Der „New Deal for Consumers” soll den Verbraucherschutz in der EU stärken. Unternehmern drohen bei Verwendung unwirksamer AGB künftig millionenschwere Bußgelder.
Um das Verbraucherschutzniveau innerhalb der EU weiter zu vereinheitlichen und zu modernisieren, hat der europäische Gesetzgeber Ende 2019 als Teil seines „New Deal for Consumers“ die sogenannte Omnibus-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/2161 zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union) erlassen. Die Richtlinie ändert vier bestehende EU-Richtlinien zum Verbraucherschutz ab und verschärft damit nochmals die bereits bestehenden gesetzlichen Anforderungen an alle Unternehmer mit B2C-Geschäft.
Die wohl wichtigste Neuerung ist dabei die Einführung eines neuen, vereinheitlichten Sanktionssystems. Bei der Verwendung unwirksamer Vertragsklauseln in Verbraucherverträgen, Verstößen gegen Informationspflichten oder Wettbewerbsverstößen sollen danach künftig – jedenfalls wenn sich die Verstöße in mehreren EU-Mitgliedstaaten auswirken – Bußgelder bis zu einem Höchstbetrag von mindestens 4% des Jahresumsatzes der betroffenen Unternehmen verhängt werden können. Sollten Informationen zum Jahresumsatz nicht vorliegen, sind Bußgelder bis zu einem Höchstbetrag von mindestens 2 Millionen Euro vorzusehen. Hierdurch werden nicht nur die bisherigen Sanktionsvorgaben im Lauterkeitsrecht deutlich verschärft, sondern erstmalig auch behördliche Konsequenzen für die Verwendung unwirksamer AGB-Klauseln im B2C-Bereich vorgesehen.
AGB-Pannen können künftig teuer werden
Bestand das größte Risiko für Unternehmer, die es mit dem AGB-Recht nicht ganz so genau nehmen, bislang in der Regel darin, von Wettbewerbern oder Verbraucherschutzverbänden abgemahnt oder auf Unterlassung verklagt zu werden, soll bei der Verwendung unwirksamer Klauseln künftig auch der Staat zur Kasse bitten können.
Durch die Omnibus-Richtlinie wurde eine neue Regelung in die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (93/13/EWG, im Folgenden: Klausel-Richtline) aufgenommen. Diese verpflichtet die Mitgliedsstaaten, bis zum 28. November 2021 Sanktionsvorschriften für den Fall von Verstößen gegen die jeweiligen nationalen Vorschriften zu erlassen, mit denen die Klausel-Richtlinie in den Mitgliedsstaaten umgesetzt wurde. Angewendet werden müssen die entsprechenden Vorschriften dann ab dem 28. Mai 2022.
Systemumbruch im deutschen AGB-Recht
In Deutschland wurde die Klausel-Richtlinie durch die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen in den §§ 305 ff. BGB umgesetzt. Hierin ist bislang – im Einklang mit der bisherigen Fassung der Klausel-Richtlinie – nur vorgeschrieben, dass Klauseln, die den Vertragspartner unangemessen benachteiligen, unwirksam sind, so dass sich der Verwender gegenüber dem Vertragspartner nicht auf diese Regelungen berufen kann. Zudem können nach dem Unterlassungsklagengesetz sogenannte „qualifizierte Einrichtungen“ und Interessensverbände Unterlassungsansprüche gegen Unternehmer durchsetzen, die unwirksame Klauseln gegenüber Verbrauchern verwenden.
Weitere Sanktionen sind im deutschen Recht bislang nicht vorgesehen. Die Verpflichtung zur Einführung von Bußgeldern für die Verwendung unwirksamer Vertragsklauseln wird daher in Deutschland zu einem Systemumbruch führen.
Mitgliedstaaten bestimmen konkrete Sanktionssysteme
Dazu, wie genau die Sanktionen ausgestaltet werden sollen, macht die Omnibus-Richtlinie keine Angaben, sondern sie überlässt es grundsätzlich den Mitgliedstaaten, über die Arten der zu verhängenden Sanktionen zu entscheiden und die entsprechenden Verfahren festzulegen. Vorgegeben wird lediglich, dass die Sanktionen „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssen.
Aber: Bußgelder von bis zu 4% des Jahresumsatzes vorgeschrieben
Um sicherzustellen, dass die Sanktionen die beabsichtigte Abschreckungswirkung erzielen und um das Verbraucherschutzniveau in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten weiter anzugleichen, steckt die Richtlinie allerdings einen Rahmen für die zu schaffenden Sanktionen ab:
Jedenfalls für Verstöße, die sich in mehreren Mitgliedstaaten auswirken, müssen EU-weit Geldbußen in Höhe von bis zu mindestens 4 Prozent des Jahresumsatzes des Unternehmens in den betroffenen Mitgliedstaaten verhängt werden können – wobei ausdrücklich klargestellt wird, dass hiermit ggf. auch der Konzernumsatz gemeint sein kann. Liegen keine Informationen über den Jahresumsatz vor, soll der Höchstbetrag mindestens 2 Millionen Euro betragen.
Mitgliedsstaaten können auch höhere Beträge festlegen
Bei diesen Höchstsätzen handelt es sich jeweils um Mindestvorgaben, d.h. den Mitgliedstaaten steht es frei, auch höhere Höchstbeträge festzulegen oder beizubehalten. So weisen die Erwägungsgründe der Omnibus-Richtlinie auf die Möglichkeit hin, die Geldbußen auch nach dem weltweiten Gesamtumsatz des Unternehmers zu bemessen (wie dies z.B. auch bei Verstößen gegen die DSGVO der Fall ist) und Bußgelder auch für Verstöße vorzusehen, die sich nur in einem EU-Mitgliedsstaat auswirken.
Wird dadurch künftig jedes Mal, wenn eine AGB-Klausel sich – ggf. auch erst im Nachhinein – als unwirksame herausstellt, ein millionenschweres Bußgeld fällig?
Vermutlich nicht. Bei der Verhängung der Sanktionen – und damit auch bei der Bemessung eines eventuellen Bußgeldes – sind nach der Richtlinie verschiedene Kriterien zu berücksichtigen. Genannt wird hier zum Beispiel die Art, die Schwere, der Umfang und die Dauer des Verstoßes, frühere Verstöße des Unternehmers sowie weitere erschwerende oder mildernde Umstände im jeweiligen Einzelfall.
Zudem ermöglicht es der EU-Gesetzgeber den Mitgliedsstaaten, die Sanktionen für die Verwendung missbräuchlicher Vertragsklauseln insgesamt auf Fälle zu beschränken, in denen
- die verwendeten Vertragsklauseln nach nationalem Recht ausdrücklich als in jedem Fall missbräuchlich anzusehen sind (dies sind in Deutschland z.B. die im Katalog des § 309 BGB genannten Klauseln oder Klauseln, die gegen spezielle Verbraucherschutzregelungen verstoßen und deshalb auch in individuell ausgehandelten Verträgen unwirksam wären) oder
- ein Unternehmer Vertragsklauseln weiter verwendet, die bereits in einem gerichtlichen Verfahren nach dem Unterlassungsklagengesetz (bzw. einem entsprechenden Verfahren in einem anderen Mitgliedsstaat) für unwirksam befunden wurden.
Wie der deutsche Gesetzgeber die Sanktionsvorschriften im Einzelnen ausgestalten wird und ob er insbesondere von dieser Begrenzungsmöglichkeit Gebrauch machen wird, ist bislang noch unklar.
In jedem Fall sollten Unternehmer mit B2C-Geschäft aber künftig bei der Erstellung von AGB (noch) mehr Vorsicht walten lassen und auch die aktuell verwendeten Vertragsdokumente rechtzeitig vor Inkrafttreten der neuen Sanktionsregelungen auf den Prüfstand stellen.