15. August 2016
Minderjährig Unternehmensnachfolger
Unternehmensnachfolge Corporate / M&A Private Clients

Der Minderjährige als Unternehmensnachfolger

Die frühzeitige Beteiligung von minderjährigen Kindern am Familienunternehmen – was Unternehmer wissen und beachten sollten.

Aus verschiedenen Gründen ist es für Familienunternehmer wichtig, ihre Kinder bereits früh in das Unternehmen einzubinden. Das Unternehmen soll im Besitz der Familie erhalten und weiterhin wirtschaftliche Grundlage der Familie bleiben. Werden die Familienmitglieder in jungen Jahren an das Unternehmen herangeführt, fördert dies die Identifikation mit dem Unternehmen und die Bereitschaft, später im Unternehmen tätig zu werden.

Eine frühe Integration der Familienmitglieder zwingt aber dazu, sich mit rechtlichen Fragen zur Beteiligung von Minderjährigen an Familienunternehmen auseinanderzusetzen. Der Familienunternehmer sollte sich bewusst sein, dass an dem Vorhaben nicht nur er und seine Kinder beteiligt sind. Unter Umständen bedarf es der Bestellung von Ergänzungs- und Verfahrenspflegern, die Rechte der Minderjährigen wahrzunehmen haben und möglicherweise der Genehmigung von Übertragungen von Unternehmensanteilen durch das Familiengericht.

Die rechtssichere und zeitlich absehbare Übertragung von Unternehmensbeteiligungen erfordert eine sorgfältige Vorbereitung und umfassende Planung, insbesondere eine frühzeitige Einbeziehung und gute Kommunikation mit dem zuständigen Familiengericht.

Wer ist minderjährig?

Im deutschen Recht sind Kinder und Jugendliche minderjährig, wenn sie das Alter von 18 Jahren noch nicht erreicht haben. Minderjährige stehen unter einem besonderen Schutz der Rechtsordnung.

Kinder unter 7 Jahren können Rechtsgeschäfte nicht wirksam abschließen. Sie sind geschäftsunfähig (§ 104 BGB). Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 7 und 18 Jahren sind beschränkt geschäftsfähig. Sie können Rechtsgeschäfte nur dann wirksam abschließen, wenn diese ausschließlich rechtlich vorteilhaft sind (§ 107 BGB). Für alle anderen Rechtsgeschäfte bedarf es der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter und in bestimmten Fällen eines sogenannten Ergänzungspflegers.

Gründe für die frühe Beteiligung von Minderjährigen am Familienunternehmen

Gründe für die frühzeitige Beteiligung von minderjährigen Familienmitgliedern am Unternehmen sind zahlreich und können im Einzelfall sehr unterschiedlich sein:

  1. Vorweggenommene Erbfolge / Erbschaftssteuer
    Die erbschaftssteuerlichen Freibeträge lassen sich alle 10 Jahre nutzen (§ 14 Abs. 1 ErbStG). Der persönliche Freibetrag für Erwerbsvorgänge im Verhältnis eines Elternteils zu jedem Kind beträgt derzeit EUR 400.000,00 (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Werden die Kinder von Familienunternehmern daher bereits in jungen Jahren am Unternehmen beteiligt, können die erbschaftsteuerlichen Freibeträge mehrfach genutzt werden.
  1. Realisation von Wertsteigerungen
    Werden minderjährige Familienmitglieder frühzeitig am Unternehmen beteiligt, realisieren sich künftige Wertsteigerungen bereits im Vermögen der Kinder. Auf diese Vermögenswerte ist dann keine Erbschaftssteuer oder Schenkungssteuer zu entrichten.
  1. Eigene Einkunftsquelle der Kinder
    Durch eine vermögensmäßige Beteiligung am Familienunternehmen kann den Kindern eine eigene Einkunftsquelle geschaffen werden. Die Kinder können so einen verantwortungsvollen Umgang mit Vermögenswerten noch unter der Aufsicht ihrer Eltern erlernen.
  1. Vorbereitung der Nachfolgeentscheidung
    Der Familienunternehmer kann beobachten, wie sich seine Kinder in das Familienunternehmen integrieren und ob sie Interesse am Unternehmen und die Bereitschaft zeigen, auch selbst im Unternehmen tätig zu sein. Dies können wichtige Indizien für eine spätere Nachfolgeentscheidung sein und eine bereits getroffene Nachfolgeentscheidung kann bei Bedarf noch korrigiert werden.

Beteiligung des Minderjährigen am Unternehmen durch Schenkung von Anteilen

In der Regel vollzieht sich die Beteiligung eines minderjährigen Familienmitglieds am Unternehmen durch die unentgeltliche Übertragung von Anteilen von den Eltern (oder nur einem Elternteil) auf das Kind. Die Eltern schenken ihrem Kind Anteile am Familienunternehmen gemäß entsprechendem Schenkungsvertrag. Hier stellt sich die Frage, ob das Kind selbst handeln kann, oder ob es vertreten werden muss und durch wen es vertreten werden kann.

Vertragsschluss durch das minderjährige Kind selbst

Geschäftsunfähige Kinder können nicht selbst Verträge abschließen. Beschränkt geschäftsfähige Kinder können zum Abschluss des Vertrags nur dann selbst handeln, wenn die Schenkung für sie ausschließlich rechtlich vorteilhaft ist.

Da mit der Übertragung von Anteilen an einem Unternehmen, je nach Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages im Einzelfall, ein ganzes „Bündel von Rechten und Pflichten″ auf das Kind übergeht, ist die Beteiligung an einem Unternehmen regelmäßig nicht nur rechtlich vorteilhaft. Das gilt in jedem Fall bei der Aufnahme eines Kindes als Gesellschafter einer OHG oder als Komplementär einer KG. Für die Schenkung von Geschäftsanteilen an einer GmbH oder vollständig eingezahlten Kommanditanteilen ist unsicher, ob dies nur rechtliche Vorteile hat und ein beschränkt geschäftsfähiges Kind den Schenkungsvertrag selbst abschließen könnte. Diese Frage sollte möglichst konkret und frühzeitig mit dem zuständigen Familiengericht geklärt werden. So kann besser ein rechtssicherer und zuverlässiger zeitlicher Ablauf sichergestellt werden.

Notwendigkeit eines vom Familiengericht bestellten Ergänzungspflegers

Kann das minderjährige Kind nicht für sich selbst handeln, muss es vertreten werden. Grundsätzlich vertreten die Eltern ihre minderjährigen Kinder (§ 1629 Abs. 1 BGB). Bei der schenkweisen Übertragung von Anteilen am Familienunternehmen ist aber das gesetzliche Vertretungsverbot bei Insichgeschäften zu beachten (§ 181 BGB). Danach können Eltern ihre Kinder nicht bei einem Rechtsgeschäft mit sich selbst (den Eltern) vertreten, wenn das Rechtsgeschäft nicht nur rechtlich vorteilhaft ist oder in der Erfüllung einer bestehenden Verbindlichkeit besteht.

Da die Schenkung von Anteilen regelmäßig nicht nur rechtlich vorteilhaft ist und die Eltern bei der Schenkung sowohl als Schenker als auch als Vertreter des beschenkten Kindes auftreten, können sie ihr Kind hierbei nicht vertreten. In diesem Fall bestellt das zuständige Familiengericht einen Ergänzungspfleger, der das minderjährige Kind gegenüber den Eltern vertritt. Dieser Ergänzungspfleger entscheidet, ob er im Namen des Kindes die Schenkung annimmt.

Genehmigung durch das Familiengericht

Unabhängig davon, ob die Eltern ihr Kind bei der schenkweisen Übertragung von Anteilen am Familienunternehmen vertreten können, oder ob hierfür ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist, kann zur Wirksamkeit der Schenkung die Genehmigung des Familiengerichts erforderlich sein. So bedarf nach § 1822 Nr. 3 BGB ein „Gesellschaftsvertrag, der zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen wird″ der familiengerichtlichen Genehmigung.

Dieser Genehmigungstatbestand gilt vornehmlich für die Gründung einer Gesellschaft. Er ist allerdings auch auf viele Fälle der schenkweisen Übertragung von Anteilen anzuwenden. Ob im konkreten Fall eine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich ist, richtet sich nach der Rechtsform des Unternehmens, der sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Pflichten und nach den bestehenden Haftungsrisiken für das minderjährige Kind.

Bei der Entscheidung über die Genehmigung stützt sich das Familiengericht auf eine Vielzahl von Einzelaspekten und wägt sie gegeneinander ab. Vorrangig ist das Wohl des Kindes zu berücksichtigen (§ 1697a BGB). Es können aber auch Kriterien wie beispielsweise das Interesse der Eltern an der Fortführung des Familienunternehmens in die Abwägung einbezogen werden.

In der Regel wird die Genehmigung zur Übertragung von GmbH-Anteilen oder von voll eingezahlten Kommanditanteilen unproblematisch erteilt. Die Übertragung von OHG oder GbR Anteilen hingegen kann durchaus einen gewissen Gestaltungsaufwand bei Abfassung der Schenkungsverträge oder die Überarbeitung des Gesellschaftsvertrags erfordern.

Zur Vorbereitung seiner Entscheidung ermittelt das Familiengericht selbst alle relevanten Tatsachen. Hierzu kann es die Eltern und auch das Kind anhören. Die Eltern sollten sich daher darauf einstellen, dass auch die Meinung ihres Kindes zum Schenkungsvorgang und zum Unternehmen gehört wird.

Bis zur Erteilung der familiengerichtlichen Genehmigung ist die Schenkung an das minderjährige Kind schwebend unwirksam. Endgültig wirksam wird diese erst mit Mitteilung der familiengerichtlichen Genehmigung an die Beteiligten.

Der Minderjährige im Unternehmen

Auch nachdem ein minderjähriges Kind wirksam in das Familienunternehmen aufgenommen wurde, ist dessen besondere Schutzbedürftigkeit weiter zu beachten. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die Vertretung der nicht voll geschäftsfähigen Kinder bei der Fassung von Gesellschafterbeschlüssen.

Grundsätzlich können die Eltern, auch wenn sie ebenfalls am Unternehmen beteiligt sind, ihr Kind bei der Fassung von Gesellschafterbeschlüssen vertreten, wenn es sich um Maßnahmen der Geschäftsführung oder sonst um Angelegenheiten handelt, bei denen die Interessen von Eltern und Kind als Gesellschafter gleichgerichtet sind. Ein solcher Interessengleichlauf mag aber nicht immer gegeben sein, wie bei einer Änderung des Gesellschaftsvertrags oder der wesentlichen Änderung der Unternehmensverfassung. Hier ist dann das Verbot des Insichgeschäfts zu beachten (§ 181 BGB) und vom Familiengericht ein Ergänzungspfleger zu bestellen.

Entscheidend ist das konkrete Familienunternehmen – Vorbereitung, Planung und Kommunikation fördern eine rechtssichere und zeitlich absehbare Beteiligung von Minderjährigen am Unternehmen

Es gibt viele und gute Gründe, die für eine frühzeitige Einbindung von minderjährigen Kindern in das Familienunternehmen sprechen. Entscheidende Faktoren für die rechtssichere Umsetzung des Vorhabens sind die Besonderheiten des konkreten Familienunternehmens, eine sorgfältige Vorbereitung, umfassende Planung und vor allem die frühzeitige Einbindung des zuständigen Familiengerichts.

Unsere Beitragsreihe stellt wichtige Aspekte rund um das Thema Unternehmensnachfolge dar. Angefangen mit dem Gesellschaftsvertrag, folgt der Unternehmensverkauf an Finanzinvestoren und an strategische Investoren sowie ein Beitrag zum möglichen Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen. Ein weiterer Beitrag handelt vom Erbschaftsteuerrecht und den Auswirkungen auf Familienunternehmen. Weiter haben wir uns mit der Möglichkeit einer Familienstiftung an sich und ihrer steuerrechtlichen Besonderheiten beschäftigt. Zuletzt kamen Antworten auf Fragen rund um das Unternehmertestament und zum Pflichtteilsrecht sowie zum Güterstand der Gesellschafter und dem internationalen Erbrecht in der Unternehmensnachfolge. Bei Fragen zögern Sie nicht, mit unserem Experten Herrn Daniel Mahn in Kontakt zu treten.

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