12. Dezember 2011
Energiewirtschaft & Klimaschutz Kartellrecht

Kehrtwende in der Energie-Fusionskontrolle?

Am 09.12.2011 hat das Bundeskartellamt in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, dass es eine 24 %ige Beteiligung von RWE an den Stadtwerken Unna freigegeben hat (Gesch.-Z.: B 8 – 94/11). Es handelt sich um eine Freigabe im Hauptprüfverfahren. Die Entscheidung ist bemerkenswert. Man darf auf die Veröffentlichung der Entscheidung auf der Internetseite des Bundeskartellamts gespannt sein.

Das Bundeskartellamt scheint mit dieser Entscheidung in gewissem Umfange von der früheren ständigen Verwaltungspraxis abzuweichen, Beteiligungen der beiden großen sog. „Verbundunternehmen″ an Stadtwerken zu untersagen. Das Bundeskartellamt sah RWE wie auch E.ON in der Vergangenheit als marktbeherrschend auf dem Deutschland und Österreich umfassenden Markt für die Erzeugung und den Erstabsatz von Strom an. Diese Auffassung wurde durch den Bundesgerichtshof auch bestätigt.

Mittlerweile tendiert das Bundeskartellamt wohl sogar dazu, von einer Marktbeherrschung der vier großen Stromerzeuger der Bundesrepublik Deutschland (RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW) auf dem genannten Markt auszugehen. Zumindest äußerte das Bundeskartellamt diese Auffassung im Rahmen seiner Sektoruntersuchung zum Stromgroßhandel. In der Vergangenheit hatte es den Erwerb von Beteiligungen von E.ON und RWE an Stadtwerken regelmäßig als Fall für eine Untersagung angesehen, wenn eine solche nicht durch Auflagen und/oder nach der Abwägungsklausel gewendet werden konnte. Begründet wurde dies in der Vergangenheit damit, dass das marktbeherrschende Unternehmen durch den Erwerb einer Beteiligung an einem aktuellen oder potentiellen Abnehmer seinen Absatz an diesen absichert und damit seine marktbeherrschende Stellung verstärkt. Dies galt im Falle der beiden großen Stromerzeuger E.ON und RWE für den bereits genannten Markt für die Erzeugung in den Erstabsatz von Strom. Im Gasbereich galt dies wegen der netzbezogenen Marktabgrenzung für sämtliche Beteiligungserwerbe von Vorlieferanten, die zugleich das vorgelagerte Netz betreiben, an ihren Abnehmern (vgl. beispielhaft den Fall Mainova / AVG; Gesch.-Z.: B8-27/04; OLG Düsseldorf vom 23.11.2005, Az. VI-2 Kart 14/04 [V] – Mainova / AVG).

Im vorliegenden Fall hat das Bundeskartellamt ausweislich der Pressemitteilung keine Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung durch Absicherung der Position als Vorlieferant gesehen. Begründet wird dies wohl damit, dass sich die Stadtwerke Unna in der Vergangenheit als eigenständiger Nachfrager beim Strom- und Gasbezug gezeigt und ein „selbstständiges, am Marktgeschehen orientiertes Beschaffungsmanagement″ hat. Solche Begründungen zählten in der Vergangenheit nicht. Selbst eine Aufgabe bestehender Lieferverträge konnte das Bundeskartellamt in der Vergangenheit nicht dazu bewegen, Minderheitsbeteiligungen der sog. Verbundunternehmen an ihren Abnehmern bzw. von Gasvorlieferanten an deren Abnehmern freizugeben. Kündigt sich hier ein grundsätzlicher Wandel in der Energie-Fusionskontrolle an?

Man darf gespannt sein. Sicher ist, dass die Entscheidung des Bundeskartellamts genau gelesen werden wird.

Tags: Bundeskartellamt Energie-Kartellrecht Freigabe Fusionskontrolle Marktbeherrschung Stadtwerke Verbundunternehmen