24. April 2019
Restrukturierungspläne
Präventive Restrukturierung

Präventiver Restrukturierungsrahmen – Restrukturierungspläne  

Die Regelungen der Restrukturierungsrichtlinie zum Restrukturierungsplan ähneln den Regelungen des Insolvenzplanverfahrens. Wird der Insolvenzplan überflüssig werden?

Das zentrale Instrument des in der Restrukturierungsrichtlinie vorgesehenen präventiven Restrukturierungsverfahrens stellt der Restrukturierungsplan dar. Ziel ist die Einigung über einen Restrukturierungsplan. Die Regelungen der Restrukturierungsrichtlinie (Art. 8 bis Art. 16) lassen den Mitgliedstaaten zwar an vielen Stellen Gestaltungsspielraum für die Umsetzung. Das Grundgerüst und die wesentlichen Elemente für den Restrukturierungsplan gibt die Restrukturierungsrichtlinie jedoch vor.

Personeller Anwendungsbereich: Alle Gläubiger können einbezogen werden

Nach der Restrukturierungsrichtlinie müssen – im Unterschied zum Insolvenzplanverfahren – nicht ausnahmslos alle Gläubigergruppen einbezogen werden. Gleichwohl können aber alle Gläubigergruppen in das Verfahren einbezogen werden.

Welche Gläubiger von dem jeweiligen Restrukturierungsplan betroffen sein sollen, hängt ganz vom Ziel und Willen des Planerstellers ab. Eine Beschränkung der Anwendbarkeit lediglich auf bestimmte Gläubigergruppen, wie zum Beispiel die Finanzgläubiger, war zwar ursprünglich in der Diskussion, konnte sich jedoch weder im Kommissionsvorschlag noch in der Restrukturierungsrichtlinie durchsetzen. Das bedeutet für den Restrukturierungsplan konkret, dass mittels dessen nicht nur eine rein finanzielle Restrukturierung durchgeführt werden kann, sondern auch operative Probleme angegangen werden können.

Besonders hebt die Restrukturierungsrichtlinie die Stellung der Arbeitnehmer und der Anteilseigner hervor. Diese können selbstverständlich auch von den Regelungen des Restrukturierungsplans betroffen sein. Bezüglich deren Stellung im Verfahren und der Möglichkeit, in deren Rechte einzugreifen, sieht die Restrukturierungsrichtlinie jedoch Sonderregelungen vor. Bei den Arbeitnehmern hat dies den Hintergrund, dass die Rechte und Belange der Arbeitnehmer besonders geschützt werden sollen. Aus diesem Grund stellt die Restrukturierungsrichtlinie klar, dass durch ein präventives Restrukturierungsverfahren bzw. durch einen Restrukturierungsplan nicht in nationale, kollektivarbeitsrechtliche Bestimmungen eingegriffen werden kann. Ebenso sollen die Arbeitnehmer möglichst frühzeitig über die wirtschaftliche Situation des schuldnerischen Unternehmens sowie den Ablauf des Restrukturierungsverfahrens und den Plan informiert werden. Im Gegensatz zu den Arbeitnehmern werden die Anteilseigner und deren Rechte durch die Regelungen der Restrukturierungsrichtlinie nicht besonders geschützt. Die Restrukturierungsrichtlinie sieht diesbezüglich beispielsweise vor, dass die Anteilseigner die Annahme und Umsetzung des Restrukturierungsplans nicht ohne Grund blockieren dürfen. Die Mitgliedstaaten können sogar regeln, dass diese komplett von der Abstimmung über den Restrukturierungsplan ausgeschlossen werden können.

Allgemeines zum Aufbau und Inhalt des Restrukturierungsplans

Die Restrukturierungsrichtlinie gibt für den Inhalt eines Restrukturierungsplans vor, dass – ähnlich wie beim darstellenden Teil eines Insolvenzplans – die Lage des Schuldners und die durchzuführenden Restrukturierungsmaßnahmen beschrieben werden sollen.

In diesem Zusammenhang sollen das Vermögen des Schuldners bewertet und die Ursachen für die Krise dargestellt werden. Auch Informationen sowohl über die betroffenen Gläubiger als auch über die nicht betroffenen Gläubiger sollen im Plan enthalten sein. Es soll insbesondere erläutert werden, warum bestimmte Gläubiger in den Plan einbezogen werden und andere nicht. Ebenso soll die vorgesehene Einteilung der einzelnen betroffenen Gläubiger in Klassen nachvollziehbar gemacht werden.

Einteilung der betroffenen Gläubiger in Klassen

Die Restrukturierungsrichtlinie gibt vor, dass die vom Plan betroffenen Gläubiger durch den Planersteller einzelnen Klassen zugeordnet werden sollen. Einer Klasse sollen Gläubiger mit vergleichbaren Rechten bzw. gleichgerichteten Interessen angehören. Welche oder wie viele Klassen insgesamt gebildet werden können, regelt die Restrukturierungsrichtlinie nicht.

Die Einteilung in Klassen im Detail soll dem Ermessen des Planerstellers überlassen werden. Es ist lediglich eine Differenzierung zwischen gesicherten und ungesicherten Gläubigern vorgeschrieben. Für kleine und mittlere Unternehmen können die einzelnen Mitgliedstaaten nach der Restrukturierungsrichtlinie sogar Regelungen treffen, dass diese auf die Einteilung der Gläubiger in Klassen komplett verzichten können. Ähnliche Regelungen gibt es auch für das Insolvenzplanverfahren. Dort spricht man allerdings von der Einteilung der Gläubiger in Gruppen.

Bescheinigung zum Nachweis der Wiederherstellung der Rentabilität des Unternehmens

Anders als beim Insolvenzplanverfahren ist für den Restrukturierungsplan vorgesehen, dass diesem eine Bescheinigung beigefügt werden muss, die nachweist, dass durch die Umsetzung des unterbreiteten Plans die Rentabilität des Unternehmens langfristig wiederhergestellt werden kann.

Die Pflicht zur Vorlage der Bescheinigung betrifft den Planersteller. Wer die Bescheinigung erstellen muss, regelt die Restrukturierungsrichtlinie nicht im Detail. Diesbezüglich haben die Mitgliedstaaten Umsetzungsspielraum. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass eine solche entweder von einem externen fachkundigen Experten oder von einem bestellten Restrukturierungsverwalter ausgestellt werden kann.

Mögliche Restrukturierungsmaßnahmen innerhalb eines Restrukturierungsplans

Was alles zum Gegenstand der im Plan vorgesehenen Restrukturierung gemacht werden kann, zählt die die Restrukturierungsrichtlinie nicht im Detail auf. Diese spricht von „restructuring measures„. Die Umschreibung von „restructuring measures″ lässt es zu, dass mit einem Restrukturierungsplan – ähnlich wie beim Insolvenzplan – sämtliche Restrukturierungsmaßnahmen getroffen werden können, die rechtlich zulässig sind. Der Restrukturierungsplan kann daher sowohl eine finanzielle Umstrukturierung (z.B. Umschuldung, Schuldnerlasse, Stundungen, Schuldumwandlungen etc.) als auch eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung (z.B. Veräußerung einzelner Assets oder ganzer Betriebsteile, Umwandlungsmaßnahmen, Veräußerung des schuldnerischen Betriebs im Ganzen) vorsehen.

Diese Flexibilität macht den Restrukturierungsplan einerseits attraktiv und bietet dem Planersteller viele Möglichkeiten für umfassende Restrukturierungsmaßnahmen. Andererseits bietet dieses hohe Maß an Flexibilität auch Raum für Missbrauch. Es wird sich in der Praxis zeigen, wie diese Möglichkeiten genutzt werden und ob die Rechte der einzelnen Gläubiger noch ausreichend geschützt sind.

Abstimmung über den Restrukturierungsplan

Selbstverständlich kann auch der Planersteller nicht ohne die Zustimmung der Gläubiger einen für diese gültigen Restrukturierungsplan aufstellen. Der Plan muss den betroffenen Gläubigern zur Abstimmung gestellt werden. Wichtig hierbei ist, zu erwähnen, dass nur die vom Plan betroffenen Gläubiger abstimmungsberechtigt sind. Betroffen sind die Gläubiger, dessen Rechtsstellung durch den Plan verändert wird. Die Gläubiger, deren Rechte durch den Restrukturierungsplan nicht berührt werden, haben kein Recht, über den Plan abzustimmen.

Stimmt jede Klasse mit der erforderlichen Mehrheit für den Restrukturierungsplan, gilt dieser als angenommen und entfaltet Wirkung gegenüber den betroffenen Gläubigern. Eine Bestätigung durch das Gericht oder eine behördliche Stelle soll dann nicht mehr erforderlich sein. Die Mehrheitserfordernisse für die Zustimmung innerhalb einer Klasse und für die Abstimmung über den Plan insgesamt legt die Restrukturierungsrichtlinie nicht fest, sondern gibt nur vor, dass keine größere Mehrheit als 75 Prozent der Kopf- oder Summenmehrheit der Gläubiger in einer Klasse gefordert werden kann. Kopfmehrheit meint Anzahl der Gläubiger in einer Klasse und Summenmehrheit betrifft die Mehrheit gemessen an der Forderungshöhe, die eine Klasse repräsentiert. Für die Annahme eines Insolvenzplans schreibt die Insolvenzordnung vor, dass man jeweils eine einfache Kopf- und Summenmehrheit pro Gruppe benötigt. Eine entsprechende Regelung wäre nach der Restrukturierungsrichtlinie auch für die Annahme des Restrukturierungsplans möglich.

Planannahmen und Planbestätigung

Eine Besonderheit des Restrukturierungsplans ist, dass dieser nicht zwingend durch ein Gericht oder eine sonstige behördliche Stelle geprüft und bestätigt werden muss. Die Restrukturierungsrichtlinie überlässt es der Umsetzung im jeweils nationalen Recht, welches Gericht für eine entsprechende Planbestätigung zuständig sein soll. Eine Bestätigung des Restrukturierungsplans durch ein Gericht oder eine dafür vorhergesehene behördliche Stelle, ist nur in folgenden Fällen vorgesehen:

  • Der Restrukturierungsplan greift in Rechte von betroffenen Gläubigern ein und nicht alle dieser betroffenen Gläubiger stimmen dem Plan zu.
  • Der Plan sieht eine neue Finanzierung für den Schuldner vor.
  • Der Plan führt zu einem Verlust von mehr als 25 Prozent der Arbeitsplätze.

Für eine Planbestätigung muss das bestätigende Gericht unter anderem prüfen, ob Einteilung der Gläubiger in unterschiedliche Klassen nachvollziehbar, ob die Gleichbehandlung der Gläubiger innerhalb einer Klasse gewährt ist und ob der Plan die Interessen der Gläubigergesamtheit erfüllt.

Die weitere Besonderheit ist der sogenannte klassenübergreifende „Cram-down„. Dahinter verbirgt sich die Möglichkeit, die fehlende Zustimmung einzelner betroffener Gläubiger, die gegen den Plan gestimmt haben, durch das Gericht oder die entsprechend vorgesehene behördliche Stelle zu ersetzen. Die Restrukturierungsrichtlinie sieht diesbezüglich die Möglichkeit vor, dass ein Restrukturierungsplan selbst dann angenommen werden kann, wenn eine oder mehrere Klassen gegen ihn gestimmt haben.

Voraussetzung für eine solche Ersetzung der Zustimmung ist allerdings, dass

  • die Mehrheit der Klassen bzw. zumindest eine Gläubigerklasse für den Plan gestimmt hat (Anteilseigner oder Gläubiger, die im Falle einer Liquidation nichts erhalten würden, werden hierbei nicht berücksichtigt) und
  • sich unter den zustimmenden Klassen auch die gesicherten Gläubiger oder zumindest Gläubiger, die im Rang vor den ungesicherten Gläubigern befriedigt werden, befinden und
  • sichergestellt ist, dass die Gläubiger einer widersprechenden Klasse, deren Zustimmung durch die Planbestätigung ersetzt wird, nach den Regelungen des Plans wenigstens so behandelt werden wie gleichrangige Klassen bzw. besser als ihnen nachrangige Klassen (sogenannte absolute Vorrangregel).

Die Restrukturierungsrichtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die erforderliche Mindestzahl der zustimmenden Klassen auch erhöhen können.

Bindungswirkung des Restrukturierungsplans

Die Mitgliedstaaten haben den Auftrag, bei der Umsetzung sicherzustellen, dass ein bestätigter Plan für alle beteiligten Parteien bindend ist. Eine Wirkungserstreckung auf nicht beteiligte Parteien ist dagegen nicht möglich. Auch sollen die Mitgliedstaaten Rechtsbehelfe gegen die Bestätigung des Plans vorsehen, die von den zuständigen Stellen beschleunigt bearbeitet werden und keine aufschiebende Wirkung haben sollen. Dies hat den Hintergrund, dass verhindert werden soll, dass opponierende Gläubiger oder Anteilseigner die Wirkung des Restrukturierungsplans durch Rechtsbehelfe, die Suspensiveffekte haben, auf unbestimmte Zeit blockieren können.

Präventives Restrukturierungsverfahren muss sich in der Praxis beweisen

Die Restrukturierungsrichtlinie überlässt viele wesentliche Detailfragen der nationalen Umsetzung. Es ist davon auszugehen, dass sich die nationale Umsetzung in Deutschland stark an dem Insolvenzplanverfahren orientieren wird. Erst in der Praxis wird sich zeigen, welchen Stellenwert ein präventives Restrukturierungsverfahren einnehmen und ob das Insolvenzplanverfahren daneben weiterhin von Bedeutung für die Sanierungskultur in Deutschland sein wird.

Der Beitrag ist Teil unserer Blogreihe zum Präventiven Restrukturierungsrahmen. Es erschien bereits ein Beitrag zu den Moratorien und zu den Restrukturierungsplänen. Anschließend haben wir uns mit den Pflichten der Unternehmensleitung, dem Schutz von Finanzierungen und Finanzierungsgebern sowie den Restrukturierungsbeauftragten und Verwaltern befasst. Zuletzt sind wir auf die Entschuldung insolventer Unternehmer eingegangen.

Tags: Präventiver Restrukturierungsrahmen Restrukturierungspläne