Kurz vor Ende der Legislatur werden Verbraucherrechte noch einmal gestärkt. Insbesondere der Ausstieg aus Dauerschuldverhältnissen soll erleichtert werden.
Wie kündige ich meinen DSL-Vertrag? Wann kann ich endlich zum günstigeren Mobilfunkanbieter wechseln? Und warum ruft ständig ein Maklerbüro bei mir an und fragt, ob ich meine Mietwohnung verkaufen möchte? Die meisten werden sich diese oder ähnliche Fragen schon einmal gestellt haben. Die Politiker der scheidenden Regierungskoalition sind da keine Ausnahme – das „Gesetz für faire Verbraucherverträge″ soll
die Position der Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber den Unternehmen weiter verbessern und erreichen, dass nicht nur der Vertragsschluss unter fairen Bedingungen erfolgt, sondern auch die Vertragsinhalte faireren Regelungen unterliegen.
Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge, Bundestag Drucksache 19/26915 vom 24. Februar 2021 (Gesetzesentwurf, Abschnitt A).
Nachdem das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) bereits im März 2019 einen Entwurf für das „Faire Verbraucherverträge″-Gesetz vorgelegt hatte, nahm der Bundestag am 24. Juni 2021 den Gesetzesentwurf in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung an (siehe Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 18. Juni 2021).
Somit hat es der Gesetzgeber trotz langer Vorlaufzeit geschafft, das neue Verbraucherschutzgesetz noch in dieser Legislaturperiode durchzubringen.
Nachschärfung des Verbraucherschutzrechts
Als Anlass für die Neuregelungen werden insbesondere unfaire Vertragsklauseln in AGB angeführt, welche die Nutzung von Marktchancen durch die Verbraucher erschwerten. Zudem würden Verbrauchern durch unerlaubte Telefonwerbung Verträge
aufgedrängt oder untergeschoben, die sie so nicht abschließen möchten.
Diesen Missständen soll durch punktuelle Nachschärfungen des deutschen Verbraucherschutzrechts begegnet werden. Der aktuelle Diskussionsstand sieht Änderungen unterschiedlicher Gesetze vor, darunter das BGB und das UWG. Dabei geht es insbesondere um folgende Neuregelungen für Verbrauchergeschäfte:
- „Kündigungsbutton″ bei Vertragsschluss im Internet,
- Automatische Vertragsverlängerung nur dann, wenn das Dauerschuldverhältnis auf unbestimmte Zeit verlängert wird und der Verbraucher jederzeit mit einer Frist von höchstens einem Monat kündigen kann,
- Verkürzte Kündigungsfristen von höchstens einem Monat,
- Dokumentationspflicht für Einwilligungen zur Telefonwerbung.
„Kündigungsbutton″ zur vereinfachten Beendigung von Dauerschuldverhältnissen
Bereits seit einigen Jahren gilt, dass bei dem Abschluss von entgeltlichen Verbraucherverträgen im Internet die Wörter „zahlungspflichtig bestellen″ oder eine ähnliche Beschriftung auf dem Bestellbutton zu lesen sein müssen (§ 312j Abs. 3 S. 2 BGB).
Doch nicht nur der Vertragsschluss birgt nach Ansicht des Gesetzgebers Risiken für Verbraucher, sondern auch fehlende oder intransparente Kündigungsmöglichkeiten. Die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen sei für Verbraucher häufig deutlich schwieriger als deren Abschluss. Daher bedürfe es korrespondierend zum Bestellbutton eine „niedrigschwellige Kündigungsmöglichkeit″ (Gesetzesentwurf, Anlage 3 – Stellungnahme des Bundesrates, Ziff. 8).
Diese niedrigschwellige Kündigungsmöglichkeit soll durch einen neuen § 312k BGB eingeführt werden. Die neue Vorschrift soll für Dauerschuldverhältnisse zwischen Unternehmern und Verbrauchern im elektronischen Geschäftsverkehr gelten und führt insbesondere einen „Kündigungsbutton″ für Verbraucher ein:
Der Unternehmer hat sicherzustellen, dass der Verbraucher auf der Webseite eine Erklärung zur ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung eines auf der Webseite abschließbaren Vertrags (…) über eine Kündigungsschaltfläche abgeben kann. Die Kündigungsschaltfläche muss gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „Verträge hier kündigen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet sein.
(§ 312k Abs. 2 S. 1, 2 BGB-E). Der Kündigungsbutton muss den Verbraucher zudem zu einer Bestätigungsseite führen, die es dem Verbraucher ermöglicht, bestimmte Angaben zu der Kündigung zu machen (z.B. zur Art der Kündigung, der Identität des Verbrauchers und der Bezeichnung des Vertrags) und eine Bestätigungsschaltfläche enthält,
über deren Betätigung der Verbraucher die Kündigungserklärung abgeben kann und die gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „jetzt kündigen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist.
§ 312k Abs. 2 Nr. 2 BGB-E
Der Verbraucher muss die so abgegebene Kündigungserklärung mit Datum und Uhrzeit der Abgabe zum Nachweis auf einem dauerhaften Datenträger speichern können und der Unternehmer muss die Kündigung umgehend gegenüber dem Verbraucher in Textform bestätigen (§ 312k Abs. 3, 4 BGB-E).
Gibt der Verbraucher bei der Kündigungserklärung keinen Zeitpunkt an, zu dem die Kündigung wirksam werden soll, wird künftig angenommen, dass die Kündigung zum frühestmöglichen Zeitpunkt wirken soll (§ 312k Abs. 5 BGB-E). Kommt der Unternehmer seinen Pflichten nach diesem neuen § 312k BGB-E nicht nach und stellt den Kündigungsbutton nicht ordnungsgemäß zur Verfügung, kann der Verbraucher jederzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen (§ 312k Abs. 6 BGB-E).
Die neuen Pflichten zur Kündigung von Dauerschuldverhältnissen treffen Unternehmen ab dem 1. Juli 2022.
Automatische Vertragsverlängerungen nur noch unbefristet möglich
Eine weitere Ergänzung macht der Gesetzesentwurf für den Fall stillschweigender oder „automatischer″ Vertragsverlängerungen von Dauerschuldverhältnissen. Bisher galt, dass ohne aktive Handlung des Vertragspartners nur eine Verlängerung von einem Jahr erfolgen darf (§ 309 Nr. 9 b) BGB). Diese Regelung soll grundlegend verändert werden. So sollen stillschweigende Verlängerungen künftig nur noch dann zulässig sein, wenn
- sie zu einer Verlängerung auf unbestimmte Zeit führen, und
- dem Verbraucher das Recht eingeräumt wird, das verlängerte Vertragsverhältnis jederzeit mit einer Frist von höchstens einem Monat zu kündigen
(§ 309 Nr. 9 b) BGB-E).
Zudem soll die Kündigungsfrist des Verbrauchers zukünftig höchstens einen, statt wie bisher drei Monate betragen dürfen (§ 309 Nr. 9 c) BGB-E). Zur Begründung heißt es von der Bundesregierung im Gesetzesentwurf, dass die Klauseln zur Vertragsverlängerung von Verbrauchern oft übersehen oder vergessen würden. Zu lange Kündigungsfristen schränkten zudem die Wahlfreiheit der Verbraucher ein.
Wiederum gilt: „Des einen Freud ist des anderen Leid″ – Unternehmen müssen neue Prozesse aufsetzen, um Vertragsverlängerungen mit den Verbrauchern zu vereinbaren. Die ohnehin schon kurze Kündigungsfrist von drei Monaten wird nochmals drastisch verkürzt auf einen Monat. Zudem stellt sich die Frage, ob diese Regelungen mit dem Leitbild des mündigen Verbrauchers in Einklang zu bringen sind. Es wäre einem Verbraucher durchaus zuzutrauen, Kündigungsfristen im Kalender zu vermerken und dafür eine weitere E-Mail in das ohnehin schon überfüllte Postfach einzusparen.
Dokumentation von Einwilligung in Telefonwerbung – Textform bei Energieverträgen
Im Übrigen sieht der Gesetzesentwurf vor, dass Marktteilnehmer die Einwilligung in Telefonwerbung von Verbrauchern in Textform dokumentieren und fünf Jahre lang nachhalten müssen (§ 7a UWG‑E). Dadurch soll unzulässige Telefonwerbung weiter eingedämmt werden – im Jahr 2018 gingen deswegen bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) über 60.000 Beschwerden ein. Zudem seien nach der Erfahrung der BNetzA nur wenige Einwilligungen im Bereich der Telefonwerbung wirksam. Die neuen Pflichten nehmen die Werbenden stärker in die Verantwortung und ahnden Verstöße mit Bußgeldern von bis zu EUR 50.000.
Schließlich sollen durch eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) Vertragsschlüsse für Strom- und Gaslieferungsverträge der Textform unterliegen (§ 41 Abs. 1 S. 1 EnWG-E). Damit sind telefonische Vertragsschlüsse zukünftig nicht mehr möglich.
Unredlicher Kaufmann vs. Unmündiger Verbraucher
Das „Faire Verbraucherverträge″-Gesetz ist ein Abgesang der Bundesregierung auf sogenannte Abo‑Fallen, bei denen Verbrauchern Verträge mit langer Laufzeit und versteckten Kündigungsregelungen aufgedrängt und untergeschoben werden. Zweifellos sind in dem Entwurf sinnvolle Ansätze erkennbar, um praktische Schwierigkeiten bei der Vertragsabwicklung für Verbraucher zu lindern.
Dabei atmet der Gesetzesentwurf jedoch einen Geist, der in weiten Teilen nicht mit den Erfahrungen aus der Praxis übereinstimmt: Der unredliche Kaufmann trifft auf den unmündigen Verbraucher. Zwischen den Zeilen werden Unternehmer in Generalverdacht genommen, den Schaden des Verbrauchers als Leitbild eigenen Handelns zu verfolgen. Und dem Verbraucher wird nicht zugemutet, in einem Mindestmaß Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Die so zum Ausdruck gebrachte Auffassung ist weder sachgerecht noch zielführend.
Dieser Vorwurf ist nicht nur grundsätzlicher Natur, sondern hat auch ganz praktische Auswirkungen auf Unternehmen. AGB müssen angepasst, neue Prozesse aufgesetzt und technische Lösungen auf den Websites integriert werden. Ein erheblicher Aufwand, dem ein fragwürdiger Nutzen gegenübersteht.
In unserer Blogserie „Verbraucherverträge im Digitalzeitalter″ zeigen wir auf, wie die Maßnahmenpakete der EU das europäische Verbraucherschutzrecht fit für das Digitalzeitalter machen sollen. Im ersten Teil beschäftigen wir uns mit den hohen Bußgeldern für Unternehmer, im zweiten Teil mit Bußgeldern bei Verletzungen von Verbraucherschutzvorschriften und Lauterkeitsrecht. Anschließend haben wir uns mit den Änderungen im BGB und den neuen Regelungen der Warenkaufrichtlinie beschäftigt. Zuletzt sind wir auf Personalized Pricing, das Dual Quality Verbot, die Verbandsklage sowie den Individualschadensersatz und das Mängelrecht bei Verträgen über digitale Produkte eingegangen.