Der deutsche Gesetzgeber plant, das Besteuerungsrecht bei der Veräußerung von Immobiliengesellschaften durch Steuerausländer zu erweitern.
Betroffen von dieser Erweiterung werden vor allem ausländische Objektgesellschaften sein, also Immobiliengesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland. Der Änderungsvorschlag ist im Entwurf eines Jahressteuergesetz 2018 vom 25.06.2018 enthalten. Inhalt, Hintergründe und Konsequenzen dieser Erweiterung werden im Nachfolgenden aufgezeigt.
A. Inhalt der Neuregelung
Die Erweiterung des deutschen Besteuerungsrechts bei der Veräußerung von Immobiliengesellschaften ist im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht vorgesehen. Sie betrifft also Fälle, in welchen Steuerausländer Einkünfte mit einem Bezug zu Deutschland erzielen (= beschränkt steuerpflichtige Einkünfte). Steuerausländer können natürliche Personen oder Gesellschaften sein, die weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt bzw. weder Sitz noch Geschäftsleitung in Deutschland haben. Auf rein inländische Fälle hat der Änderungsvorschlag keine Auswirkung; hier besteht bereits ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht.
Die Neuregelung sieht vor, dass die beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte (§ 49 EStG) um zwei Tatbestände ergänzt werden sollen:
I. Als Einkünfte aus Gewerbebetrieb soll die Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen gelten,
- wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 Prozent beteiligt war,
- der Anteilswert der Gesellschaft zu irgendeinem Zeitpunkt während der 365 Tage vor der Veräußerung unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 50 Prozent auf inländischem unbeweglichem Vermögen beruhte und
- die Anteile dem Veräußerer zu diesem Zeitpunkt zuzurechnen waren.
II. Als Einkünfte aus Kapitalvermögen soll der Gewinn aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen gelten,
- wenn es sich um Kapitalgesellschaft handelt, deren Anteilswert zu irgendeinem Zeitpunkt während der 365 Tage vor der Veräußerung unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 50 Prozent auf inländischem unbeweglichem Vermögen beruhte und
- die Anteile dem Veräußerer zu diesem Zeitpunkt zuzurechnen waren.
Die Neuregelungen sollen erstmals auf Veräußerungen nach dem 31. Dezember 2018 Anwendung finden.
B. Hintergründe der Neuregelung
Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Immobiliengesellschaften werden in grenzüberschreitenden Fällen häufig dem Staat zur Besteuerung zugwiesen, in welchem der Grundbesitz belegen ist. Bislang hat Deutschland im Fall ausländischer Anteilseigener aber kein explizites Besteuerungsrecht für derartige Gewinne im nationalen Recht vorgesehen, was Grundvoraussetzung für die Ausübung eines zugewiesenen Besteuerungsrechts ist. Dies soll nun nachgeholt werden.
Zwischenstaatliche Vereinbarungen (Doppelbesteuerungsabkommen)
Grenzüberschreitende Besteuerungskonflikte werden auf zwischenstaatlicher Ebene durch Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) geregelt. Sowohl das OECD Musterabkommen als auch die deutsche Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen sehen vor, dass Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Immobiliengesellschaft dem Staat zur Besteuerung zugewiesen werden, in welchem das unbewegliche Vermögen belegen ist. Das Musterabkommen der Vereinten Nationen (UN) enthält eine vergleichbare Regelung.
Eine Immobiliengesellschaft wird hierbei angenommen, wenn der Wert der Gesellschaft zu mehr als 50% unmittelbar oder mittelbar auf unbeweglichem Vermögen beruht. Diese Regelung findet sich – teilweise mit Abwandlungen – immer häufiger in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, so z.B. in den DBA mit Frankreich, Großbritannien, Luxemburg, Niederlanden und Spanien.
Hintergrund der sogenannten Immobilien- oder Grundbesitzklausel ist, dass gemäß internationalem Konsens Gewinne aus der Veräußerung von Grundbesitz grundsätzlich dem Belegenheitsstaat zur Besteuerung zugewiesen werde, hingegen Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen grundsätzlich dem Staat, in welchem der Anteilseigner ansässig ist. Wenn eine Gesellschaft vornehmlich oder allein Grundbesitz hält, soll der Verkauf der entsprechenden Gesellschaftsanteile mittels der Immobilien- bzw. Grundbesitzklausel wie der unmittelbare Verkauf des Grundbesitzes behandelt werden. Dies soll letztendlich verhindern, dass durch die bloße Zwischenschaltung einer Gesellschaft die allgemein anerkannte zwischenstaatliche Besteuerungsaufteilung umgangen wird.
Deutsches Steuerrecht
Im Fall von Steuerausländern, die Kapitalgesellschaftsanteile unmittelbar ohne Zuordnung zu einer deutschen Betriebsstätte halten, besteuert Deutschland die Veräußerung der Anteile derzeit nur dann, wenn die Kapitalgesellschaft Sitz oder Geschäftsleitung in Deutschland hat und der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 Prozent beteiligt war.
Die ggfs. in einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen vereinbarte Immobilienklausel wird daher derzeit nur dann relevant, wenn es sich um Anteile an einer unbeschränkt steuerpflichtigen Immobilienkapitalgesellschaft handelt, also einer Gesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung in Deutschland. Veräußerungen von Anteilen an Kapitalgesellschaften ohne Sitz oder Geschäftsleitung in Deutschland werden bislang trotz inländischem Grundvermögen nicht erfasst; das Gleiche gilt, sofern die Mindestbeteiligung von 1 Prozent nicht erfüllt wird. Ein deutsches Besteuerungsrecht wird in diesen Fällen nicht begründet. Die zwischenstaatliche Zuweisung von Besteuerungsrechten mittels Doppelbesteuerungsabkommen läuft in diesen Fällen mangels deutsch-nationalen Besteuerrechtsrechts ins Leere.
C. Konsequenzen der Neuregelung
Deutschland greift den international vorherrschenden Konsens auf und möchte Besteuerungsrechte einführen, die es ermöglichen, die Veräußerung von Immobiliengesellschaften umfassend zu besteuern.
Die vorgeschlagene Neuregelung lehnt sich an die erst kürzlich ergänzte Regelung im OECD Musterabkommen in der Fassung von 2017 an.
Erfassung der Veräußerung von ausländische Immobiliengesellschaften
Von besonderer Bedeutung wird die Neuregelung für den Verkauf von Anteilen an Immobiliengesellschaften mit Sitz undGeschäftsleitung im Ausland durch Steuerausländer sein. Diese Konstellation würde erstmals einer deutschen Besteuerung zugeführt.
Mit anderen Worten sollen in Zukunft rein ausländische Vorgänge – also der Verkauf eines ausländischen Gesellschaftsanteils durch einen Steuerausländer – der deutschen Besteuerung unterliegen, wenn eine deutsche Immobiliengesellschaft betroffen ist. Dieser Vorgang soll ähnlich wie der unmittelbare Verkauf eines deutschen Grundstücks eine Besteuerung auslösen.
Hiervon werden insbesondere ausländische Immobilien-Objekt- und Holdinggesellschaften betroffen sein. Zu beachten ist auch, dass schon eine mittelbare Vermögensbeteiligung an deutschem Grundbesitz für die Begründung des vorgeschlagenen Besteuerungsrechts genügen kann.
Erfassung der Veräußerung von Kleinstbeteiligungen (< 1 Prozent)
Neu erfasst werden soll auch die Veräußerung von Kleinstbeteiligungen an Immobiliengesellschaften, d.h. Beteiligungen von unter einem Prozent.
Prüfzeitraum von 365 Tage vor der Veräußerung
Voraussetzung für eine steuerliche Erfassung der zuvor beschriebenen Veräußerungsgewinne soll sein, dass der Wert der Anteile unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 50 Prozent auf inländischem unbeweglichem Vermögen beruht. Hierfür soll es ausreichend sein, wenn dies zu irgendeinem Zeitpunkt während der 365 Tage vor der Veräußerung der Fall war und die Anteile dem Veräußerer zivilrechtlich und/oder wirtschaftlich zu diesem Zeitpunkt zuzurechnen waren. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Im Fall von gewerblichen Einkünften soll es nicht erforderlich sein, dass der Veräußerer zu diesem Zeitpunkt auch zu mindestens einem Prozent an der Kapitalgesellschaft beteiligt war.
Der 365-Tage-Prüfzeitraum soll der Vermeidung von Gestaltungen dienen, die darauf abzielen, die Vermögensverteilung bei der Kapitalgesellschaft kurz vor der Anteilsveräußerung dergestalt zu verändern, dass die 50-Prozent-Grenze unterschritten wird.
Die 50-Prozente Grenze wird in der Regel durch den Vergleich des Verkehrswertes der betroffenen (inländischen!) Immobilien mit dem Verkehrswert aller im Eigentum der Gesellschaft stehenden Wirtschaftsgüter (ohne Berücksichtigung von Schulden oder anderen Verbindlichkeiten) zu ermitteln sein. In den Fällen, in denen die veräußerten Anteile die 50-Prozent-Grenze – zumindest auch – auf Grund mittelbarer Beteiligung überschreiten können, soll die Ermittlung der Grundstücksquote am Gesamtvermögen einer Gesellschaft anhand einer konsolidierten Betrachtung der aktiven Wirtschaftsgüter der unmittelbar und mittelbar am inländischen unbeweglichen Vermögen beteiligten Gesellschaften erfolgen.
Besteuerung neu erfasster Gewinne nach allgemeinen Prinzipien
Soweit Deutschland in den zuvor beschriebenen Fällen ein Besteuerungsrecht (neu) begründet, wird der Gewinn aus der Veräußerung nach allgemeinen Grundsätzen zu besteuern sein.
Im Fall der Veräußerung durch eine natürliche Person müsste bei einer Beteiligung von mindestens 1% das sogenannte Teileinkünfteverfahren greifen, d.h. nur 60% des Veräußerungsgewinns unterlägen der Besteuerung. Soweit eine Kleinstbeteiligung (< 1%) veräußert wird, müsste grundsätzlich der Abgeltungssteuersatz von 25% zur Anwendung kommen. Im Fall der Veräußerung durch eine juristische Person wäre der Gewinn grundsätzlich zu 95% von der Steuer befreit. Soweit die veräußernde juristische Person in Deutschland über keine Betriebsstätte und keinen ständigen Vertreter verfügt – was im Fall ausländischer Objektgesellschaften häufig so ist, sollte der Gewinn nach neuester Rechtsprechung des BFH (Az. I R 37/15) sogar zu 100% von der Steuer befreit sein. Die Finanzverwaltung hat dieses Urteil akzeptiert.
Zu beachten ist, dass auch Vorgänge wie die verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft der Veräußerung von Anteilen gleichgestellt werden.
Anwendbar auf Veräußerungen ab 2019
Die Neuregelungen sollen erstmals auf Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen anzuwenden, bei denen die Veräußerung nach dem 31. Dezember 2018 erfolgt ist. Erfasst werden sollen aber nur solche Gewinne, die auf nachdem 31. Dezember 2018 eingetretene Wertveränderungen beruhen. Mit anderen Worten sollen allein stille Reserven der Besteuerung unterworfen werden, die sich nach dem 31.12.2018 gebildet haben. Vor diesem Hintergrund wird im jeweiligen Fall zur Abgrenzung eine Zwischenbewertung auf den 31. Dezember 2018 notwendig sein.
Fazit: Überprüfung alter Strukturen sowie Überwachung und Dokumentation laufender Vorgänge ratsam
Es bleibt abzuwarten, ob und wie die vorgeschlagene Neureglung umgesetzt werden wird. Soweit sie Gesetz werden sollte, wären in der Vergangenheit aufgesetzte Strukturen – insbesondere deutsche Immobilienportfolien, die über ausländische Objektgesellschaften gehalten werden – zu überprüfen. Vor allem aber sollten zukünftige Veränderungen in solchen Strukturen auf etwaige in Deutschland ausgelöste Steuerfolgen untersucht werden. Im Hinblick auf den 365-Tage-Prüfzeitraum wäre es sinnvoll, laufende Dokumentationsvorkehrungen zu treffen.
In unserer Blog-Reihe zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 2018 erfahren Sie, welche Rechtsänderungen im Steuerrecht noch in diesem Jahr zu erwarten sind. Zum Auftakt der Reihe wurden die wesentlichen Änderungsvorschläge im Überblick dargestellt. Weitere Beiträge greifen spezifische Themen heraus: So gaben wir vertiefte Einblicke in die neue Gefährdungshaftung für Betreiber von Onlinehandelsplattformen und die Erweiterung des deutschen Besteuerungsrechts bei der Veräußerung von Immobiliengesellschaften. Des Weiteren beleuchteten wir die Änderungen des Investmentsteuergesetzes sowie den Wegfall des Verlustabzugs.