Zwei Maßnahmenpakete der EU sollen das europäische Verbraucherschutzrecht fit für das Digitalzeitalter machen. Wir stellen die Neuerungen in einer Blogserie vor.
Mit zwei Gesetzgebungsinitiativen hat die EU im Jahr 2019 die europäischen Vorgaben zum Verbraucherschutz erweitert und um zahlreiche neue Regelungen im Hinblick auf Verträge mit digitalen Aspekten ergänzt.
Im Mai 2019 wurden die Richtlinie (EU) 2019/770 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen und die Richtlinie (EU) 2019/771 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs verabschiedet, die den (On- und Offline-)Verkauf von Waren und die Bereitstellung digitaler Inhalte an Verbraucher ab 2022 europaweit neu regeln.
Beide Richtlinien gehören (zusammen mit der 2018 in Kraft getretenen Geoblocking Verordnung) zur europäischen „Strategie für einen digitalen Binnenmarkt″. Zu dieser Strategie gehört ferner die Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten, besser bekannt als Platform-to-Business- oder kurz P2B-Verordnung, die den Schutz von KMU (kleinen und mittleren Unternehmen) bezweckt.
Zum Ende des Jahres 2019 folgte als Teil der EU-Verbraucherschutzinitiative „New Deal for Consumers″ (zu der auch die Pläne über die Einführung einer EU-Verbandsklage gehören) die Richtlinie (EU) 2019/2161 zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union.
Die Maßnahmenpakete betreffen zum Teil unterschiedliche Rechtsbereiche. Sie verfolgen aber den gemeinsamen Zweck, das Verbraucherschutzniveau innerhalb der EU weiter zu vereinheitlichen und die europäischen Verbraucherschutzvorschriften – insbesondere im Hinblick auf die digitale Entwicklung – zu modernisieren, und wirken sich daher für Unternehmer mit B2C-Geschäft gleichermaßen aus.
Ein neues EU-Verbraucher-Kaufrecht: Richtlinien über Warenkauf und digitale Inhalte und Dienstleistungen
Die beiden erstgenannten Richtlinien zielen ausschließlich auf die vertraglichen Beziehungen zwischen Unternehmern und Verbrauchern ab. Die Richtlinie (EU) 2019/771 (Warenkauf-Richtlinie) wird am 1. Januar 2022 die aktuell geltende Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie (1999/44/EG) ablösen und ergänzt die Vorschriften der auch weiterhin anwendbaren Verbraucherrechte-Richtlinie (2011/83/EU). Sie gilt für alle gewerblichen Verkäufe von Waren an Verbraucher, unabhängig davon, ob diese im stationären Handel oder im Fernabsatz erfolgen.
Die Richtlinie (EU) 2019/770 (dID-Richtlinie) betrifft alle Verträge, bei denen ein Unternehmer einem Verbraucher digitale Inhalte oder Dienstleistungen gegen Zahlung eines Entgelts oder die Übermittlung persönlicher Daten bereitstellt. Auch bei derartigen Verträgen sollen Verbraucher künftig EU-weit ein ähnliches Schutzniveau erhalten wie bei einem Kaufvertrag – unabhängig davon, ob diese Verträge in den verschiedenen Mitgliedsstaaten als Kaufverträge oder als andere Vertragstypen behandelt werden.
New Deal for Consumers: Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der EU-Verbraucherschutzvorschriften
Die auch Omnibus-Richtlinie genannte Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union ändert gleich vier bestehende Richtlinien ab, und zwar
- die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (93/13/EWG);
- die Richtlinie über Preisangaben (98/6/EG);
- die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2005/29/EG) und
- die Verbraucherrechte-Richtlinie (2011/83/EU).
Sie beinhaltet damit nicht nur vertragsrechtliche, sondern auch wettbewerbsrechtliche Aspekte. So wird nicht nur der Katalog der Blacklist erweitert, sondern insbesondere auch das Dual-Quality-Verbot eingeführt, das bestimmt, dass die in einem Mitgliedsstaat erfolgende Vermarktung von Waren als identisch mit einer in einem anderen Mitgliedsstaat vermarkteten Ware unzulässig ist, wenn sich die Waren tatsächlich unterscheiden und keine Rechtfertigung für diese Abweichung besteht.
Künftig hohe Bußgelder bei Verstößen
Wichtig für Unternehmer: Um den Verbraucherschutz effektiv zu gestalten, sieht die Omnibus-Richtlinie insbesondere vor, dass die Mitgliedstaaten bei Verstößen gegen die Verbraucherschutzvorschriften in Zukunft hohe Bußgelder bis zu einem Höchstbetrag von mindestens EUR 2 Mio. bzw. 4 % des Jahresumsatzes verhängen können sollen. Bei Nichtbeachtung der europäischen Verbraucherschutzstandards drohen daher künftig nicht nur Abmahnungen von Wettbewerbern oder Verbraucherschutzverbänden, sondern auch behördliche Sanktionen.
Umsetzungsfrist bis 2021 – Änderungen gelten ab 2022
Die Fristen für die Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht laufen: Die Vorgaben der Warenkauf-Richtlinie und der dID-Richtlinie müssen bis zum 1. Juli 2021 umgesetzt und die neuen Regelungen ab dem 1. Januar 2022 auf alle Verträge angewendet werden, die nach diesem Zeitpunkt geschlossen werden. Die in der Omnibus-Richtline enthaltenen Änderungen müssen bis zum 28. November 2021 umgesetzt und die entsprechenden Vorschriften ab dem 28. Mai 2022 angewendet werden.
On- und Offlinehandel betroffen
Auch wenn viele der Neuregelungen explizit auf den Onlinehandel zugeschnitten sind, betreffen die anstehenden Gesetzesänderungen nicht nur Unternehmen, die Waren oder Dienstleistungen über das Internet anbieten. Auch Hersteller sowie stationäre Händler und Dienstleistungsanbieter ohne Internetpräsenz müssen sich auf die gesetzlichen Neuerungen einstellen.
In unserer Blogserie „Verbraucherverträge im Digitalzeitalter″ zeigen wir auf, wie die Maßnahmenpakete der EU das europäische Verbraucherschutzrecht fit für das Digitalzeitalter machen sollen. Im ersten Teil beschäftigen wir uns mit den hohen Bußgeldern für Unternehmer, im zweiten Teil mit Bußgeldern bei Verletzungen von Verbraucherschutzvorschriften und Lauterkeitsrecht. Anschließend haben wir uns mit den Änderungen im BGB und den neuen Regelungen der Warenkaufrichtlinie beschäftigt. Zuletzt sind wir auf Personalized Pricing und Dual Quality Verbot eingegangen.