16. November 2018
Umsatzsteuerbetrugsbekämpfungsgesetz
Steuerrecht

Bundestag verabschiedet JStG 2018

Das JStG 2018 ist tot. Es lebe das Umsatzsteuerbetrugsbekämpfungsgesetz.

Am 8. November 2018 hat der Bundestag das „Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“(kurz: „Umsatzsteuerbetrugsbekämpfungsgesetz″; vormals: JStG 2018) mit Änderungen gegenüber dem Referenten- und dem Regierungsentwurf verabschiedet. Vermutlich in Anlehnung an seinen wesentlichen Regelungsgegenstand war das JStG 2018 bereits im Regierungsentwurf umbenannt worden. Der Bundesrat wird voraussichtlich am 23. November 2018 über das Gesetz beraten. Es steht zu erwarten, dass er dem Gesetzesvorhaben zustimmen wird, sodass die neuen Regelungen grundsätzlich zum 1. Januar 2019 in Kraft treten können.

Im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens hat die nunmehr vom Bundestag gebilligte Fassung des Gesetzentwurfs gegenüber dem ursprünglichen Referentenentwurf einige Änderungen erfahren, die teilweise bereits durch den Regierungsentwurf, vornehmlich aber auf Vorschlag des Bundesrates hinzugekommen waren. Dazu gehören insbesondere die Anpassung der Enthaftung aus der umsatzsteuerlichen Gefährdungshaftung für Betreiber von elektronischen Marktplätzen, die Abschaffung des quotalen Verlustuntergangs auch für die Zukunft und die wieder Inkraftsetzung der Sanierungsklausel. Die wesentlichen Änderungen gegenüber dem Referenten- und dem Regierungsentwurf sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.

Verlängerung der Aufbewahrungsfrist von Aufzeichnungen für Betreiber von elektronischen Marktplätzen

Die neue Vorschrift des § 22f UStG ordnet für Betreiber von elektronischen Marktplätzen (Plattformbetreiber) an, Angaben von Nutzern aufzuzeichnen, für deren Umsätze eine inländische Steuerpflicht in Betracht kommt. Nach der ursprünglichen Fassung im Referenten- und im Regierungsentwurf waren die Plattformbetreiber verpflichtet, die Unterlagen sechs Jahre aufzubewahren. Nach der vom Bundestag gebilligten Fassung sind sie nunmehr verpflichtet, die aufgezeichneten Angaben zehn Jahre aufzubewahren.

Für die neue Aufzeichnungspflicht nach § 22f UStG und damit zugleich für die Aufbewahrungspflicht des Plattformbetreibers ist dabei konzeptionell ohne Bedeutung, ob der jeweilige Plattformnutzer Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes ist. Erst auf einer zweiten Stufe und vornehmlich für die Frage, auf welche Angaben sich die Aufzeichnungspflicht konkret erstreckt, ist die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft des betroffenen Nutzers entscheidend. Dadurch soll die Finanzverwaltung die Möglichkeit erhalten, selbst zu prüfen und darüber zu befinden, ob u.a. der jeweilige Nutzer umsatzsteuerlicher Unternehmer ist und ob er sonst seine Steuerpflichten erfüllt.

Anpassung der Enthaftungsregelung

Flankierend zu den Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten haftet der Plattformbetreiber verschuldensunabhängig für die nicht an den Fiskus entrichtete Umsatzsteuer, soweit die Lieferung eines Unternehmers auf seine Plattform rechtlich begründet worden ist (§ 25e Abs. 1 UStG). Verstößt also der Plattformbetreiber gegen die ihm obliegenden Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten, kann die Finanzverwaltung – neben der Festsetzung von Zwangs- und Bußgeldern – einen Umsatzsteuerhaftungsbescheid gegen ihn erlassen und hierbei ggf. die Umsätze des betroffenen Nutzers schätzen.

Anders als im ursprünglichen Referentenentwurf ist diese weitgehende Gefährdungshaftung in der vom Bundestag gebilligten Fassung des Gesetzes durch eine weitere Möglichkeit zur Enthaftung entschärft worden. Nach § 25e Abs. 1 UStG kann der Plattformbetreiber nunmehr die Haftung vermeiden, wenn er eine Bescheinigung über die steuerliche Erfassung des Händlers oder eine nach Bereitstellung eines elektronischen Abfrageverfahrens erteilte Bestätigung vorlegt. Dabei steht die Erteilung dieser Bescheinigung nicht im Ermessen der Finanzbehörde.

Die Haftung der Plattformbetreiber für Unternehmer aus Drittstaaten soll erstmals auf Rechtsgeschäfte anwendbar sein, die nach dem 28. Februar 2019 abgeschlossen werden. Für die nicht entrichteten Umsätze aller anderen Unternehmer erstreckt sich die Haftung des Plattformbetreibers erstmals auf Rechtsgeschäfte, die nach dem 30. September 2019 abgeschlossen werden.

Ersatzlose Streichung der Regelung zum quotalen Verlustuntergang – auch für die Zukunft!

Mit Beschluss vom 29. März 2017 (2 BVL 6/11, BStBl. II 2017, 1082) entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die bisherige Regelung des Verlustabzugs bei Kapitalgesellschaften im Sinne des § 8c Abs. 1 S. 1 KStG (§ 8c S. 1 KStG a.F.) verfassungswidrig ist. Diese Regelung sah einen anteiligen Untergang des Verlustvortrags für Kapitalgesellschaften vor, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 25% und bis zu 50% der Anteile an einen Erwerber übertragen werden. Das Bundesverfassungsgericht gab dem Gesetzgeber auf, bis zum 31. Dezember 2018 eine rückwirkende Neuregelung für die Zeiträume 2008 bis 2015, also vor der erstmaligen Anwendung des § 8d KStG zu schaffen, und damit den Verfassungsverstoß zu beseitigen.

Zur Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sah bereits der Regierungsentwurf vor, dass die Regelung des § 8c Abs. 1 S. 1 KStG für schädliche Beteiligungserwerbe vor dem 31. Dezember 2015 ersatzlos gestrichen wird. Die nun vom Bundestag angenommene Fassung des Gesetzes geht weit darüber hinaus. Hiernach wird der quotale Verlustuntergang nach der bisherigen Regelung des § 8c Abs. 1 S. 1 KStG für die Zeit ab 2007 vollständig aufgehoben. Damit werden auch schädliche Beteiligungserwerbe nach dem 31. Dezember 2015 erfasst. Darüber hinaus wird diese Regelung auch für die Gewerbesteuer umgesetzt (§ 36 Abs. 2d GewStG).

Wieder Inkraftsetzung der Sanierungsklausel

Mit Urteilen vom 28. Juni 2018 (C-203/16P, C-208/16P, C-219/16P, C-209/16P) erklärte der EuGH den Beschluss der Europäischen Kommission vom 26. Januar 2011 zum Beihilfecharakter der Sanierungsklausel in § 8c Abs. 1a KStG für nichtig. Im aktuellen Entwurf des Umsatzsteuerbetrugsbekämpfungsgesetzes ist nunmehr vorgesehen, dass die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG rückwirkend erstmals für den Veranlagungszeitraum 2008 (und auf Anteilsübertragungen nach dem 31. Juli 2007) wieder in Kraft gesetzt wird. Dies soll durch eine Änderung der Anwendungsvorschrift im KStG erfolgen und war notwendig, weil die bisherige Anwendungsvorschrift, die eine zeitweise Suspendierung der Norm vorgesehen hatte, nicht präzise genug formuliert war.

Erfolgt eine schädliche Beteiligungsübertragung zu Sanierungszwecken, würden Verlustvorträge damit nicht nach § 8c Abs. 1 KStG untergehen.

Einführung einer Gewinnabführungsfiktion in § 14 Abs. 2 KStG

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 10. Mai 2017 (I R 93/15, BFHE 259, 49) entschieden, dass die Vereinbarung von variablen Ausgleichszahlungen eines beherrschenden Unternehmens an einen außenstehenden Gesellschafter der Anerkennung einer Organschaft entgegensteht. Nach der Neuregelung des § 14 Abs. 2 KStG ist es für die Anerkennung einer ertragsteuerlichen Organschaft bei gleichzeitiger Vereinbarung von Ausgleichszahlungen an außenstehende Gesellschafter unschädlich, wenn neben dem festen Betrag nach § 304 Abs. 2 S. 1 AktG ein weiterer Zahlungsbestandteil hinzutritt. Dies gilt jedoch nur, wenn die Ausgleichszahlung insgesamt den dem Anteil am Grundkapital entsprechenden Gewinnanteil des außenstehenden Gesellschafters nicht übersteigt und nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wirtschaftlich begründet ist.

Weil die Finanzverwaltung die Zulässigkeit von Ausgleichszahlungen bisher an anderen Voraussetzungen knüpfte (vgl. BMF, BStBl. I S. 372), sehen nunmehr die neu eingefügten Sätze 2 bis 4 des § 34 Abs. 6b KStG eine Übergangsregelung vor. Ist im Einzelfall die Vereinbarung einer Ausgleichszahlung bei einer Organschaft abweichend von § 14 Abs. 2 KStG nach den Grundsätzen der Finanzverwaltung anerkannt worden, so sind diese Grundsätze übergangsweise auch bis zum Veranlagungszeitraum 2021 in diesen Einzelfällen weiterhin anzuwenden.

Wird ein derartiger Gewinnabführungsvertrag einer bisher anerkannten Organschaft nach Kabinettbeschluss aber vor Ablauf der Mindestlaufzeit von fünf Jahren gekündigt liegt ein wichtiger Kündigungsgrund im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 2 KStG vor. Ein bestehender Gewinnabführungsvertrag, der bisher eine Regelung enthält, die nicht den Anforderungen des neuen § 14 Abs. 2 KStG entspricht, muss daher bis spätestens zum 31. Dezember 2021 angepasst werden.

Vergünstigte Dienstwagenbesteuerung für Elektro- und Hybridelektrofahrzeuge

Die Koalition aus CDU/CSU und SPD hat bereits in ihrem Koalitionsvertrag eine Halbierung der Bemessungsgrundlage für die Privatnutzung von Elektro- und Hybridelektrobetriebenen Dienstwagen vereinbart. Mit der Neufassung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG durch den Regierungsentwurf soll nun die vereinbarte Reduktion des Besteuerungssatzes auf 0,5 % statt 1 % bei Anwendung der sogenannten 1%-Regelung umgesetzt werden. Bei Anwendung der Fahrtenbuchmethode sollen die zu berücksichtigenden Aufwendungen entsprechend zur Hälfte angesetzt werden können.

Diese vergünstigte Dienstwagenbesteuerung ist allerdings nur für Fahrzeuge anzuwenden, die im Zeitraum zwischen dem 31. Dezember 2018 und dem 1. Januar 2020 angeschafft oder geleast werden (Förderungszeitraum). Für außerhalb dieses Förderzeitraums angeschaffte Elektro- und Hybridelektrobetriebene Dienstwagen soll weiterhin der Nachteilsausgleich gelten.

Im weiteren Beratungsverlauf des Gesetzesvorhabens sind aus Lenkungszwecken zwei neue Steuerfreistellungen in die Vorschrift des § 3 EStG aufgenommen worden:

Steuerbefreiung für das Jobticket

Durch die Neuregelung des § 3 Nr. 15 EStG führt der Gesetzgeber eine Steuerbegünstigung für Arbeitgeberzuschüsse zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte (Jobticket) wieder ein. Sie bezweckt, Arbeitnehmer verstärkt zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel im Linienverkehr zu veranlassen und somit die durch den motorisierten Individualverkehr entstehenden Umwelt- und Verkehrsbelastungen sowie den Energieverbrauch zu senken. Die Steuerbegünstigung wird allerdings auf die Entfernungspauschale angerechnet.

Steuerbefreiung für private Nutzung eines betrieblichen Fahrrads oder Elektrofahrrads

Durch die Einführung des § 3 Nr. 37 EStG wird der geldwerte Vorteil aus der Überlassung eines betrieblichen Fahrrads vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer steuerfrei gestellt. Damit soll das umweltfreundliche Engagement der Nutzer von Fahrrädern und deren Arbeitgebern, die die Nutzung unentgeltlich oder jedenfalls verbilligt ermöglichen, honoriert werden.

Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 37 EStG soll nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich auch für Elektrofahrräder gelten. Ist ein Elektrofahrrad jedoch verkehrsrechtlich als Kraftfahrzeug einzuordnen, z.B. weil sein Motor auch Geschwindigkeiten über 25 Kilometer pro Stunde unterstützt, sind für die Bewertung des geldwerten Vorteils die Regelungen der Dienstwagenbesteuerung anzuwenden (§ 8 Abs. 2 S. 2 bis 5 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG). Dies gilt auch für die vorgesehene Halbierung der Bemessungsgrundlage für Elektrofahrzeuge bei der Dienstwagenbesteuerung.

In unserer Blog-Reihe zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 2018 erfahren Sie, welche Rechtsänderungen im Steuerrecht noch in diesem Jahr zu erwarten sind. Zum Auftakt der Reihe wurden die wesentlichen Änderungsvorschläge im Überblick dargestellt. Weitere Beiträge greifen spezifische Themen heraus: So gaben wir vertiefte Einblicke in die neue Gefährdungshaftung für Betreiber von Onlinehandelsplattformen und die Erweiterung des deutschen Besteuerungsrechts bei der Veräußerung von Immobiliengesellschaften. Des Weiteren beleuchteten wir die Änderungen des Investmentsteuergesetzes sowie den Wegfall des Verlustabzugs.

Tags: Jahressteuergesetz 2018 Umsatzsteuerbetrugsbekämpfungsgesetz