24. Juni 2011
auf der letzten Meile kam Sondermann schon mal ins Schwitzen
Commercial International

Die Zukunft des Vertragsrechts in Europa – Es wird ernst!

Am 08.06.2011 stimmten 521 von 736 Abgeordneten des Europäischen Parlaments für das Projekt eines einheitlichen europäischen Vertragsrechts. Damit ist dieses Mammutprojekt erneut einen Schritt weiter, ohne dass eine breite Öffentlichkeit davon Kenntnis genommen hätte.

Hintergrund

Im Rahmen ihrer Strategie „Europe 2020″, die die Wirtschaft Europas „intelligent, nachhaltig und umfassend″ fördern soll, hatte die Kommission nach intensiven (und jahrzehntelangen) rechtsvergleichenden Vorarbeiten mehrerer Forschungsnetzwerke im Juli 2010 Wege vorgestellt, das Vertragsrecht der EU-Staaten kohärenter zu gestalten.

Nun liegt ein Text vor, der von einer durch die EU-Kommission eingesetzten Expertengruppe innerhalb eines Jahres überarbeitet wurde  – wenn man so möchte: Das Modell des Kerns eines Europäischen Zivilgesetzbuchs.

Grundlage für die Arbeit der Expertengruppe war der von einem weltweit einzigartigen Forschernetzwerk entworfene Common Frame of Reference (Gemeinsamer Referenzrahmen). Hinter diesem Begriff verbergen sich Modellregeln, die – von der EU gefördert – auf der Grundlage einer intensiven rechtsvergleichenden Erforschung des nationalen sowie des EU-Rechts entwickelt wurden.

Wahrscheinliches Umsetzungskonzept

Bis zur Umsetzung dürfte es angesichts der Vehemenz, mit der die EU-Kommission das Projekt „einheitliches EU-Vertragsrecht“ vorantreibt, nicht mehr lange dauern. Als wahrscheinlichstes Umsetzungskonzept der EU kristallisiert sich derzeit ein optionales Vertragsrecht heraus, das die Parteien wählen können – oder auch nicht (sogenannte Opt-In-Lösung).

Wer sich gegen eine Wahl des EU-Vertragsrecht entscheidet und glaubt, das Projekt deshalb als irrelevant ad acta legen zu können, irrt allerdings. Denn die beabsichtigte Kodifikation soll dem europäischen Gesetzgeber auch als „Toolbox″ dienen, die grundlegende Rechtsbegriffe und Definitionen enthält und bei der künftigen EU-Rechtssetzung genutzt wird. Begriffe und Systematik künftiger Verordnungen und Richtlinien könnten damit bereits jetzt vorgezeichnet sein.

In diesem Fall werden sich vor allem deutsche Unternehmen auf ein vom Vertragsrecht des BGB abweichendes Konzept vertraglicher Haftung einstellen müssen. Denn ebenso wie der Common Frame of Reference basiert der Entwurf der Expertengruppe auf dem Vertragsbruchkonzept des englischen Rechts, gegen das in Deutschland erhebliche (teilweise durchaus unberechtigte) Widerstände bestehen. Die Zukunft des Vertragsrechts verspricht daher auch vor diesem Hintergrund spannend zu werden.

Tags: Common Frame of Reference europäisches Vertragsrecht Europäisches Zivilgesetzbuch Europe 2020 gemeinsamer Referenzrahmen Opt in Vertragsbruchkonzept