3. Mai 2018
Grundsteuer
Steuerrecht Real Estate

Was wird aus der Grundsteuer?

BVerfG: Bewertung von Grundstücken für die Bemessung der Grundsteuer verfassungswidrig. Nun ist der Gesetzgeber gefragt!

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 10. April 2018 (Az. 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12 – Leitsatz veröffentlicht in BB 2018, 852) die derzeitige Bewertung von Grundstücken für die Bemessung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt. Es hat dem Gesetzgeber aufgegeben, bis Ende 2019 eine Neuregelung zu schaffen, die spätestens ab 2025 administrierbar ist.

Gleichheitswidrig: Abstellen auf veraltete Einheitswerte

Hintergrund dieser Entscheidung waren Vorlagebeschlüsse, in denen der BFH seine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer wegen nicht mehr realitätsnaher Bewertung des Grundvermögens geäußert hat (zuletzt BFH Beschluss vom 22. Oktober 2014 – II R 16/13, BStBl. II 2014, 957). Hierzu muss man wissen, dass die Grundstücke in den alten Bundesländern zuletzt auf den Feststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 und im Beitrittsgebiet auf den 1. Januar 1935 bewertet worden sind. Das ursprünglich vorgesehene System der regelmäßigen periodischen Neubewertung wurde zunächst ausgesetzt und später (faktisch) abgeschafft, nachdem sich die Neubewertung auf den 1. Januar 1964 bis Anfang der 1970er Jahre hingezogen und immensen Verwaltungsaufwand verursacht hatte.

Das Bundesverfassungsgericht teilt die Auffassung des BFH, denn das Anknüpfen an alte Bewertungen führe zwangsläufig und systembedingt in zunehmendem Umfang zu Ungleichbehandlungen durch Wertverzerrungen, die weder durch die Vermeidung eines noch so großen Verwaltungsaufwands für die Neubewertung oder sonstiger Praktikabilitätserwägungen noch durch die geringe Höhe der individuellen Steuerlast gerechtfertigt werden könnten, so die Verfassungsrichter.

Die Entscheidung ist nachvollziehbar, denn haben sich nach den Jahren 1935 bzw. 1964 die Wertverhältnisse der Grundstücke etwa durch Eingemeindung oder das Heranrücken von Infrastrukturprojekten verändert, wird dies ebenso wenig berücksichtigt, wie die Altersunterschiede zwischen Gebäuden. Die Ungleichbehandlung wird besonders deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass auch ein 2017 fertig gestelltes Gebäude auf der Grundlage der Mieten von 1964 bewertet wird.

Hausarbeiten des Gesetzgebers: Neuregelung der Grundsteuer

Gleichwohl befreit die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (zumindest vorerst) noch nicht von der Zahlung der Grundsteuer, die mit einem Aufkommen von 13 bis 14 Milliarden Euro für die Kommunen eine bedeutende Einnahmequelle darstellt. Das Bundesverfassungsgericht hat sich gerade aus diesem Grund dazu entschlossen, die maßgeblichen Normen zur Einheitsbewertung nicht für nichtig zu erklären. Es hat vielmehr nur die Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz festgestellt und dem Gesetzgeber aufgegeben, eine Neuregelung zu schaffen.

Das heißt konkret, dass die derzeitigen Regelungen zur Grundsteuer längstens bis zum 31. Dezember 2019 fortgelten und nach Verkündung der Neuregelung noch längstens bis zum 31. Dezember 2024 anwendbar sein werden. Die Frist bis zur Anwendung der Neuregelung scheint zunächst lang zu sein. Wird ihr jedoch die zur Neubewertung auf den 1. Januar 1964 beanspruchte Zeitspanne gegenüber gestellt, springt die Zeitnot ins Auge. Denn die auf der Grundlage des BewÄndG 1965 (BGBl I S. 851) neu festgestellten Einheitswerte wurden erstmals zum 1. Januar 1974 zur Anwendung gebracht, d.h. mehr als 8 Jahre später. Und die Konsequenzen der Nichteinhaltung der vorgegebenen Fristen wären enorm: Den Kommunen droht eine grundsteuerfreie Zeit, verbunden mit erheblichen Steuerausfällen.

Daher wird entsprechend einer Kurzmitteilung des Deutschen Bundestags vom 18. April 2018 (hib 240/2018) bereits mit Hochdruck an einer Neuregelung der Grundsteuer gearbeitet. Nach Angaben der Bundesregierung gibt es derzeit keine Festlegung auf ein bestimmtes Modell. Von den meisten Bundesländern wird jedoch das Kostenwertmodell favorisiert. Eine im Jahr 2015 eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe hatte dazu bereits einen Gesetzgebungsvorschlag vorgelegt (BR-Drucks. 515/16), der zunächst der Diskontinuität des Bundestags zum Opfer fiel. Nach diesem Modell soll der Bodenwert ausgehend von (aktuellen) Bodenrichtwerten ermittelt und der Gebäudewert mit den durch die Alterswertminderung verringerten pauschalierten Herstellungskosten angesetzt werden. Der Ansatz aktueller Bodenrichtwerte hätte grundsätzlich eine massive Erhöhung der Grundsteuer zur Folge. Dem sollte durch die Senkung der sog. Hebesätze der Gemeinden entgegengewirkt werden, mit denen der Steuermessbetrag zur Ermittlung der Grundsteuer multipliziert wird.

Was kommt auf Sie als Unternehmer oder Großgrundbesitzer zu?

Nach bisherigen Äußerungen soll die Neureglung kostenneutral erfolgen. Selbst wenn die Neuregelung nicht zu einer Erhöhung des Gesamtaufkommens an Grundsteuer führen sollte, wird die Grundsteuerbelastung des Einzelnen infolge der Neubewertung der Grundstücke kaum unverändert bleiben.

Ferner ist davon auszugehen, dass Grundeigentümer im Zusammenhang mit der Neuregelung Steuererklärungen abgeben müssen, auf deren Grundlage dann 35 Millionen Grundstücke (!) neu bewertet werden. Nicht nur für die Finanzverwaltung sondern auch für Unternehmen und Privatpersonen mit umfangreichem Grundbesitz kann bereits die zusätzliche Erklärungspflicht einen erheblichen Aufwand verursachen. Im Sinne der Steuergerechtigkeit nimmt das Bundesverfassungsgericht dies „zwangsläufig“ in Kauf.

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