Kündigungen des Darlehensgebers sind nach dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie nicht völlig ausgeschlossen.
Jetzt ist der im Schnellverfahren beschlossene Art 240 § 3 EGBGB bereits seit einem Monat in Kraft. Zentrales Instrument ist die gesetzliche Stundung von Ansprüchen von Darlehensgebern gegen Verbraucher, die im Zeitraum zwischen dem 1. April und dem 30. Juni 2020 fällig werden. Daneben werden in Art. 240 § 3 Abs. 3 EGBGB Kündigungen des Darlehensgebers wegen Zahlungsverzugs, wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Verbrauchers oder der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit bis zum Ablauf der Stundung ausgeschlossen. Darlehensgeber werden sich in vielen Fällen fragen, ob es dennoch Möglichkeiten gibt, sich vom Darlehensnehmer zu trennen.
Grundsätzliche Beschränkung der Kündigungsrechte des Darlehensgebers
Mit dem Kündigungsausschluss soll klargestellt werden, dass insbesondere eine Zahlungsverzugskündigung im Zeitraum der gesetzlichen Stundung generell nicht in Frage kommt. Zwar gerät der Verbraucher schon durch die gesetzliche Stundung nicht in Verzug im Sinne des § 286 Abs. 1 BGB, weil Art. 240 § 3 Abs. 1 EGBGB die Fälligkeit der Darlehensforderungen aufschiebt. Allerdings sind laut der Gesetzesbegründung Einzelfälle denkbar (Voraussetzungen der Verzugskündigung sind vor dem Stichtag 1. April eingetreten, die gem. § 498 BGB notwendige Fristsetzung läuft erst nach dem 1. April ab oder die Kündigung wird erst nach diesem Stichtag erklärt), die den Gesetzgeber zum ausdrücklichen Kündigungsausschluss wegen Verzugs veranlasst haben.
Diese befristete Kündigungsbeschränkung ist nach dem Gesetzeszweck folgerichtig. Der Darlehensvertrag soll eben nicht wegen der wirtschaftlichen und finanziellen Folgen durch die COVID-19-Pandemie beendet werden müssen, sondern diese Krise überdauern. Stundung und Kündigungsschutz verschaffen den Vertragsparteien Zeit, von Hilfsangeboten Gebrauch zu machen und ihre vertragliche Beziehung auf eine tragfähige Grundlage zu stellen. Dazu soll auch das Gespräch über eine einverständliche Regelung zwischen Darlehensgeber und Verbraucher dienen.
Das Gesetz stellt in Art. 240 § 3 Abs. 3 Satz 2 EGBGB ausdrücklich fest, dass vom Kündigungsausschluss des Satzes 1 nicht zu Lasten des Verbrauchers abgewichen werden darf. Daher kann diese Regelung auch in dem Gespräch über die einverständliche Regelung mit dem Verbraucher nicht abbedungen werden und ist mithin zwingendes Recht.
Verbraucher behält seine Kündigungsrechte
Die im Gesetz explizit ausgeschlossenen Kündigungsgründe beziehen sich ausschließlich auf den Darlehensgeber. Der Verbraucher behält somit seine üblichen sowohl vertraglichen als auch gesetzlichen Kündigungsrechte. Danach stehen ihm z.B. weiterhin das Recht der ordentlichen Kündigung unter den Voraussetzungen des § 489 BGB oder § 500 BGB und das Recht der außerordentlichen Kündigung unter den Voraussetzungen des § 490 Abs. 2 BGB zu.
Enumerative Aufzählung der Ausschlussgründe
Nach dem Gesetzeswortlaut sind die für den Darlehensgeber ausgeschlossenen Kündigungsgründe enumerativ aufgezählt. In der Regel ist durch Auslegung zu bestimmen, ob diese Aufzählung abschließend zu verstehen ist oder nicht. Weder im Gesetz noch in dessen Begründung ist die Rede davon, dass vergleichbare Gründe gleich zu behandeln sind. Vielmehr wird in der Gesetzesbegründung auf die Unzulässigkeit der Kündigungen nach § 498 BGB und § 490 Abs. 1 BGB verwiesen. Allerdings ist auch die gesetzgeberische Intention zum COVID-19-Moratorium zu berücksichtigen, dass der Darlehensvertrag eben nicht scheitern soll.
Gleichwohl darf dem Darlehensgeber die außerordentliche Kündigung nicht vollständig verwehrt sein. Eine Kündigung des Darlehensgebers bis zum Ablauf der Stundung dürfte nur dann unzulässig sein, wenn der Kündigungsgrund – wie im Gesetz ausdrücklich benannt – auf Zahlungsverzug oder der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse oder der Werthaltigkeit einer Sicherheit beruht. Diese Ausschlussgründe greifen jedoch unabhängig davon, auf welche Kündigungsnorm sich der Darlehensgeber beruft. Demnach sind sie auch beim nicht als solchem ausgeschlossenen allgemeinen Recht der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund zu beachten.
Kein völliger Ausschluss der Kündigungsgründe des Darlehensgebers
Dem Darlehensgeber bleiben diejenigen Kündigungsgründe erhalten, die nicht mit der COVID-19-Pandemie im Zusammenhang stehen. Denn die aktuelle Krise darf nicht dazu führen, dass sich die Stellung des Darlehensgebers über die Maße verschlechtert. Der Verbraucher soll mit dem Kündigungsausschluss nur insoweit geschützt werden, als dass er von den wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie betroffen ist. Darüberhinausgehendes Fehlverhalten des Verbrauchers (z.B. falsche oder unzureichende Angabe bei Vertragsschluss) muss stets zur Kündigung berechtigen.
In jedem Fall kann der Darlehensgeber ordentlich kündigen, wenn im Darlehensvertrag eine Kündigungsfrist vereinbart wurde. Rechtsgrundlage sind der entsprechende Darlehensvertrag bzw. die gültigen AGB der Bank.
Läuft der Darlehensvertrag während der Moratoriumsfrist nach den vertraglichen Bedingungen aus, steht einem fälligen Rückzahlungsanspruch der Bank der Ausschluss einzelner Kündigungsrechte ebenfalls nicht entgegen. Allerdings kann die Stundung des Rückzahlungsanspruchs gemäß Art. 240 § 3 Abs. 1 EGBGB greifen.
Schließlich ist der Kündigungsausschluss nicht auf Darlehensverträge anwendbar, die nach dem 15. März 2020 abgeschlossen wurden. Diese Zäsur wird sich wohl vor allem auf Fälle des Eintritts des Kündigungsgrundes zwischen Vertragsschluss und Auszahlung auswirken.
Wichtiger Grund darf nicht durch die COVID-19-Pandemie begründet sein
Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund ist nur insofern möglich, als dass der wichtige Grund nicht im Zahlungsverzug oder einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse oder Werthaltigkeit einer Sicherheit liegt. Ein wichtiger Grund wäre z.B. gegeben, wenn der Verbraucher dem Darlehensnehmer wissentlich für die Kreditwürdigkeitsprüfung relevante Informationen vorenthalten oder diese gefälscht hat. Rechtsgrundlage für die außerordentliche Kündigung sind die gültigen AGB der Bank in Verbindung mit § 490 Abs. 3 BGB bzw. § 499 BGB. Durch den Verweis in § 490 Abs. 3 BGB können auch die §§ 313 und 314 BGB zur Anwendung kommen.
Rechtliche Beratung ist gerade in den Fällen geboten, in denen Unsicherheit über den wichtigen Grund besteht und dieser nur mittelbar mit der COVID-19 Pandemie zusammenhängt. In der Abwägung, ob weiterhin eine außerordentliche Kündigung zulässig ist, sind vor allem der Zweck des Moratoriums und die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Praxisrelevant ist im Rahmen des § 314 BGB vor allem der Fall der dauernden Unzuverlässigkeit bzw. des zerstörten Vertrauensverhältnisses. Dabei ist Vorsicht geboten, denn der Ausschluss der Kündigung wegen Zahlungsverzugs oder Verschlechterung der Vermögensverhältnisse darf hier nicht über die Hintertür Einzug erhalten.
Verordnungsermächtigung kann Kündigungsausschluss für Unternehmerkredite erweitern
Der Kündigungsausschluss gilt zunächst nur für Verbraucherdarlehensverträge im Sinne des § 491 BGB. Allerdings kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundestages im Wege der Verordnungsermächtigung nach Art. 240 § 3 Abs. 8 EGBGB den Anwendungsbereich für andere Darlehensnehmer erweitern. Viele Unternehmen sehen sich trotz öffentlicher Hilfsangebote in ihrer Existenz bedroht, sodass eine Erweiterung nicht unwahrscheinlich erscheint.
Sollte es zu einer Öffnung des Anwendungsbereichs auch für Unternehmerkredite kommen, stellt sich eine Vielzahl an weiteren Fragen. Insbesondere ist fraglich, welche vertraglichen Kündigungsrechte bzw. Beendigungsgründe bestehen bleiben.
Üblicherweise werden in Unternehmerkreditverträgen Gründe für die Verweigerung von Kreditauszahlungen vereinbart. Ob sich der Darlehensgeber bei einer Verschlechterung der finanziellen Situation des Darlehensnehmers hierauf berufen kann, hängt davon ab, ob es sich dabei um Kündigungen handelt. Besonders praxisrelevant könnten Kündigungsrechte werden, die auf der Nichteinhaltung von Finanzkennzahlen oder auf Geschäftsaufgaben/Unterbrechungen der Geschäftstätigkeit zurückzuführen sind. Hier könnte sich großes Streitpotential zu der Frage ergeben, ob und in welchen Fällen solche vertraglichen Kündigungsgründe nach Sinn und Zweck des Moratoriums ebenfalls ausgeschlossen sind.
Gespräch über einverständliche Regelung als Chance
Zusammenfassend bleiben dem Darlehensgeber deutlich weniger Rechte, den Darlehensvertrag vorzeitig zu kündigen.
Das nach Art. 240 § 3 Abs. 4 EGBGB mögliche Gespräch über eine einverständliche Regelung bietet dem Darlehensgeber allerdings eine Chance, Anpassungen an dem Darlehensvertrag vorzunehmen. Die Gründe, die den Darlehensgeber üblicherweise zu einer Kündigung bewegen, könnten hier in einer einverständlichen Lösung einbezogen werden. Bei Krediten an Unternehmer sind solche Restrukturierungsgespräche auch ohne gesetzliche Regelung ohnehin gelebte Praxis.
In unserer Blogreihe „Finanzierungsthemen in Corona-Zeiten″ betrachten wir die Finanzierung mit all ihren Facetten. Angefangen haben wir mit einem Blick auf die Immobilienfinanzierung. Anschließen haben wir uns mit Kreditverträgen allgemein und der Verlängerungsoption in Konsortialkreditverträgen beschäftigt. Weiter haben wir die Darlehenskündigung und das Gesetz zum Darlehensnehmerschutz unter die Lupe genommen, sowie auf die Herausforderungen für Darlehensgeber aufgezeigt. Auch die KfW-Förderprogramme und den Wirtschaftsstabilisierungsfonds haben wir uns angeschaut.
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