Bundesrat und Verbände haben den Entwurf zum JStG 2022 kommentiert. Neben Lob und Kritik gibt es Forderungen nach weiteren Anpassungen.
Die folgenden ausgewählten Aspekte dieses laufenden Gesetzgebungsvorhabens sind aus unserer Sicht von besonderer Bedeutung:
Abschreibungen von Immobilien
Der Regierungsentwurf des JStG 2022 enthält die Abschaffung des § 7 Abs. 4 S. 2 EStG, der Möglichkeit des Nachweises einer tatsächlich niedrigeren Nutzungsdauer von Immobilien gegenüber der gesetzlichen typisierten regelmäßigen Nutzungsdauer (33, 40 oder 50 Jahre) und die damit einhergehende zügigere Abschreibungsmöglichkeit. Im Nachgang des BFH-Urteils vom 28. Juli 2021 (IX R 59/19, DStRE 2019, 1507) wurde der Anwendungsspielraum dieser Rechtsnorm stark erweitert, was zu einer Zunahme des Bürokratieaufwandes geführt hat.
Das Vorhaben, die Regelung des § 7 Abs. 4 S. 2 EStG, also die Möglichkeit des Nachweises einer niedrigeren Nutzungsdauer, schlicht zu streichen, erfährt u.a. seitens der acht Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft sowie seitens der Bundessteuerberaterkammer Kritik.
Der Bundesrat erkennt zwar die Notwendigkeit einer Neuregelung und Eindämmung des Bürokratieaufwandes, sieht auf der anderen Seite aber auch, dass bestimmte Gebäude infolge ihrer Funktion und Baubeschaffenheit auf niedrigere Nutzungsdauern angelegt sind und der Ansatz einer (nachweisbar) tatsächlich niedrigeren Nutzungsdauer in diesem Rahmen notwendig ist. Eine pauschale Streichung des Nachweises der tatsächlich niedrigeren Nutzungsdauer sieht der Bundesrat als problematisch an. Ebenso merkt dieser zu Recht an, dass eine Versagung der Möglichkeit einer niedrigeren Abschreibungsdauer gem. § 7 Abs. 4 S. 2 EStG und eine stattdessen vorzunehmende Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung des Restwerts im letzten Wirtschaftsjahr zu Gewinnverschiebungen führen würde. Daher fordert der Bundesrat, durch die Vorlage eines neuen Regelungsvorschlags die Kriterien zum Ansatz einer kürzeren Nutzungsdauer zu konkretisieren, anstatt die Regelung des § 7 Abs. 4 S. 2 EStG schlicht zu streichen.
Ertrag- und umsatzsteuerliche Änderungen bei der Besteuerung von Photovoltaikanlagen
Im Rahmen der Besteuerung von Photovoltaikanlagen sieht der Regierungsentwurf signifikante Verfahrenserleichterungen und Subventionen für bestimmte Anlagen vor.
So sollen bestimmte Photovoltaikanlagen künftig nach § 3 Nr. 72 EStG-E von der Ertragsteuer und auch von entsprechenden Erklärungspflichten befreit werden. Umsatzsteuerlich ist seitens der Regierung die Anwendung eines Nullsteuersatzes für eine Vielzahl von Photovoltaikanlagen angedacht.
Der Bundesrat stimmt der Initiative der Regierung in dieser Hinsicht zu. Er regt zusätzlich an, Betreiberinnen und Betreiber von Photovoltaikanlagen, die Kleinunternehmerinnen und -unternehmer sind, von der gesetzlichen Anforderung der Abgabe einer Umsatzsteuererklärung zu befreien, um das Verfahren noch effizienter zu gestalten. In Bezug auf die Ertragsteuer regt der Bundesrat an, den Umfang der angedachten Steuerbefreiung nicht nur auf Einfamilienhäuser bzw. Wohnzwecke zu beschränken, sondern eine Ausdehnung auch auf andere Gebäudearten zu überprüfen.
Homeoffice-Pauschale und häusliches Arbeitszimmer
Der Regierungsentwurf möchte die Homeoffice-Pauschale höher als bislang ansetzen und die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer pauschal mit dem Betrag von EUR 1.250 abziehen.
Der Bundesrat beabsichtigt, die Regelung einerseits durch eine monatliche Sichtweise zu konkretisieren. Anderseits regt er an, die Regelung explizit auf die oder den einzelnen Steuerpflichtigen zu beschränken, sodass der Pauschbetrag für einen Arbeitsplatz, der von mehreren Steuerpflichtigen genutzt wird, nur anteilsmäßig abgezogen werden kann. Der Bundesrat nimmt somit im Vergleich zur Bundesregierung hierbei eine restriktivere Haltung ein.
Buchwertansatz im Rahmen des § 6 Abs. 5 EStG
Aufgrund mehrerer BFH-Entscheidungen zu § 6 Abs. 5 EStG sieht der Bundesrat die Notwendigkeit von Anpassungen:
§ 6 Abs. 5 S. 1 EStG erlaubt den Buchwertansatz, soweit eine Steuerpflichtige oder ein Steuerpflichtiger Wirtschaftsgüter von einem ihr oder ihm zuzurechnenden Betriebsvermögen in ein anderes ihr oder ihm zuzurechnendes Betriebsvermögen überführt. § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 bis 3 EStG erweitern den Anwendungsspielraum des Buchwertansatzes auf entsprechende Übertragungen im Rahmen von Mitunternehmerschaften. Nach Inanspruchnahme des Buchwertansatzes sieht § 6 Abs. 5 S. 4 EStG für die übertragenen Wirtschaftsgüter eine Sperrfrist von drei Jahren vor, binnen derer das Wirtschaftsgut nicht veräußert oder entnommen werden darf. Andernfalls ist rückwirkend der Teilwert anzusetzen.
Der BFH entschied in diesem Zusammenhang mit Urteilen vom 15. Juli 2021 (IV R 36/18, DStR 2021, 2575) und vom 18. August 2021 (XI R 43/20, DStR 2022, 402), dass bei wörtlicher Auslegung des § 6 Abs. 5 S. 4 EStG die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils nicht hierunter fallen und somit keinen Sperrfristverstoß darstellen könne.
Um damit einhergehende nicht beabsichtigte Gestaltungen zu verhindern, regt der Bundesrat an, nach § 6 Abs. 5 S. 4 EStG einen Satz 5 zu verfassen, wonach auch die Veräußerung von Mitunternehmeranteilen sperrfristbehaftet ist.
§ 6 Abs. 5 S. 5 und 6 EStG begründen eine weitere Sperrfrist, wonach rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung der Teilwert anzusetzen ist, soweit innerhalb von sieben Jahren nach der Übertragung des Wirtschaftsguts nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG der Anteil einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse an dem übertragenen Wirtschaftsgut aus einem anderen Grund unmittelbar oder mittelbar begründet wird oder dieser sich erhöht. Die Regelung soll mithin eine Gestaltung sanktionieren, durch die die stillen Reserven des Wirtschaftsguts eine Statusänderung durch die Zuordnung zu einem Körperschaftsteuersubjekt erfahren würden.
In der Entscheidung vom 15. Juli 2021 argumentierte der IV. Senat des BFH, dass die Regelung des § 6 Abs. 5 S. 6 EStG nur Anwendung fände, wenn erstmals eine Zurechnung der stillen Reserven zu einem Körperschaftsteuersubjekt begründet wird. Daher läge keine Sperrfristverletzung vor, wenn die stillen Reserven an dem betreffenden Wirtschaftsgut lediglich von einer Körperschaft auf eine andere übertragen werden.
Um damit einhergehende Gestaltungen zu unterbinden, schlägt der Bundesrat die Einfügung eines separaten Satzes vor, wonach der Anwendungsspielraum der § 6 Abs. 5 S. 5 und 6 EStG in der bisherigen Fassung ebenfalls eröffnet ist, wenn der Anteil einer Körperschaft an dem betreffenden Wirtschaftsgut auf eine andere Körperschaft übertragen wird.
Im Urteil vom 18. August 2021 vertrat der XI. Senat des BFH die Auffassung, ein Sperrfristverstoß scheide aus, wenn an einem zuvor zu Buchwerten übertragenen Wirtschaftsgut innerhalb von sieben Jahren infolge eines vollentgeltlichen Beteiligungserwerbs ein Anteil einer Körperschaft begründet wird. Der BFH entschied damit, dass der Zeitpunkt der Versteuerung nicht rückwirkend (wie es grds. nach § 6 Abs. 5 S. 6 EStG in der bisherigen Fassung galt) erfolgt, sondern erst im Zeitpunkt der Veräußerung des Anteils an der Körperschaft. Der Bundesrat fordert, nach unserem Dafürhalten allerdings ohne überzeugende Begründung, die Hinzufügung eines klarstellenden Satzes, um die bislang praktizierte Rechtsfolge wiederherzustellen.
Einlagenrückgewähr für Drittlandsgesellschaften
Der Bundesrat schlug des Weiteren vor, die in § 27 Abs. 1 KStG geregelte Einlagenrückgewähr, also die nicht steuerbare Leistung von Geldmitteln aus dem steuerlichen Einlagekonto, auf Drittlandsgesellschaften auszudehnen. Auch wenn eine gesetzliche Regelung bislang nicht bestand, eröffnete die Rechtsprechung des BFH (BFH, Urteile v. 13. Juli 2016 – VIII R 47/13, DStR 2016, 2395, und VIII R 73/13, IStR 2016, 897) bereits bislang die Möglichkeit der steuerneutralen Einlagenrückgewähr von Körperschaften aus Drittstaaten. Mit der Gesetzesinitiative beabsichtigt der Bundesrat nunmehr, dieser Einlagenrückgewähr von Körperschaften aus Drittstaaten eine gesetzliche Grundlage zu geben und ein entsprechendes Verwaltungsverfahren zu schaffen.
Neue Meldepflicht und Sanktionen bei grunderwerbsteuerpflichtigen Anteilserwerben
Die Grunderwerbsteuerbarkeit eines Vorgangs nach § 1 Abs. 3 GrEStG ist ausgeschlossen, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG in Betracht kommt. Nachdem § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG ans Erfüllungsgeschäft anknüpft (dingliche Anteilsübertragung), während die Besteuerungstatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG durch das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft vorrangig ausgelöst werden, kann zunächst ein Besteuerungstatbestand nach § 1 Abs. 3 GrEStG vorliegen, der erst durch das nachfolgende Erfüllungsgeschäft (also durch einen Besteuerungstatbestand nach § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG) zum Erlöschen gebracht wird.
Durch den geplanten § 16 Abs. 4a GrEStG und geplante Änderungen in § 16 Abs. 5 GrEStG soll die vorhandene Systematik geändert werden, sodass das Erlöschen des Besteuerungstatbestands nach § 1 Abs. 3 GrEStG nunmehr nur noch auf Antrag erfolgen würde. Ferner soll diese Rechtsfolge nur noch dann eintreten können, wenn das zeitlich vorangegangene schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft ordnungsgemäß als Besteuerungstatbestand angezeigt worden ist. Unseres Erachtens sind die Regelungsvorschläge des Bundesrats systemwidrig. Insbesondere bei unerkannten Besteuerungstatbeständen (z.B. durch mittelbare Anteilsübertragungen im Ausland) wird die Meldung nicht selten nur verfristet eingereicht werden können; in einem solchen Fall würde durch diese Regelung nunmehr doppelt die Grunderwerbsteuer entstehen und auch bestehen bleiben. Es ist zu hoffen, dass diese Regelung nicht Eingang in das Grunderwerbsteuergesetz findet.
Erhöhung des Absetzungsbetrags für geringwertige Wirtschaftsgüter
Der Bundesrat fordert, die Grenze von bislang EUR 800 nach § 6 Abs. 2 S. 1 EStG, bis zu der für geringwertige Wirtschaftsgüter sofortige Abschreibungen möglich sein sollen, auf EUR 1.000 anzuheben und die Poolabschreibung nach § 6 Abs. 2 S. 4 und 5 EStG abzuschaffen. Hiermit sollen zusätzliche Effizienzeffekte im Rahmen des Besteuerungsverfahrens geschaffen werden.
Diverse relevante Vorhaben, die die Bundesregierung in ihrem Regierungsentwurf des JStG 2022 eingebracht hatte, wurden vom Bundesrat nicht näher kommentiert, sodass insoweit keine gravierenden Änderungen mehr im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zu erwarten sein dürften:
Weitgehende Abschaffung der Steuerpflicht von IP-Überlassungen in sog. Registerfällen
Wie bereits in unserem Beitrag vom 21. September 2022 erläutert, ist die geplante Abschaffung der Steuerpflicht beschränkt Steuerpflichtiger für Einkünfte aus IP-Überlassungen in sog. Registerfällen nach § 49 Abs. 1 Nr. 2f EStG-E als sehr positiv hervorzuheben.
Diese Gesetzesinitiative wird seitens des Verbands der Auslandsbanken in Deutschland e.V. und der Bundessteuerberaterkammer übereinstimmend sehr begrüßt.
Änderungen im Bewertungsgesetz
Für das Bewertungsgesetz sieht das JStG 2022 nicht nur eine Anpassung der Berechnungsgrößen an die aktuellen Preisentwicklungen vor, sondern legt in vielerlei Hinsicht auch neue Systematiken für die Berechnung vor. Explizit sollen für die Bewirtschaftungskosten im Rahmen des Ertragswertverfahrens Regionalfaktoren eingeführt werden.
Nach Ansicht der Bundessteuerberaterkammer wird die Besteuerung insoweit komplexer gestaltet und zu mehr Verwaltungsaufwand in der Zukunft führen. Wir nehmen ausführlich zu den zu erwartenden Implikationen im Rahmen der steuerlichen Immobilienbewertung Stellung.