25. November 2010
Kartellrecht

Medienkonzentration: Springer/ProSiebenSat.1 beschäftigt weiter die Gerichte

Mittlerweile ist es mehr als fünf Jahre her: Im Sommer 2005 meldete sich die Axel Springer AG mit einem Paukenschlag zu Wort - Der Verlag wollte die Fernsehsendergruppe ProSiebenSat.1 übernehmen, es sollte ein integrierter, medienübergreifender Konzern entstehen. Doch daraus wurde nichts. Weder die zuständige Bayerische Landeszentrale für neue Medien noch das Bundeskartellamt ließen die Übernahme zu. Das Vorhaben lasse vorherrschende Meinungsmacht entstehen und verstärke marktbeherrschende Stellungen der Axel Springer AG. Der Verlag ging gegen die Entscheidungen vor – bislang in der Sache ohne Erfolg. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden: Der Fall muss in medienrechtlicher Hinsicht erneut vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof geprüft werden.

 

Zum Hintergrund

Im Verwaltungsrechtsstreit geht es um die medienkonzentrationsrechtliche Seite des Falles. Die kartellrechtlichen Aspekte sind vor kurzem vom Bundesgerichtshof letztinstanzlich geklärt worden. Er entschied am 8. Juni 2010, dass das Bundeskartellamt das Vorhaben im Januar 2006 zu Recht untersagt hatte und bestätigte damit auch die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 3. Dezember 2008.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte sich nun mit der Frage zu befassen, ob die beklagte Bayerische Landeszentrale für neue Medien zu Recht die medienrechtliche Unbedenklichkeitsbestätigung für die zunächst beabsichtigte, dann aber aufgegebene Übernahme von ProSiebenSat.1 durch die Axel Springer AG verweigert hatte.

Nach dem Rundfunkstaatsvertrag (RStV) muss jede geplante Veränderung von Beteiligungsverhältnissen durch die zuständige Landesmedienanstalt als unbedenklich bestätigt werden. Eine solche Bestätigung darf nicht erteilt werden, wenn das Unternehmen durch die Veränderung der Beteiligungsverhältnisse eine vorherrschende  Meinungsmacht erlangt. Gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 RStV wird vermutet, dass ein Unternehmen vorherrschende  Meinungsmacht hat, wenn es im Durchschnitt eines Jahres einen Zuschaueranteil von 30% erreicht. Gleiches gilt nach § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV bei Erreichen eines Zuschaueranteils von 25%, sofern das Unternehmen auf einem so genannten medienrelevanten verwandten Markt eine marktbeherrschende Stellung hat oder aber eine Gesamtbeurteilung seiner Aktivitäten im Fernsehen und auf medienrelevanten verwandten Märkten ergibt, dass der dadurch erzielte Meinungseinfluss dem eines Unternehmens mit einem Zuschaueranteil von 30% im Fernsehen entspricht.

Die schwierige Feststellung vorherrschender Meinungsmacht unter Berücksichtigung der Stellung auf medienrelevanten verwandten Märkten steht im Zentrum des Falles Springer/ProSiebenSat.1.

Zum Verlauf des Falles

Im August 2005 meldete die Axel Springer AG gemeinsam mit den Fernsehveranstaltern der ProSiebenSat.1-Gruppe bei der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien und bei der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) eine geplante Beteiligungsveränderung an und beantragte, deren medienrechtliche Unbedenklichkeit zu bestätigen. Die KEK fasste am 10. Januar 2006 den Beschluss, die geplanten Veränderungen von Beteiligungsverhältnissen nicht als unbedenklich zu bestätigen. Nachdem auch das Bundeskartellamt den Zusammenschluss am 19. Januar 2996 untersagt hatte, gab Axel Springer AG ihre Pläne zur Übernahme der Beteiligungen auf.

Dennoch ging sie gegen die behördlichen Entscheidungen vor. Ihre Klage auf Erteilung einer medienrechtlichen Unbedenklichkeitsbestätigung wies das VG München ab (Urt. v. 08.11.2007 – M 17 K 06.2675). Im Berufungsverfahren beantragte die Axel Springer AG dann nur noch die Feststellung, dass die Verweigerung der medienrechtlichen Unbedenklichkeitsbestätigung rechtswidrig gewesen ist. Der BayVGH wies die Berufung jedoch zurück, weil die Klage wegen fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig sei (Beschl. v. 07.07.2009 – 7 BV 08.254).

Diese Entscheidung hat das BVerwG nun aufgehoben. Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den BayVGH zurückverwiesen. Nach Auffassung des BVerwG hat die Klägerin ein fortbestehendes Interesse an einer Sachentscheidung:

„[D]ie Klägerin müsste wegen der für sie ungünstigen Entscheidung der Beklagten damit rechnen, von einem potentiellen Veräußerer schon gar nicht als ernsthafter Verhandlungspartner für eine etwaige künftige Übernahme in Betracht gezogen zu werden.″

Das BVerwG gibt dem BayVGH mit auf den Weg, er werde bei seiner erneuten Entscheidung zu berücksichtigen haben, dass der KEK bei ihrer Beurteilung der vorherrschenden Meinungsmacht nach § 26 RStV ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukomme. Die in § 26 Abs. 2 RStV genannten Vom-Hundert-Anteile zur Gewichtung von Zuschaueranteilen bei der Meinungsmacht eines Unternehmens hätten den Rang von Regelbeispielen, deren Einschlägigkeit im Einzelfall zu beurteilen sei.

Damit beginnt eine weitere – vielleicht die letzte – Episode in diesem vieldiskutierten Fall…

Tags: BayVGH Bundeskartellamt KEK Medien Meinungsmacht RStV Verwaltungsgerichte