13. Oktober 2010
Kartellrecht

Zerschlagung von Großkonzernen bald als Ultima Ratio?

Kartellrechtliches Entflechtungsinstrument weiter auf der Agenda

Es war vorübergehend ruhiger geworden um das Thema Entflechtung im deutschen Kartellrecht. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob dem Bundeskartellamt – anders als bisher – die Befugnis gegeben werden soll, das Eigentum an Unternehmen zu entflechten – und zwar unabhängig davon, ob das betreffende Unternehmen gegen deutsches Kartellrecht verstoßen hat oder nicht.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hatte die Frage zunächst bejaht. Am 8. Januar 2010 hatte es einen Referentenentwurf vorgelegt, der sehr kontrovers diskutiert worden war. Wenig später hieß es dann, die Gesetzesinitiative sei erst einmal auf Eis gelegt. So berichtete die FAZ am 5. April 2010, das Thema werde in der Regierung vorerst nicht weiter verfolgt.  Wenig später ergänzte das Handelsblatt, das geplante Entflechtungsgesetz stoße vor allem im Gesundheitsministerium auf Bedenken, da es mit dem Sozialrecht nicht vereinbar sei. Im Mai 2010 wurde Medienberichten zufolge ein überarbeiteter Referentenentwurf an die Ressorts verteilt. Weiter passiert ist seitdem nichts.

Nun ist allerdings wieder Bewegung in die Diskussion gekommen. Am 28. September 2010 stellten Bundestagsabgeordnete der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag den Antrag, schnellstmöglich ein Entflechtungsinstrument in das Wettbewerbsrecht einzufügen. Der Bundestag solle die Bundesregierung auffordern,

„unverzüglich einen Gesetzentwurf zur Entflechtung von marktbeherrschenden Unternehmen vorzulegen. Das Bundeskartellamt soll auf dieser Grundlage marktbeherrschende Unternehmen, wie z. B. die großen Energiekonzerne, zur Aufgabe von Marktanteilen durch Veräußerung von Kraftwerken oder Unternehmensteilen zwingen können. Ein Missbrauchsnachweis soll nicht erforderlich sein.″

Die Antragsteller verweisen darauf, CDU, CSU und FDP hätten in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, das Entflechtungsinstrument in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) aufzunehmen. Der entsprechende Gesetzentwurf befinde sich allerdings schon seit Januar 2010 in der Ressortabstimmung. Die Monopolkommission habe in ihrem Sondergutachten „Gestaltungsoptionen und Leistungsgrenzen einer kartellrechtlichen Unternehmensentflechtung″ im April 2010 bestätigt, dass eine Entflechtungsregelung dazu beitragen könne, den Wettbewerb auf Märkten mit verfestigten nicht wettbewerblichen Strukturen in Gang zu setzen und aufrechtzuerhalten.

Die Frage, ob und inwieweit die kartellrechtliche Entflechtung ein wettbewerbspolitisch sinnvolles und im deutschen Recht umsetzbares Instrument ist, hat jetzt auch den Arbeitskreis Kartellrecht beschäftigt. Auf Einladung des Bundeskartellamtes diskutierte dieser hochkarätig besetzte, vor allem aus Hochschullehrern sowie Richtern der Kartellsenate beim OLG Düsseldorf und beim Bundesgerichtshof bestehende Kreis am 7. Oktober 2010 das Thema in Bonn. Die Grundlage der Diskussion bildete ein vom Bundeskartellamt erarbeitetes Hintergrundpapier mit dem Titel: „Entflechtung als Instrument des Kartellrechts – Neue Instrumente im GWB?

Das lesenswerte Dokument fasst die Kernpunkte der Thematik zusammen, stellt den Inhalt des aktuellen Referentenentwurfs im Einzelnen dar, wagt einen rechtsvergleichenden Blick in die USA sowie nach England und formuliert abschließend eine Reihe von Diskussionspunkten. Die im Anschluss an die Arbeitskreissitzung veröffentlichte Pressemitteilung des Bundeskartellamtes lässt erkennen, dass das Thema während der Sitzung durchaus kontrovers debattiert worden sein dürfte.

Es bleibt abzuwarten, ob und wie die so gewonnenen Erkenntnisse das Gesetzgebungsvorhaben beeinflussen. In jedem Fall zeigt die jüngste Entwicklung , dass das Thema Entflechtung nach wie vor aktuell ist. Die „Ultima Ratio″ des Kartellrechts wird uns sicher noch öfter beschäftigen.

Tags: Bundeskartellamt Entflechtung GWB Ultima Ratio