6. April 2023
Joint Venture Informationen Kartell
Joint Ventures

Der sichere Umgang mit Informationen im Joint Venture

Auch Wettbewerber schließen sich zu Joint Ventures zusammen. Dabei besteht die Gefahr des fehlerhaften Umgangs mit wettbewerbsrelevanten Informationen.

Joint Ventures bieten Unternehmen vielfältige Möglichkeiten zur Weiterentwicklung ihrer Geschäftstätigkeit. Insbesondere wenn es sich um den gesellschaftsrechtlichen Zusammenschluss (sog. Joint Venture) von Wettbewerbern handelt, sind unterschiedliche Interessen der Joint-Venture-Partner zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang entstehen immer wieder Unsicherheiten beim gesellschafts- und kartellrechtlich sicheren Umgang mit Informationen.

Wettbewerbsrelevante Informationen dürfen zwischen Wettbewerbern nicht weitergegeben werden

Das europäische und deutsche Kartellrecht verbietet in Art. 101 AEUV und § 1 GWB Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Beschränkung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken: Die Marktteilnehmer müssen ihr Wettbewerbsverhalten selbstständig, unabhängig und unbeeinflusst von ihren Wettbewerbern bestimmen. Der Austausch wettbewerbsrelevanter Informationen ist verboten, wenn er die strategische Unsicherheit im Markt verringert, dadurch Kollusion erleichtert und damit den Wettbewerb beschränkt. Als potentiell wettbewerbsrelevant gelten insbesondere Informationen über Preise, Kundenlisten, Produktionskosten, Mengen, Umsätze, Verkaufszahlen, Kapazitäten, Qualität, Marketingpläne, Risiken, Investitionen und Technologien. Solche Informationen dürfen grds. nicht an Gesellschafter* weitergegeben werden, die mit dem Unternehmen in einem aktuellen oder potentiellen Wettbewerbsverhältnis stehen.

Die Frage eines Kartellrechtsverstoßes kann sich nicht nur im Verhältnis der Gesellschafter untereinander, sondern auch im Verhältnis der Gesellschafter zum Gemeinschaftsunternehmen als solchem stellen, wenn die Gesellschafter (aktuelle oder potentielle) Wettbewerber der Gesellschaft (auf demselben Markt) sind. Verstößt die Gesellschaft bereits gegen das Kartellverbot, reicht eine Beschränkung des Informationsflusses zur Vermeidung eines Kartellrechtsverstoßes nicht aus. Der Verstoß kann nur durch eine Umstrukturierung beseitigt werden, z.B. durch Auflösung der Gesellschaft, Ausscheiden eines oder mehrerer Gesellschafter oder Änderung der Tätigkeit der Gesellschaft. 

Ausnahmsweise ist der Austausch wettbewerbsrelevanter Informationen zulässig, wenn das sog. Konzernprivileg greift. Danach sind Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen innerhalb eines Konzerns kartellrechtlich unbedenklich, wenn es den beteiligten Tochter- und Enkelgesellschaften an wirtschaftlicher Selbstständigkeit oder der Möglichkeit zu eigenständigem Marktverhalten fehlt. Der erforderliche wirtschaftliche Einfluss wird bei einer Kapitalbeteiligung i.H.v. 100 % (widerlegbar) vermutet. Die Anwendung des Konzernprivilegs und damit die Ausnahme von Art. 101 AEUV bei Gemeinschaftsunternehmen ist jedoch ungeklärt. Vorsichtshalber sollte daher nur in eindeutigen Fällen der alleinigen Kontrolle, die typischerweise bei einer Mehrheitsbeteiligung vorliegt, von einer Privilegierung ausgegangen werden. Im Verhältnis zwischen nur mitkontrollierenden Gesellschaftern und gemeinsam kontrollierten Gesellschaften (z.B. 50:50-Beteiligung) ist Vorsicht geboten, da diese Konstellation auf EU-Ebene noch nicht ganz abschließend geklärt ist. Schließlich sollte im Verhältnis zwischen nicht kontrollierenden (Minderheits-)‌Gesellschaftern und der Gesellschaft niemals eine solche Ausnahme angenommen werden.

Vermeidung der Verwendung von Informationen für gesellschaftsfremde Zwecke

Die Offenlegung wettbewerbsrelevanter Informationen der Gesellschaft sollte nicht nur zum Schutz vor Wettbewerbsverzerrungen unterbleiben. Auch die jeweils anderen Gesellschafter und die Gesellschaft selbst haben ein Interesse daran, den Zugriff auf für sie sensible Informationen zu verhindern, wenn diese für gesellschaftsfremde Zwecke verwendet werden. 

Da für Joint Ventures überwiegend die Rechtsform der GmbH gewählt wird, steht den einzelnen Gesellschaftern grds. ein umfassendes und unverzügliches Informationsrecht gegenüber ihrer GmbH, vertreten durch deren Geschäftsführung, zu (§ 51a Abs. 1 GmbHG). Eine Einschränkung dieses Rechts ergibt sich daraus, dass die Geschäftsführer dem Gesellschafter die Auskunft verweigern dürfen, wenn zu befürchten ist, dass die Auskunft zu gesellschaftsfremden Zwecken verwendet und dadurch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen ein nicht unerheblicher Nachteil zugefügt wird. Hauptanwendungsfall ist die Verwendung der Information für ein Konkurrenzunternehmen, das ein Mitgesellschafter betreibt oder an dem er maßgeblich beteiligt ist. 

Für eine Auskunftsverweigerung benötigt der Geschäftsführer allerdings grds. einen Gesellschafterbeschluss, der unverzüglich einzuholen ist. Dies wird häufig als nicht praktikabel angesehen. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit und auf welche Weise das Informationsrecht zum Schutz (wettbewerbsrelevanter) Informationen eingeschränkt werden kann.

Das individuelle Auskunfts- und Einsichtsrecht der Gesellschafter ist von Gesetzes wegen zwingend und kann daher durch die Satzung nicht eingeschränkt werden (§ 51a Abs. 3 GmbHG). Daraus folgt nach allgemeiner Auffassung lediglich ein Verbot inhaltlicher Beschränkungen in der Satzung, während Regelungen über die Ausübung des Auskunftsrechts und die Erteilung der verlangten Auskunft zulässig sind. So kann im Gesellschaftsvertrag auf das Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses verzichtet werden. Voraussetzung für die Auskunftsverweigerung ist dann allein das Vorliegen eines satzungsmäßigen Verweigerungsgrundes, nämlich die Verwendung der begehrten Information zu gesellschaftsfremden Zwecken. 

Eine weitere (umstrittene) Möglichkeit ist die Auskunftserteilung an einen persönlich zur Verschwiegenheit verpflichteten Treuhänder, der für beide Seiten vertrauenswürdig ist. Dieser gibt dann seine eigenen Ergebnisse und Bewertungen an die Gesellschafter weiter.

Darüber hinaus werden auch sog. Vorratsbeschlüsse, die bereits im Vorfeld eines Auskunftsverlangens gefasst werden, für zulässig erachtet, sofern sie hinreichend konkretisiert sind. Auf sie kann sich der Geschäftsführer dann bei der Verweigerung der Auskunft berufen. Das generelle Problem besteht darin, den Vorratsbeschluss hinreichend bestimmt und auf Fälle vorhersehbarer Auskunftsverweigerung abzustellen. In einem Joint Venture ist es gerade wegen der häufig bestehenden Konkurrenzsituation möglich, einen solchen zulässigen Auskunftsverweigerungsbeschluss für wettbewerbsrelevante Informationen zu fassen.

Schließlich können die Partner eines Gemeinschaftsunternehmens auf schuldrechtlicher Ebene einen Verzicht auf ihre Informations- und Einsichtsrechte vereinbaren, soweit wettbewerbsrelevante Informationen betroffen sind. Unzulässig ist eine Beschränkung des Informationsrechts per se nur im Gesellschaftsvertrag selbst. Dies wird jedenfalls dann angenommen, wenn sich der vertragliche Verzicht auf vergangene Zeiträume bezieht. Ein Verzicht für zukünftige Zeiträume ist ebenfalls umstritten.

Beschränkte Wahrnehmung von Organfunktionen im Gemeinschaftsunternehmen

Auch die Wahrnehmung von Organfunktionen der Joint-Venture-Partner/-Wettbewerber in dem Gemeinschaftsunternehmen ist wegen der unterschiedlichen Interessenausrichtung nur unter erhöhten Schwierigkeiten möglich, wenn es um Entscheidungen geht, die mit wettbewerbsrelevanten oder sensiblen Informationen des Gemeinschaftsunternehmens oder eines seiner Gesellschafter zusammenhängen, die ihnen vorenthalten werden.

Die Unvereinbarkeit eines Joint-Venture-Partners mit dem Amt des Geschäftsführers ergibt sich daraus, dass die Geschäftsführung die zur Verfolgung des Gesellschaftszwecks erforderlichen Entscheidungen umfasst. Unternehmerische Entscheidungen müssen auf der Grundlage angemessener Informationen und Vorbereitungen getroffen werden können. Eine angemessene Informationsgrundlage wird aber häufig durch das Vorenthalten von (wettbewerbsrelevanten) Informationen verhindert. Es besteht das Risiko der Schadensersatzpflicht, wenn ein Geschäftsführer ohne diese Informationen handelt, während bei Nichthandeln die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft zum Erliegen käme.

Würden den Aufsichtsratsmitgliedern wettbewerbsrelevante Informationen vorenthalten, bestünde ein erhebliches Risiko, dass sie ihrer Aufgabe, die Geschäftsführung zu überwachen, nicht nachkommen könnten. Diesem Risiko kann dadurch begegnet werden, dass nur ausgewählte Mitglieder des Aufsichtsrats zur Verschwiegenheit verpflichtet werden. Ebenso wäre es möglich, einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten einzubeziehen. Ähnlich wie bei der bereits angesprochenen Möglichkeit der Einschaltung eines vertrauenswürdigen Treuhänders können die informierten Mitglieder dann ihre Einschätzungen und das Ergebnis ihrer Analyse an die übrigen Aufsichtsratsmitglieder weitergeben und so für eine ausreichende Entscheidungsgrundlage sorgen. 

Auch Beiratsmitglieder, die die Geschäftsführung beraten und/oder Entscheidungskompetenzen haben und wie die Organe persönlich haften, sind auf ausreichende Informationen angewiesen. Das Risiko einer Unvereinbarkeit der Position als Joint-Venture-Partner mit der als Beiratsmitglied kann jedoch entsprechend den obigen Ausführungen auf die Position als Aufsichtsratsmitglied reduziert werden.

Auswirkungen auf Teilnahme- und Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung

Ist für die Verweigerung der Auskunft ein Gesellschafterbeschluss herbeizuführen, so steht dem Auskunft verlangenden Gesellschafter insoweit kein Stimmrecht zu. Ein Mitwirkungsverbot folgt hieraus jedoch nicht. Damit besteht die Gefahr, dass der auskunftsbegehrende Gesellschafter durch seine bloße Anwesenheit in der Gesellschafterversammlung, in der über die Auskunftsverweigerung entschieden werden soll, dennoch an die (wettbewerbsrelevanten) Informationen gelangen kann. In der Praxis wird dieses Problem dadurch gelöst, dass die übrigen Gesellschafter außerhalb der Versammlung informiert werden. Spätestens bei der Abstimmung muss sich der betroffene Gesellschafter jedoch einen persönlichen Eindruck von der Beschlussfassung verschaffen können, um eine Beurteilungsgrundlage für die Entscheidung über ein gerichtliches Vorgehen gegen die Auskunftsverweigerung zu schaffen. Ein entsprechender Umgang mit den betroffenen Gesellschaftern ist auch in den bereits erwähnten Fällen der Satzungsregelung, des Vorratsbeschlusses und der individualvertraglichen Vereinbarungen angezeigt.

Dem Auftakt zu unserer Serie „Joint Ventures“ folgten die Beiträge zur Geschäftsleitung, zur initialen Ausstattung eines Joint Ventures, zu Finanzierungsstrategien und zu asymmetrischen Joint VenturesZuletzt veröffentlicht wurden Beiträge zum Deadlock im Joint Venture, zu Pattsituationen und zur Übertragbarkeit von Gesellschaftsanteilen.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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