Unter dem Titel "Energiewirtschaft im Wandel – Kann sich die Branche neu erfinden?" fand Anfang September der 12. Deutsche Energiekongress in München statt.
Zwei Tage haben Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik diskutiert, wie der Schlüssel zur Energiewende und künftige Geschäftsmodelle in diesem Bereich aussehen können. Als Quintessenz bleibt: Die zwei Motoren der Energiewende sind der Klimaschutz und neue Technologien.
Klimaschutz als Motor der Energiewende
Nach dem Klimaschutzplan 2050 sollen bis zum Jahr 2030 – als Zwischenziel – die CO2-Emissionen in Deutschland um mindestens 55 % (gegenüber 1990) gesenkt werden. Von diesem Ziel ist man noch weit entfernt. Es wird die Aufgabe der neuen Bundesregierung sein, die notwendigen Maßnahmen zu beschließen, um dieses Ziel erreichen zu können. Aber wie gelingt die erforderliche Dekarbonisierung?
Aufgeteilt in die Sektoren Verkehr, Gebäude und Energiewirtschaft hat Staatssekretär Baake aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erstmals vorgestellt, wie nach seiner persönlichen Ansicht mögliche Maßnahmen zum Erreichen der Klimaziele konkret aussehen könnten. Dabei wurde deutlich: Die Energiewende darf nicht auf die „Stromwende″ reduziert werden. Parallel zur Stromwende sind die „Verkehrswende″ und die „Wärmewende″ zu forcieren, um die notwendige Verringerung der CO2-Emissionen zu erreichen.
Elektrifizierung des Verkehrs – oder nicht?
Im Sektor Verkehr sollen ca. 40 % an Emissionen eingespart werden. Maßgeblich soll dies im Individualverkehr durch Umstellung der PKW auf CO2-neutrale Antriebe erfolgen. Ob hier die Elektromobilität (mit Batteriespeicher) oder die Brennstoffzelle (mit Wasserstoff) das Rennen macht, will die Politik der Industrie überlassen. Gleichzeitig soll die Ladeinfrastruktur umfassend ausgebaut werden. Wie dies allerdings – wo doch abhängig von der Technologie – verlässlich vorangetrieben und bis 2030 erreicht werden soll, blieb offen. Realistisch erscheint dies nicht.
Veränderungen auch im Eigenheim
Im Sektor Gebäude sollen ca. 66 % an Emissionen eingespart werden. Neubauten sollen aus diesem Grund ab dem Jahr 2021 den sogenannten „Niedrigstenergiestandard″ einhalten. Das heißt, dass deren fast bei Null liegender oder sehr geringer Bedarf an Energie nicht mehr mit fossilen Kraftstoffen, sondern ausschließlich über Erneuerbare Energien abzudecken ist. Bestandsbauten sind in der Folge nachzurüsten. Öl-, Nachtspeicher- und ineffiziente Gasheizungen sollen dabei insbesondere durch Wärmepumpen ausgetauscht werden. Ob dies bei dem aktuellen Gebäudestand in Deutschland bis 2030 und dem langen Lebenszyklus von Gebäuden zu realisieren ist, erscheint fraglich.
Wir brauchen beides: Netzausbau und Speicher
Im Sektor Energiewirtschaft soll nach den Plänen ca. 61 % an Emissionen eingespart werden. Hierfür wird insbesondere die schrittweise Stilllegung von Braun- und Kohlekraftwerken bis 2030 mit einer Leistung von 25 Gigawatt (GW) für erforderlich gehalten. Dies entspricht der Hälfte der heutigen Kapazitäten.
Daneben soll das Stromnetz auf allen Spannungsstufen ausgebaut werden. Hierbei wurde deutlich: Wir brauchen sowohl den Netzausbau als auch den Speicher. Hier nur auf das eine oder andere zu setzen, wäre falsch. Die Energiewende ist maßgeblich vom Erfolg des Auf- und Ausbaus von Flexibilitäten abhängig. Der Speicher stellt dabei ein wesentliches Instrument der dezentralisierten Energieversorgung dar. Schließlich wollen wir das Licht insbesondere dann anschalten, wenn die Sonne nicht scheint und das E-Auto abends laden, wenn es in der Garage steht.
Aus den Diskussionen wurde deutlich, dass die Rahmenbedingungen für den Speichermarkt aber bei weitem nicht so klar sind, wie das von der Politik proklamiert wird. Um Investitionen in diesem Markt weiter vorantreiben zu können, bedarf es klarer und verlässlicher Rahmenbedingungen – nur so können größere Investitionen in diesem Bereich erfolgen.
Änderung des Steuer- und Abgabensystems
Schließlich müsste das Steuer- und Abgabensystem geändert werden. Die derzeit hohe Belastung von Strom verhindere die für die Energiewende erforderliche Sektorenkopplung, d.h. die Vernetzung von Strom, Wärmeversorgung und Verkehr. Wie das konkret aussehen soll, blieb aber ebenfalls offen. In jedem Fall wird dies eine spannende Aufgabe für die neue Bundesregierung.
Neue Technologien bringen neue Geschäftsmodelle
Mit dem Einsatz neuer Technologien und intelligenter Vernetzung entstehen neue Geschäftsmodelle. Hier konkurrieren Stadtwerke und Energieversorger auch mit Start-ups, die zunehmend den Markt für sich entdecken:
Erste Flatrate-Tarife für private Stromkunden, wie man sie aus der Telekommunikationsbranche kennt, sind bereits auf dem Markt. Gleiches gilt für Kombi-Produkte aus Speicher, PV-Anlage und Stromvertrag. Der isolierte Verkauf von Strom kann künftig nicht mehr im Vordergrund stehen. Maßgeblich soll vielmehr sein, den Kunden maßgeschneiderte Lösungen anbieten zu können und sie damit für sich zu gewinnen und zu binden – der Kunde entscheidet dann, für welche Dienstleistung er bezahlt.
Es geht voran – wenngleich noch viel Arbeit vor uns liegt
Die Energiewende hin zur All-Renewable World schreitet voran – es bleibt nun abzuwarten, wie die gesetzlichen Rahmenbedingungen hierfür nach der Bundestagswahl aussehen werden.
In der Serie „Environment and Climate Change″ sind wir eingegangen auf neue Gesetze im Energierecht, den Inhalt des 12. Deutschen Energiekongresses, haben uns mit dem Mieterstrom, mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes und der H2O-Politik und der Herstellerhaftung in Russland befasst sowie die Konsultation und das Feedback zur BNetzA-Konsultation Wasserstoffnetze dargestellt. Weiter beschäftigt haben wir uns mit der Wasserstoffstrategie, der Einwegkunststoffverbotsverordnung sowie dem „Green Deal„.