4. Februar 2011
EuGH
Kartellrecht

Kollektiver Rechtsschutz im Kartellrecht: EU Kommission leitet Konsultation ein

Dass Totgesagte auch im Wettbewerbsrecht länger leben, hatten wir bereits am 18. Oktober 2010 festgestellt. Damals machten Meldungen die Runde, die EU Kommission habe ein von den Kommissaren Reding (Justiz), Almunia (Wettbewerb) und Dalli (Verbraucherschutz) erstelltes vertrauliches Papier zum Thema Sammelklagen für Kartellgeschädigte und Opfer von Verstößen gegen Verbraucherrechte diskutiert. Seit heute ist die EU Kommission einen entscheidenden Schritt weiter: Sie hat ein umfangreiches Konsultationsverfahren zum kollektiven Rechtsschutz in Europa eingeleitet. Bis zum 30. April 2011 können interessierte Parteien zum Konsultationspapier der EU Kommission Stellung nehmen.

Nach einer heute veröffentlichten Pressemitteilung der EU Kommission zielt die Konsultation darauf ab, gemeinsame Rechtsgrundsätze für den kollektiven Rechtsschutz in der EU zu ermitteln (z.B. das Gebot von Wirksamkeit und Effizienz, Recht auf Information und Schutz vor Klagemissbrauch). Wie die Konsultation ausgehen werde, sei völlig offen. Noch sei nichts entschieden. Allerdings betont die EU Kommission, dass sie keine Sammelklagen nach dem Muster des US-amerikanischen Rechts anstrebe:

 „Der kollektive Rechtsschutz ist ein umfassender Begriff, der sowohl Unterlassungsverfügungen als auch Schadenersatz einschließt. Er ist klar von den Sammelklagen („class actions“) nach US-amerikanischem Recht zu unterscheiden.″

 „Gleichzeitig wendet sich die Kommission entschieden gegen die Einführung von Sammelklagen („class actions“) nach US-amerikanischem Muster oder Bestimmungen, die Klagemissbrauch Vorschub leisten.″

Im EU-Verbraucherrecht seien auf Unterlassung gerichtete kollektive Verfahren gang und gäbe. Auch im Umweltrecht seien sie nicht unbekannt. Etwas anderes gelte indes für kollektive Schadenersatzverfahren, die es nicht in allen Mitgliedstaaten gebe.

Die jetzt eingeleitete Konsultation ziele unter anderem darauf ab, gemeinsame Rechtsgrundsätze für den Fall zu ermitteln, dass die Kommission eine Legislativinitiative zum kollektiven Rechtsschutz ausarbeite, und zu überlegen, wie diese Grundsätze in das Rechtssystem der EU und die 27 Rechtsordnungen der EU-Mitgliedstaaten integriert werden könnten. Dabei stelle sich auch die Frage, in welchen Bereichen der kollektive Rechtsschutz (auf Schadenersatz und/oder Unterlassung gerichtet) einen Mehrwert in Bezug auf eine bessere Durchsetzung des EU-Rechts oder einen besseren Schutz der Geschädigten darstellen könnte.

Man darf gespannt sein, zu welchem Ergebnis die Konsultation führen wird. Das schon seit Jahren verfolgte Projekt ist bekanntlich sehr umstritten. Daher wird die Kommission gemäß den allgemeinen Grundsätzen für die Durchführung des Konsultationsverfahrens zunächst  alle eingereichten Stellungnahmen sorgfältig zu analysieren und zu gewichten haben. Zum Abschluss der Konsultation wird eine Anhörung stattfinden. Die Ergebnisse werden anschließend von der Kommission in einer Mitteilung vorgestellt werden. Sollte sie eine Legislativinitiative ins Auge fassen, käme es zu einer weiteren Folgenabschätzung, in der mehrere Optionen geprüft würden.

Bis zur möglichen Einführung eines kollektiven Rechtsschutzes im europäischen Wettbewerbsrecht ist es also noch ein längerer Weg. Entscheidende Weichen dürften aber bereits in den kommenden Monaten gestellt werden.

Tags: Kartellrecht Kollektiver Rechtsschutz Sammelklagen