.
Kritik: Konkretisierung des Zeitarbeitnehmers gem. § 1 Abs. 1 S. 6 AÜG kann grundsätzlich formfrei erfolgen
An der Richtigkeit der Auffassung des LG Berlin können zumindest Zweifel angemeldet werden.
Zum einen ist bereits umstritten, ob die Konkretisierung eines Zeitarbeitnehmers* gem. § 1 Abs. 1 S. 6 AÜG tatsächlich der Schriftform bedarf. Dies ist im Ergebnis abzulehnen; selbige kann grundsätzlich formfrei erfolgen (hier durch die Übersendung des von dem Personaldienstleister unterzeichneten Arbeitnehmerüberlassungsvertrages, vgl. dazu: Bissels, DB 2017, 250; Bissels, NZA 2017, 215; Schüren/Hamann, AÜG, § 1 Rn. 418; Ulrici, AÜG, § 1 Rn. 134; die BA vertritt hierzu aber eine abweichende restriktive Ansicht!).
Ist von einer wirksamen Konkretisierung auszugehen, hätte sich die Frage gestellt, ob der verbleibende Verstoß gegen die Offenlegungspflicht gem. § 1 Abs. 1 S. 5 AÜG (mangels Beachtung der Schriftform) bereits ausreicht, um die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zu begründen (dagegen: Bissels, NZA 2017, 216 ff.; Bissels, DB 2017, 248; BeckOK/Motz, § 12 AÜG Rn. 11; BeckOK/Kock, § 9 AÜG Rn. 30; Thüsing/Waas, AÜG, § 1 Rn. 124; Greiner, NZA 2018, 750; Kainer/Schweipert, NZA 2017, 17; Müller, FA 2018, 360; dafür: Hamann, jurisPR-ArbR 28/2017 Anm. 3; Hamann, jurisPR-ArbR 9/2019 Anm. 2; Henssler, RdA 2017, 89). Auf diese Frage ist das LG Berlin jedoch nicht eingegangen, zumal in diesem Fall auch hätte diskutiert werden müssen, ob es sich bei der Tätigkeit des X bei dem Kunden am 14. August 2019 schon um eine „Überlassung″ im Rechtssinne gehandelt hat.
Sicherung eines Provisionsanspruchs durch vorherige „Auftragsbestätigung″ möglich
Zum anderen hätte zumindest darüber diskutiert werden können, ob die Provisionsabrede, die in den mit dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag an den Kunden übermittelten AGB vorgesehen war, nicht doch formfrei wirksam vereinbart worden ist.
Grundsätzlich gilt, dass das Schriftformerfordernis weit verstanden wird, so dass auch sämtliche Nebenabreden sowie Rahmen- oder Vorverträge, in denen sich die Beteiligten lediglich zum Abschluss späterer Arbeitnehmerüberlassungsverträge verpflichten, unter dieses Schriftformerfordernis fallen. Nebenabreden unterliegen dem Formzwang, soweit sich aus dem Zweck der Formvorschrift nicht etwas anderes ergibt. Verbinden die Parteien mehrere Rechtsgeschäfte, von denen eines formbedürftig ist, rechtlich zu einem Geschäft, ist dieses insgesamt formbedürftig (vgl. OLG Stuttgart, Urteil v. 8. Mai 2017 – 10 U 1/17 m.w.N.). Aufgrund der Verknüpfung des Rahmenarbeitnehmerüberlassungsvertrages mit den gleichzeitig an den Kunden übermittelten AGB dürfte die Ansicht des LG Berlin im Ergebnis richtig sein, dass auch die dort getroffenen „Nebenabreden″ (einschließlich der Pflicht zur Zahlung einer Provision) der Schriftform des § 12 Abs. 1 AÜG, § 126 BGB unterfallen. Eine abweichende Beurteilung hätte jedoch erfolgen können, wenn der Personaldienstleister dem Kunden vorab (per Fax oder E-Mail) eine „Auftragsbestätigung″ mit AGB und/oder einer gesonderten Provisionsabrede übermittelt hätte, die der Kunde vor der beginnenden Überlassung – ebenfalls vorab unterschrieben oder im Zweifel konkludent durch den schlichten Einsatz des angebotenen Arbeitnehmers und/oder die Zahlung der Vergütung an das Zeitarbeitsunternehmen – bestätigt hätte. Das OLG Stuttgart geht in diesem Fall davon aus, dass das Formerfordernis des § 12 Abs. 1 AÜG, § 126 BGB nicht gilt (Urteil v. 8. Mai 2017 – 10 U 1/17 m.w.N.).
Vor diesem Hintergrund kann es – gerade bei kurzfristig geplanten Einsätzen – zumindest aus Sicht des Personaldienstleisters zur Sicherung eines Provisionsanspruchs geboten sein, vor der beginnenden Überlassung einen entsprechenden Auftrag vorab zu verschicken und sich selbigen vom Kunden (ausdrücklich) – jeweils per E-Mail oder Fax – bestätigen zu lassen. Dies mag den wirtschaftlichen Schaden verringern, jedoch darf dies nicht darüber hinweg täuschen, dass dieses Vorgehen keine erlaubnisrechtlichen Schritte der BA oder Bußgelder verhindert, die verhängt werden können, wenn gegen § 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG verstoßen wird, wenn und soweit vor dem Einsatzbeginn gerade kein schriftlich abgeschlossener Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vorliegt.
Kritik: Abwehr einer Provisionsvermittlungsforderung nicht ohne rechtliche Beratung
Mit Blick auf die Abweisung der Widerklage vermag die Entscheidung des LG Berlin nicht zu überzeugen. Diese wird maßgeblich damit begründet, dass der Kunde hätte erkennen können, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die Zahlung einer Provision hätte geltend machen können. Dies setzt aber eher auf einer Fiktion auf.
Es ist dabei praxisfern, dass der Kunde ohne rechtliche Beratung tatsächlich in der Lage gewesen ist, den Rückschluss zu ziehen, dass der Anspruch auf die Vermittlungsprovision wegen der Formnichtigkeit des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages nicht begründbar ist.
Fazit: Die im AÜG vorgesehenen Pflichten und Formvorschriften beachten
Die Entscheidung zeigt auf, dass die im AÜG vorgesehenen Pflichten und Formvorschriften ernst genommen werden sollten. Dies gilt nicht nur wegen der Ordnungswidrigkeit, die droht, wenn – wie vorliegend – zumindest gegen die Offenlegungspflicht gem. § 1 Abs. 1 S. 5 AÜG, bei der die strenge Schriftform gilt, verstoßen wird, sondern auch wegen der wirtschaftlichen Nachteile, die entstehen können, weil ein Provisionsanspruch nach einer Vermittlung wegen einer Formnichtigkeit des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages nicht (erfolgreich) durchgesetzt werden kann.
Zwar müssen Personaldienstleister in der Praxis regelmäßig kurzfristig und schnell die Personalanfragen der Kunden decken – die Zeitarbeitsbranche ist schließlich der Inbegriff der flexiblen Personalbeschaffung, dies kann jedoch – wie der vorliegende Fall zeigt – zum Konflikten führen, wenn die kurzfristige Bedarfsdeckung dazu führt, dass die zwingenden Vorschriften des AÜG nicht eingehalten werden (können). In dem hiesigen Fall führte die insoweit vorschnelle Überlassung dazu, dass mangels eines formwirksam (unter Einhaltung der gesetzlichen Schriftform gem. § 126 BGB) geschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsvertrages und aufgrund des darin begründeten Verstoßes gegen die Offenlegungs- und Konkretisierungspflichten gem. § 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG ein Arbeitsverhältnis zum Kunden fingiert wurde. Es hat daher – so zumindest die Ansicht des LG Berlin – keine provisionspflichtige Übernahme stattgefunden, da das Arbeitsverhältnis bereits per Gesetz begründet worden ist.
Weitere Einzelheiten dazu entnehmen Sie dabei bitte der März-Ausgabe des „Infobriefs Zeitarbeit″, in dem wir jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informieren. Sollten Sie Interesse haben, diesen kostenfrei zu beziehen, schreiben Sie uns bitte eine kurze E-Mail (alexander.bissels@cms-hs.com oder kira.falter@cms-hs.com).
*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.
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