2. April 2019
Achmea Anhörungsrüge
Dispute Resolution

BGH weist Anhörungsrüge von Achmea zurück

Der BGH hat sich letztmalig in Sachen Achmea geäußert. Vor ausländischen Gerichten geht die Auseinandersetzung um die Folgen des EuGH-Urteils weiter.

The German Federal Supreme Court has spoken for the final time to reject another complaint by Achmea against the Court’s previous decision to annul the arbitral award. At the same time, controversy surrounding the ECJ ruling continues before foreign courts (English article available here).

In Sachen Achmea hatte der BGH Ende Januar erneut zu entscheiden. Der BGH hatte mit Beschluss vom 31. Oktober 2018 den zugunsten von Achmea gegenüber der Slowakischen Republik ergangenen Schiedsspruch aufgehoben und damit die vielbeachtete Vorabentscheidung des EuGH umgesetzt. Daraufhin hatte Achmea Anhörungsrüge erhoben und die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör durch den Aufhebungsbeschluss des BGH gerügt. Diese Anhörungsrüge hat der BGH nun mit Beschluss vom 24. Januar 2019 zurückgewiesen (Az. I ZB 2/15).

Für Achmea ist der ordentliche Rechtsweg nun erschöpft

Die Anhörungsrüge ermöglicht es einer Prozesspartei, Verstöße einer gerichtlichen Entscheidung gegen den grundgesetzlichen Anspruch auf rechtliches Gehör geltend zu machen, wenn gegen die Entscheidung kein weiterer Rechtsbehelf mehr statthaft ist. Wie aus der Begründung des Beschlusses vom 24. Januar 2019 hervorgeht, hat Achmea, eine Gesellschaft niederländischen Rechts, ihre Anhörungsrüge im Wesentlichen auf drei Gründe gestützt und vorgebracht, der BGH habe sich unzureichend mit ihrem Vortrag

  1. zur Versagung effektiven Rechtsschutzes sowie zum Vertrauensschutz,
  2. zur Staatenimmunität der Niederlande sowie
  3. zum Völkergewohnheitsrecht

auseinandergesetzt. Keiner dieser Gründe vermochte indessen den BGH umzustimmen und das Aufhebungsverfahren nach § 321a Abs. 1 S. 1 ZPO wiederaufzugreifen.

1) Versagung effektiven Rechtsschutzes und Vertrauensschutz

Erfolglos hat Achmea gerügt, der BGH habe ihren Vortrag unberücksichtigt gelassen, dass ihr durch die Entscheidung des EuGH effektiver Rechtsschutz verwehrt werde und es unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes Übergangsregelungen für bereits durch Schiedsspruch vollständig abgeschlossene Schiedsverfahren bedürfe.

Der BGH verwies auf seinen Hinweis im Aufhebungsbeschluss, dass nach dem Urteil des EuGH Achmea effektiven Rechtsschutz vor den slowakischen Gerichten erlangen könne und hiermit keine Aberkennung materieller Ansprüche verbunden sei. Den Vortrag Achmeas zu Rechtsschutzdefiziten in der Slowakischen Republik nahm der Senat zur Kenntnis; er könne hierauf aber keine von der Beurteilung des EuGH abweichende Würdigung stützen.

2) Staatenimmunität der Niederlande

Auch der Einwand, dass der Aufhebungsbeschluss des BGH sich unzureichend mit dem völkerrechtlichen Grundsatz der Staatenimmunität auseinandersetze, blieb ohne Erfolg. Nach diesem Grundsatz dürfen die Gerichte eines Staates nicht die Hoheitsakte eines anderen Staates überprüfen.

Der BGH wies darauf hin, dass Gegenstand des Aufhebungsverfahrens nicht die Wirksamkeit des zwischen der Slowakischen Republik und den Niederlanden abgeschlossenen bilateralen Investitionsschutzabkommens (BIT), sondern die Unwirksamkeit des Schiedsspruchs sei. Hierfür sei die Gültigkeit der Schiedsklausel des BIT nur eine – vom Grundsatz der Staatenimmunität nicht erfasste – Vorfrage.

3) Völkergewohnheitsrecht

Zuletzt verwarf der BGH Achmeas Argument, dass er ihren Vortrag zum Völkergewohnheitsrecht übergangen habe.

Mit dem Einwand, dass das Urteil des EuGH eine allgemeine Regel des Völkerrechts darstelle, die als Bestandteil des Bundesrechts gemäß Art. 100 Abs. 2 GG Gegenstand einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht sein könne, hatte sich der BGH bereits in seinem Aufhebungsbeschluss ausführlich auseinandergesetzt. Entscheidend hatte er darauf abgestellt, dass einer Entscheidung des EuGH aufgrund ihrer territorial begrenzten Wirkung die universelle Qualität des Völkergewohnheitsrechts fehle.

Ferner wies der BGH Achmeas Rüge zurück, dass ihr Vortrag zur Verletzung des völkergewohnheitsrechtlichen Prinzips der Vertragstreue (pacta sunt servanda, Art. 26 WVK) durch die Entscheidung des EuGH unberücksichtigt blieb. Die Mitgliedstaaten hätten durch den Beitritt zur EU im Verhältnis untereinander auf die Ausübung mit dem Unionsrecht kollidierender völkervertraglicher Rechte verzichtet. Daher könne auch kein dem Unionsrecht widersprechendes Völkergewohnheitsrecht zwischen den Mitgliedstaaten bestehen.

4) Achmea verbleibt nur noch Verfassungsbeschwerde

Der BGH hat mit seinem Beschluss zur Anhörungsrüge deutlich gemacht, dass er an seiner Entscheidung, den Achmea Schiedsspruch aufgrund der unionsrechtswidrigen Schiedsklausel des zugrundeliegenden Intra-EU BIT aufzuheben, nicht zweifelt. Damit ist – zumindest aus Sicht des BGH – das letzte Wort in dieser Rechtssache gesprochen und der ordentliche Rechtsweg erschöpft.

Als außerordentlicher Rechtsbehelf verbleibt Achmea nur noch die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht, die dem Vernehmen nach bereits anhängig ist.

International geht die Auseinandersetzung um die Folgen der Achmea Entscheidung des EuGH weiter

Die Achmea Entscheidung des EuGH zieht weite Kreise über die Unwirksamkeit des betroffenen BIT zwischen den Niederlanden und der Slowakischen Republik hinaus. Sie wird von verschiedenen Akteuren wie der Europäischen Kommission, den nationalen Gerichten sowie internationalen Schiedsgerichten unterschiedlich bewertet und ist Gegenstand einer lebendigen Debatte (siehe zu den bisherigen Entwicklungen etwa hier und hier).

In den letzten Monaten sind insbesondere folgende Entwicklungen hinzugekommen:

1) Erklärung der Mitgliedstaaten zur Zukunft der Intra-EU BITs

In drei am 15./16. Januar 2019 veröffentlichten Erklärungen haben die Mitgliedstaaten unter anderem erklärt,

  • ihre Intra-EU BITs bis zum 6. Dezember 2019 zu beenden,
  • Schiedsgerichte in laufenden, von „ihren“ Investoren eingeleiteten Intra-EU BIT Verfahren auf die Folgen der Achmea Entscheidung hinzuweisen und
  • die Aufhebung bzw. Nichtdurchsetzung von bestehenden unionsrechtswidrigen Intra-EU Schiedssprüchen zu betreiben.

Während 22 der Mitgliedstaaten (darunter auch Spanien, Italien und Deutschland) diese Verpflichtungen auch in Bezug auf Intra-EU Schiedsverfahren auf Grundlage des multilateralen Energiechartervertrags (ECT) übernahmen, wollten Finnland, Luxemburg, Malta, Slowenien, Schweden sowie Ungarn in zwei inhaltlich abgeschwächten Erklärungen einer Beurteilung des EuGH im Hinblick auf den ECT nicht vorgreifen.

2) Intervention der Europäischen Kommission in amerikanischem Vollstreckungs­verfahren

Mit Beschluss vom 18. März 2019 hat das amerikanische Bezirksgericht des District of Columbia die Europäische Kommission als amica curiae im Vollstreckungsverfahren in Sachen Eiser v. Spanien zugelassen. Es geht um die Vollstreckung des zugunsten von Eiser erlassenen Schiedsspruchs in den USA. In diesem Verfahren trägt die Kommission vor, dass die Anwendbarkeit der Achmea Entscheidung auch auf ECT-Schiedsverfahren der offiziellen Position der Europäischen Union entspreche.

Der Rat der EU, in dem die Minister sämtlicher Mitgliedstaaten vertreten sind, hatte zuvor einstimmig die Sichtweise der Kommission als offizielle Position der EU angenommen, wobei die sechs Mitgliedstaaten, die im Januar noch abweichende Erklärungen abgegeben hatten, auf ihre jeweiligen Erklärungen Bezug nahmen.

3) Aufhebungsverfahren vor den schwedischen Gerichten

Vor dem schwedischen Appellationsgericht in Stockholm (Svea hovrätt) haben Polen und Spanien die Aufhebung der Schiedssprüche in Sachen PL Holdings v. Polen sowie Novenergia v. Spanien beantragt.

In ersterem Verfahren hat das Appellationsgericht mit Urteil vom 22. Februar 2019 die Aufhebung der beiden in dieser Sache ergangenen Schiedssprüche abgelehnt, weil Polen die Zuständigkeitsrüge im Schiedsverfahren verspätet erhoben habe. Das schwedische Gericht erklärte, dass es nicht von sich aus (ex officio) verpflichtet sei, die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung zwischen PL Holdings und Polen zu überprüfen. Ferner verletzten die Schiedssprüche auch nicht den (unionsrechtlich determinierten) schwedischen ordre public, da der Inhalt der Schiedssprüche nicht gegen grundlegende Prinzipien des Unionsrechts verstoße. Eine etwaige Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung führe nicht dazu, dass die daraus resultierenden Schiedssprüche mit dem schwedischen ordre public unvereinbar wären.

Das Aufhebungsverfahren in Sachen Novenergia v. Spanien dürfte indessen zu einer erneuten Vorlage an den EuGH führen, wodurch der Gerichtshof dann auch über die Vereinbarkeit der Schiedsklausel im ECT mit dem Unionsrecht zu befinden hätte.

Durchsetzung der bereits ergangenen Schiedssprüche gegen Mitgliedstaaten wird schwieriger

Die jüngeren Entwicklungen zeigen, dass auch ein Jahr nach der Achmea Entscheidung des EuGH noch zahlreiche offene Fragen in Bezug auf bestehende Intra-EU Schiedssprüche und fortlaufende Schiedsverfahren verbleiben, obgleich die Mitgliedstaaten nun offiziell das Ende der Intra-EU BITs eingeläutet haben. Dabei ist zu beobachten, dass sich die Auseinandersetzung zunehmend auf die Vollstreckungsebene verlagert und in verschiedenen Foren hart um die Durchsetzung der bereits ergangenen Schiedssprüche gegen Mitgliedstaaten gerungen wird. Auch wenn das Achmea Verfahren vor den deutschen Gerichten mit dem Beschluss des BGH vom 24. Januar 2019 (vorbehaltlich einer anderweitigen Entscheidung des BVerfG) seinen Schlusspunkt gefunden hat, scheint eine Fortsetzung der Diskussion in anderen Verfahren garantiert.

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