Auch bei Verletzungen von Verbraucherschutzvorschriften und Lauterkeitsrecht drohen durch den „New Deal for Consumers” künftig millionenschwere Bußgelder.
Durch die Änderungen der Klausel-Richtline drohen Unternehmen künftig nicht nur die Unwirksamkeit der Klausel sowie die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen, sondern auch Bußgelder in Millionenhöhe. Vergleichbare Regelungen zu Sanktionen enthalten nun auch die Verbraucherrechte-Richtlinie (2011/83/EU) und die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2005/29/EG, im Folgenden: UGP-Richtlinie).
Beide Richtlinien schrieben zwar auch bislang schon vor, dass die Mitgliedstaaten für Verstöße gegen die EU-Vorgaben wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen vorsehen sollen. Da die Mitgliedstaaten diese Vorgaben allerdings sehr uneinheitlich umgesetzt haben, sah der EU-Gesetzgeber die Notwendigkeit, auch hier einen einheitlichen Rahmen zu schaffen. Die Mitgliedstaaten müssen daher nun auch in diesen Bereichen bis zum 28. November 2021 jedenfalls für Verstöße internationalen Ausmaßes Bußgelder von bis zu (mindestens) 4 % des Jahresumsatzes (bzw. mindestens EUR 2 Millionen) vorsehen.
Auch fehlerhafte Widerrufsbelehrungen können teuer werden
Die Verbraucherrechte-Richtlinie enthält unter anderen Vorgaben zu vorvertraglichen Informationspflichten gegenüber Verbrauchern, besonderen Anforderungen im Fernabsatz sowie zahlreiche weitere Regelungen zum Verbraucherschutz.
Auch hier drohten Unternehmern bei Verstößen bislang schlimmstenfalls Abmahnungen oder zivilrechtliche Unterlassungsklagen. Künftig können aber zum Beispiel auch eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung oder unvollständige Produktbeschreibungen im Onlinehandel Unternehmen teuer zu stehen kommen.
Systemwechsel auch im Wettbewerbsrecht
Die Änderung der UGP-Richtlinie bedeutet für Deutschland auch im Lauterkeitsrecht einen Systemwechsel. Zwar enthält das UWG, in dem die Vorgaben der UGP-Richtlinie in Deutschland umgesetzt wurden, bereits jetzt einzelne Straf- und Bußgeldvorschriften. So können beispielsweise das sogenannte „Cold Calling“ oder computergestützte Werbeanrufe bei Verbrauchern auch jetzt schon mit Bußgeldern von bis zu EUR 300.000 geahndet werden.
Dabei handelt es sich aber bislang um Ausnahmeregelungen, so dass Unternehmer auch bei Wettbewerbsverstößen bisher primär „nur“ Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche von Wettbewerbern – und zusätzlich die seit ihrer Einführung nur zurückhaltend geltend gemachte Gewinnabschöpfung zugunsten des Bundeshaushalts – fürchten mussten. Auch dies wird sich durch die neuen Bußgeldvorgaben künftig ändern.
Insbesondere bei „Blacklist“-Verstößen künftig Bußgelder zu erwarten
Zwar ist den Mitgliedstaaten auch im Bereich des Lauterkeitsrechts die konkrete Ausgestaltung ihrer jeweiligen Sanktionssysteme freigestellt. Insbesondere können die Mitgliedsstaaten selbst entscheiden, ob sie für jede Nutzung verbotener Geschäftspraktiken Bußgelder androhen oder die Verhängung von Geldbußen aus verfassungsrechtlichen Gründen auf besonders schwerwiegende Verstöße beschränken wollen.
Stets sanktioniert werden sollen aber die in der „Blacklist“ in Anlage I der UGP-Richtlinie genannten Praktiken, die unter allen Umständen als unlauter gelten (in Deutschland umgesetzt im Anhang zum UWG) sowie sonstige verbotene irreführende oder aggressive Geschäftspraktiken (Art. 6-9 der UGP-Richtlinie, in Deutschland umgesetzt durch die §§ 4a-5a UWG). Ebenfalls soll immer ein Bußgeld fällig werden, wenn Gewerbetreibende wiederholt Geschäftspraktiken anwenden, die bereits behördlich oder gerichtlich für unlauter befunden wurden. In diesen Fällen droht jedenfalls bei Verstößen mit internationalen Auswirkungen künftig ebenfalls der Höchstbetrag von (mindestens) 4 % des Jahresumsatzes (bzw. mindestens EUR 2 Millionen).
Während die Vorgaben der Blacklist noch recht klar sind und auch die Frage, ob ein behördlich oder gerichtlich bereits untersagtes Verhalten wiederholt wird, verhältnismäßig eindeutig zu beantworten sein dürfte, wird eine erhebliche Rechtsunsicherheit mit Blick auf die eher offenen Tatbestände der §§ 4a-5a UWG hervorgerufen werden. Schließlich hängt gerade die Verwirklichung von Irreführungstatbeständen von der einzelfallbezogenen Festlegung des Verkehrsverständnisses ab.
Keine Vorgaben zur Bußgeldhöhe bei unzulässigen Preisangaben
Schließlich wurden durch die Omnibus-Richtlinie auch die Sanktionsvorgaben für Verstöße gegen die Richtlinie über Preisangaben (98/6/EG) erweitert. Diese Richtlinie sieht einheitliche Vorgaben zu Preisangaben für Verbraucherprodukte vor, wodurch Verbraucher besser informiert und Preisvergleiche erleichtert werden sollen.
Anders als in den bereits genannten Bereichen sind hier allerdings keine Mindestvorgaben zur Bußgeldhöhe vorgesehen. Die bereits in der bisherigen Fassung der Richtlinie enthaltene allgemeine Vorgabe an die Mitgliedsstaaten, für Verstöße wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen vorzusehen, wurde lediglich um die Anweisung ergänzt, dass auch in diesem Bereich bei der Verhängung derartiger Sanktionen jeweils im Einzelfall die bereits oben genannten Kriterien wie Art, Schwere und Dauer des Verstoßes, frühere Verstöße etc. berücksichtigt werden müssen.
Verstöße gegen die (deutsche) Preisangabenverordnung, mit der die europäischen Vorgaben umgesetzt wurden, können bereits jetzt als Ordnungswidrigkeiten geahndet und mit Bußgeldern bis zu EUR 25.000 belegt werden. Ob der deutsche Gesetzgeber es bei diesem Rahmen belassen wird oder mit der zwingenden Einführung der deutlichen höheren Beträge in den anderen Bereichen des Verbraucherschutzrechts zugleich auch hier die Maximalbeträge anheben wird, um einen einheitlichen Rahmen zu schaffen, bleibt abzuwarten.
Vertragsdokumente rechtzeitig überprüfen
Unternehmer mit B2C-Geschäft sollten die Entwicklungen im Blick behalten, um rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der noch zu schaffenden Regelungen zur Umsetzung der neuen Vorgaben im Mai 2022 auf die anstehenden Änderungen reagieren zu können.
Hierbei sollte der Fokus nicht nur darauf liegen, dass die durch die Omnibus-Richtlinie neu eingeführten Anforderungen rechtzeitig umgesetzt werden, sondern sämtliche Angebots-, Werbe- und Vertragstexte, die gegenüber Verbrauchern zum Einsatz kommen, einer Gesamtprüfung unterzogen werden – schließlich mag man bislang angesichts der überschaubaren Rechtsfolgen eher lauterkeitsrechtliche Risiken in Kauf genommen haben, was sich künftig verbieten dürfte.
In unserer Blogserie „Verbraucherverträge im Digitalzeitalter″ zeigen wir auf, wie die Maßnahmenpakete der EU das europäische Verbraucherschutzrecht fit für das Digitalzeitalter machen sollen. Im ersten Teil beschäftigen wir uns mit den hohen Bußgeldern für Unternehmer, im zweiten Teil mit Bußgeldern bei Verletzungen von Verbraucherschutzvorschriften und Lauterkeitsrecht. Anschließend haben wir uns mit den Änderungen im BGB und den neuen Regelungen der Warenkaufrichtlinie beschäftigt. Zuletzt sind wir auf Personalized Pricing und Dual Quality Verbot eingegangen.