3. Februar 2022
Einheitliches Patentgericht UPC
Patentrecht & Gebrauchsmusterrecht

Einheitliches Patentgericht startet letzte Vorbereitungen

Seit Mitte Januar 2022 wird das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht vorläufig angewandt. Letzte Vorbereitungen starten.

Das Einheitliche Europäische Patentgericht (UPC) startet in die letzte Vorbereitungsphase. Mit Österreich hat am 18. Januar 2022 der dreizehnte Unterzeichnerstaat seine Ratifikation des Protokolls über die vorläufige Anwendbarkeit des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) beim Europäischen Rat hinterlegt. Damit tritt die Phase der vorläufigen Anwendbarkeit des EPGÜ in Kraft. Innerhalb dieser Phase erfolgen die letzten organisatorischen Vorbereitungen für den Start des UPC. 

Der Chairman des Preparatory Committee, Alexander Ramsay, rechnet damit, dass das UPC nach ca. acht Monaten Vorbereitungsphase seine Arbeit aufnimmt. Anschließend soll Deutschland als „Gatekeeper“ seine Ratifikationsurkunde des EPGÜ hinterlegen, sodass das EPGÜ vier weitere Monate später vollumfänglich in Kraft tritt. Dann wird auch die Beantragung eines Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung möglich. 

Langer Weg hin zum UPC

Die Vorbereitungen für ein einheitliches Europäisches Patentgericht gehen weit zurück. Seit den 1970er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es mehrere Versuche, in Europa ein einheitliches Patentsystem zu etablieren. Nach vielen Jahren vergeblicher Anläufe kam allerdings erst zu Beginn der 2010er Jahre wieder Bewegung in die politischen Prozesse. Es war ebenfalls Österreich, das im Jahre 2013 als erster Staat das EPGÜ unterzeichnete

Im Jahre 2017 stand das UPC dann bereits kurz vor dem Start. Das Bundesverfassungsgericht stoppte jedoch die Ratifizierung, indem es den Bundespräsidenten bat, die deutschen Umsetzungsgesetze vorerst nicht auszufertigen und diese im Jahr 2020 dann aus formellen Gründen für nichtig erklärte. Der deutsche Gesetzgeber besserte noch im gleichen Jahr nach, wogegen wiederum Verfassungsbeschwerden erhoben wurden. Mitte 2021 wies das Bundesverfassungsgericht allerdings die mit den Verfassungsbeschwerden verbundenen Eilanträge zurück, sodass der Weg für die deutsche Ratifikation frei war. 

Start in die finale Vorbereitungsphase

Mit der Zurückweisung der Eilanträge durch das Bundesverfassungsgericht war zwar absehbar, dass das EPGÜ in Kraft treten wird. Bis das UPC seine Arbeit aufnehmen kann, sind jedoch umfassende organisatorische Vorbereitungen erforderlich.

Zu diesem Zweck haben die Unterzeichnerstaaten das Protokoll über die vorläufige Anwendbarkeit des EPGÜ (Protocol to the Agreement on a Unified Patent Court on provisional application, kurz: PAP) geschaffen. Das PAP sieht vor, dass bestimmte Vorschriften des EPGÜ und der Satzung des UPC in den Unterzeichnerstaaten des Protokolls vorläufig angewandt werden. Nach Deutschland ratifizierte zunächst noch Slowenien das PAP, sodass nun mit der Ratifikation durch Österreich die erforderliche Anzahl von 13 Ratifikationen durch Unterzeichnerstaaten des EPGÜ erreicht ist. 

Wichtigste Folge ist, dass das UPC Rechtspersönlichkeit erhält (Art. 1, 4 EPGÜ). Dadurch kann das UPC selbst handeln und den Aufbau der eigenen Organisation vorantreiben. So müssen etwa Räumlichkeiten angemietet und Mitarbeiter eingestellt werden. Auch die IT-Systeme des UPC und insbesondere das Case Management System des UPC müssen eingerichtet werden. Zu diesem Zweck werden als Erstes der Verwaltungs-, Haushalts- und der Beratende Ausschuss ihre Arbeit aufnehmen, die das bisherige Preparatory Committee ersetzen.

Hauptaufgabe während der Vorbereitungsphase: Auswahl und Ernennung der Richter des UPC

Eine Hauptaufgabe während der Vorbereitungsphase ist die Auswahl und Ernennung der etwa 90 Richter* des UPC. Das Gericht setzt sich sowohl aus rechtlich qualifizierten als auch aus technisch qualifizierten Richtern zusammen. Die Richter müssen die Gewähr für höchste fachliche Qualifikation bieten und über nachgewiesene Erfahrung auf dem Gebiet der Patentstreitigkeiten verfügen. Zum rechtlich qualifizierten Richter des UPC kann ernannt werden, wer über die für die Berufung in ein richterliches Amt in einem Vertragsmitgliedstaat erforderliche Qualifikation verfügt. Die technisch qualifizierten Richter benötigen einen Hochschulabschluss, nachgewiesenen Sachverstand auf einem Gebiet der Technik und zudem nachgewiesene Kenntnisse im für Patentstreitigkeiten relevanten Zivil- und Zivilverfahrensrecht.

Für die Ernennung der Richter sieht Art. 16 EPGÜ ein formalisiertes Ernennungsverfahren vor. Danach erstellt zunächst der Beratende Ausschuss eine Liste der Kandidaten, die am besten geeignet sind, um zu Richtern des Gerichts ernannt zu werden. Der Verwaltungsausschuss ernennt dann auf Grundlage dieser Liste einvernehmlich die Richter des Gerichts. Auch wenn der Beratende Ausschuss grundsätzlich jede Person auf seine Liste aufnehmen kann, die die Auswahlkriterien erfüllt, ist zu erwarten, dass viele erfahrene Richter der Patentstreitkammern in den Unterzeichnerstaaten eine Position am UPC erhalten werden. Das Branchenmagazin JUVE Patent hat hierzu im November 2021 eine Umfrage durchgeführt, bei der die Befragten vor allem deutsche und französische Richter benannt haben, die als ausgewiesene Experten in Patentstreitverfahren gelten. Eine Tätigkeit als Richter des UPC ist in Vollzeit oder Teilzeit möglich.

Die ernannten Richter werden zunächst einem Richterpool zugeordnet, aus dem sie dann vom Präsidenten des Gerichts erster Instanz auf Grundlage ihres rechtlichen und technischen Sachverstands, ihrer Sprachkenntnisse und ihrer einschlägigen Erfahrung einer Kammer zugewiesen werden.

Um die Richter des UPC fortzubilden und eine möglichst einheitliche Rechtsprechung des UPC sicherzustellen, sieht das EPGÜ zudem vor, einen Schulungsrahmen für Richter und eine entsprechende Schulungseinrichtung zu schaffen. Die Schulungseinrichtung soll gem. EPGÜ in Budapest sitzen. Auch dies muss während der Vorbereitungsphase auf den Weg gebracht werden.

Beschluss der Verfahrensordnungen

Letztlich muss während der Vorbereitungsphase auch der rechtliche Rahmen für die Tätigkeit des UPC abgesteckt werden. Die Verfahrensordnung des UPC existiert bislang nur als Entwurfsfassung und muss zum Inkrafttreten vom Verwaltungsausschuss des UPC formell beschlossen werden. Zuvor ist gem. Art. 41 Abs. 2 S. 2 EPGÜ eine Stellungnahme der Europäischen Kommission zur Vereinbarkeit der Verfahrensordnung mit dem Unionsrecht einzuholen. Die gegenwärtig 18. Entwurfsfassung der Verfahrensordnung stammt noch aus dem Jahre 2017, sodass während der Vorbereitungsphase ggf. noch einige Änderungen vorgenommen werden. Gleiches dürfte gelten für die Regeln zu Gerichtskosten und zu erstattenden Kosten, die das Preparatory Committee bereits im Jahre 2016 als Ergänzung der Verfahrensordnung vorgestellt hatte.

Weiterhin muss während der Vorbereitungsphase auch das Mediations- und Schiedsgerichtszentrum für Patentsachen gem. Art. 35 EPGÜ mit Sitz in Lissabon und Ljubljana eingerichtet werden, das dann eine Mediations- und Schiedsgerichtsordnung festlegt und ein Verzeichnis der Mediatoren und Schiedsrichter aufstellt, die die Parteien bei der Streitbeilegung unterstützen.

Abschluss der Vorbereitungen und offene Fragen bis zum Start des UPC 

Sobald die Vorbereitungen abgeschlossen sind und das UPC nach Auffassung der Unterzeichnerstaaten arbeitsfähig ist, kann das EPGÜ vollumfänglich in Kraft treten. Um diesen Zeitpunkt steuern zu können, haben sich die Unterzeichnerstaaten darauf geeinigt, dass Deutschland seine Ratifikation des EPGÜ erst nach Abschluss der Vorbereitungsphase hinterlegen wird. Das EPGÜ wird dann am ersten Tag des vierten Monats nach der Hinterlegung der deutschen Ratifikation in Kraft treten. 

Offen ist noch, ob die Unterzeichnerstaaten schon während der Vorbereitungsphase regeln werden, ob und an welchem Ort eine dritte Abteilung der Zentralkammer des UPC eingerichtet wird. Der Wortlaut des EPGÜ sieht bislang ausdrücklich vor, dass die für die Bereiche täglicher Lebensbedarf, Chemie und Hüttenwesen zuständige Abteilung in London sitzen solle. Infolge des Brexits hatte das Vereinigte Königreich aber seine Ratifikation des EPGÜ zurückgezogen und das UPC wird dort demnach auch keinen Sitz einrichten. Als alternative Standorte werden derzeit Mailand oder Den Haag gehandelt. Laut dem Chairman des Preparatory Committee Alexander Ramsay ist aber nicht zu erwarten, dass die offene Frage nach einem weiteren Zentralkammersitz den Start des UPC bremsen wird. Vorerst haben sich die verbliebenen Unterzeichnerstaaten informell darauf verständigt, dass die Zentralkammerstandorte München und Paris sich die Zuständigkeit teilen. Eine langfristige Lösung wird aber weiterhin gesucht. 

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Einheitliches Patentgericht Patentrecht & Gebrauchsmusterrecht UPC Verfahrensordnung Zentralkammer