21. Februar 2019
Russland Schiedsgerichtsbarkeit
Dispute Resolution

Neue Erläuterungen des Präsidiums des Obersten Gerichtshofs Russlands zu Fragen der Schiedsgerichtsbarkeit

Jetzt wieder in die andere Richtung: Der Oberste Gerichtshof Russland stärkt Schiedsverfahren als alternative Methode der Streitbeilegung in Handelsstreitigkeiten.

Am 26. Dezember 2018 hat das Präsidium des Obersten Gerichtshofs der Russischen Föderation einen Überblick über die Praxis von Gerichten hinsichtlich der Kontrolle von Schiedsgerichten und internationale Handelsschiedsverfahren veröffentlicht. Die Erläuterungen sind spektakulär, da sie zum Teil in direktem Gegensatz zu kürzlich getroffenen höchstrichterlichen Entscheidungen stehen.

Insbesondere relevant sind die Aussagen zu Muster-Schiedsklauseln, alternativen Schiedsklauseln sowie Anmerkungen in Bezug auf die Schiedsfähigkeit von Streitigkeiten unter Beteiligung des Staates sowie Unternehmen in staatlicher Trägerschaft.

Die Erläuterungen stärken Schiedsverfahren als alternative Methode der Streitbeilegung in Handelsstreitigkeiten. Die meisten kontroversen Fragen, die das Präsidium des Obersten Gerichtshofs aufgreift, löst es zugunsten der Schiedsgerichtsbarkeit.

Standard-Schiedsklauseln von Schiedsinstitutionen sind regelmäßig durchsetzbar

Der Oberste Gerichtshof erklärt ausdrücklich, dass eine Schiedsvereinbarung, welche einer Musterschiedsklausel einer Schiedsordnung entspricht, im Regelfall wirksam sei. Bestehen Zweifel an der Wirksamkeit, müsse die Auslegung der Klausel zugunsten der Gültigkeit und Durchsetzbarkeit einer solchen Vereinbarung erfolgen.

Als Beispiel verweist das Präsidium auf die von der Internationalen Handelskammer (ICC) empfohlene Schiedsklausel. Das Präsidium erklärt, dass die in der Musterklausel festgelegten Schiedsregeln die Bildung und die Arbeitsweise des Schiedsgerichts sowie die Vorgehensweise bei der Lösung eines Streitfalls regeln würden. Es folgert daraus, dass kein Zweifel an der Wirksamkeit einer solchen Klausel bestehen könne. Schiedssprüche, die aufgrund einer solchen Schiedsklausel erfolgen, könnten deswegen in Russland vollstreckt werden.

Diese Position des Präsidiums des Obersten Gerichtshofs steht im direkten Gegensatz zu einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, nach der die Standardschiedsklausel der ICC nicht wirksam sei und daher nicht zu vollstreckbaren Schiedssprüchen führen könne. Der Fall löste in Fachkreisen große Resonanz aus und führte sogar zu einer Änderung der ICC-Musterklausel. Es ist zu erwarten, dass die seinerzeit vertretene Rechtsauffassung nunmehr obsolet ist.

Alternative Schiedsklauseln sind akzeptabel

Im Überblick wird erstmals die Frage alternativer (optionaler) Vereinbarungen zur Streitbeilegung behandelt, die den Beteiligten das Recht einräumen, nach ihrem Ermessen für das internationale Handelsschiedsverfahren oder für die Streitbeilegung bei einem staatlichen Gericht zu optieren. Das Präsidium stellt fest, dass eine solche Vereinbarung keiner der Parteien eine unangemessene Priorität gewähre und daher rechtmäßig und wirksam sei.

„Inkongruente“ Klauseln, bei denen das Recht, zwischen einem staatlichen Gericht und einem Schiedsverfahren zu wählen, nur einer Partei eingeräumt wird, sind insoweit rechtswidrig, wie eine Partei in ihrem Recht, den Rechtsweg zu wählen, beschränkt wird. Das Präsidium erklärt dazu, dass die Schiedsklausel deswegen nicht insgesamt unwirksam werde, sondern nur die Beschränkung hinsichtlich des Wahlrechts der benachteiligten Partei. Die Schiedsklausel bleibt also wirksam, allerdings nicht die Beschränkung: beide Parteien haben das Wahlrecht.

Diese Position des Obersten Gerichtshofs mildert die Herangehensweise an „inkongruente“ Klauseln erheblich. Bisher erklärten Gerichte solche Klauseln häufig als insgesamt unwirksam, wodurch auf deren Grundlage erfolgte Schiedssprüche in Russland nicht durchsetzbar waren. Die neue Rechtsauffassung wertet das Schiedsverfahren entscheidend auf.

Streitigkeiten mit staatlich getragenen Unternehmen sind schiedsfähig, Streitigkeiten bezüglich öffentlicher Beschaffung nicht

Der Oberste Gerichtshof stellte klar, dass die Streitigkeiten, welche aus Beziehungen resultieren, die durch das russische Gesetz über das Vertragssystem im Bereich der Beschaffung von Gütern, Bauarbeiten und Dienstleistungen für staatliche und kommunale Bedürfnisse geregelt sind, nicht schiedsfähig sind. Derzeit werden solche Beziehungen durch das föderale Gesetz vom 5. April 2013 Nr. 44-F3 geregelt.

Im Gegensatz dazu sind Streitigkeiten aus Verträgen gemäß dem föderalen Gesetz Nr. 223-F3 vom 18. Juli 2011 generell schiedsfähig, auch wenn staatlich getragene Unternehmen (staatliche Unternehmen, Haushaltseinrichtungen, Unternehmen mit staatlicher Beteiligung von mehr als 50 %) davon betroffen sind.

Diese Klarstellung ist praktisch von erheblicher Relevanz: bisher haben Unternehmen in staatlicher Trägerschaft immer wieder versucht, die Vollstreckung aus gegen sie ergangene Schiedssprüche unter Berufung auf die öffentlich-rechtliche Natur ihrer Tätigkeit zu vermeiden, Dies dürfte jetzt nicht mehr möglich sein.

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