16. Juni 2021
IPO Börse
Venture Capital

Initial Public Offering – Was passiert beim IPO

Der IPO ist neben der Veräußerung des Unternehmens (Trade Sale) der klassische Weg eines Exits bei einem Venture Capital Unternehmen. Der Beitrag erläutert überblicksartig die wichtigsten Schritte.

Das Initial Public Offering (kurz IPO) bezeichnet den Börsengang eines Unternehmens, durch den erstmalig Unternehmensanteile am organisierten Kapitalmarkt emittiert werden.
Die Entscheidung für einen IPO ermöglicht neben der Möglichkeit für die bestehenden Investoren, ihre Anteile zu verkaufen oder zu reduzieren, für das Unternehmen den Zugang zu frischem Kapital. Die Öffnung für den Kapitalmarkt weckt darüber hinaus das Interesse neuer Investoren und bietet Wachstums- und Innovationsmöglichkeiten.

Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden auf die erforderlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, den Ablauf eines IPO sowie die damit einhergehenden Chancen und Herausforderungen eingegangen werden.

Rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen für einen IPO

Entscheidet sich ein Unternehmen für einen IPO ist in einem ersten Schritt die „Börsenreife“ des Unternehmens herzustellen. Hierzu müssen bestimmte Weichen gestellt werden, wie beispielsweise die Umwandlung in eine börsenfähige Rechtsform (AG, KGaA, SE) und die Implementierung der erforderlichen Rechnungslegungsstandards (insbesondere IFRS im regulierten Markt).

In wirtschaftlicher Hinsicht sollte das Unternehmen eine gewisse Mindestumsatzgröße aufweisen oder sich durch eine klare und erfolgsversprechende Unternehmensstrategie sowie ein hohes Wachstumspotenzial auszeichnen. Ferner sind eine solide Unternehmensplanung und ein qualifiziertes Management eine wesentliche Voraussetzung für die Börsenreife.

Auf rechtlicher Ebene spielen die Zulassungsvoraussetzungen für den Handel an der Börse und die Folgepflichten eine Rolle. Diese richten sich nach dem gewähltem Börsensegment. Zu unterscheiden sind der regulierte Markt und der Freiverkehr. Während es sich bei dem regulierten Markt um einen auf europäischer Ebene organisierten Markt im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) handelt, der durch seine öffentlich-rechtliche Struktur geprägt ist, bezeichnet der Freiverkehr einen privatrechtlich durch die jeweilige Börse organisierten Markt. Der anwendbare rechtliche Rahmen ergibt sich weiter aus dem Börsengesetz, der Börsenzulassungsverordnung und den von der jeweiligen Börse festgelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Börsenplatz und Börsensegment 

Vor dem IPO muss sich das Unternehmen über den geeigneten Börsenplatz und das passende Börsensegment Gedanken machen. Für die Wahl des Börsenplatzes ist zunächst zu entscheiden, ob an einer inländischen oder ausländischen Börse oder zugleich im In- und Ausland (Duals-Listing) emittiert werden soll. Innerhalb Deutschlands stehen als Börsenplätze entweder die Frankfurter Wertpapierbörse oder die regionalen Heimatbörse Stuttgart, München, Berlin, Düsseldorf und Hamburg/Hannover zur Verfügung. Nach der Wahl des Börsenplatzes, ist ein Börsensegment auszuwählen. Als solches bezeichnet man einen der „Teilmärkte″ einer Börse. Grundsätzlich gliedert sich der Wertpapierhandel in die zwei Marktsegmente des EU-regulierten Marktes und des Freiverkehrs.

An der Börse Frankfurt beispielsweise besteht der regulierte Markt aus den Segmenten General Standard und Prime Standard und der Freiverkehr aus den Segmenten Scale und Basic Board. Während sich der regulierte Markt durch hohe Qualitätsanforderungen und umfangreiche Publizitätspflichten kennzeichnet, sind die Zulassungsvoraussetzungen und Folgepflichten für den Freiverkehr geringer. Dies hat zur Folge, dass Wertpapiere, die am regulierten Markt zugelassen sind, aus Investorensicht – und vor allem auf internationaler Ebene – in der Regel als attraktiver angesehen werden, da von den emittierenden Unternehmen höhere Qualitätsstandards gefordert werden.

Bei der Wahl des Börsensegments sind daher auch die Anforderungen an die Zulassung und Folgepflichten gegen die Investitionsattraktivität des Wertpapiers abzuwägen. Insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen kann die Erfüllung der Zulassungs- und Folgepflichten des regulierten Marktes zur Herausforderung werden, weshalb auch ein IPO im Freiverkehr sinnvoll sein kann. Auf der anderen Seite kann für große Unternehmen mit gefestigter Struktur und Personalkapazität der Zugang zu internationalen Investoren erstrebenswert sein, so dass der IPO eher im regulierten Markt durchgeführt werden sollte.

Ablauf eines IPO

Für einen erfolgreichen IPO ist ausreichend Planungs- und Vorbereitungszeit einzurechnen. Von den ersten Schritten bis zum Emissionstag vergehen in der Regel zwischen neun bis zwölf Monate. In dieser Zeit lässt sich der Börsengang im Wesentlichen in drei Phasen gliedern: die Konzeptionsphase, die Umsetzungsphase und die Platzierungsphase.

In der Konzeptionsphase ist das Unternehmen „börsenreif″ zu machen. Dies beinhaltet vor allem gesellschaftsrechtliche Vorbereitungen (insbesondere die Umwandlung der Rechtsform, die Anpassung der Satzung an die Erfordernisse einer börsennotierten Gesellschaft oder etwa die Berufung und Besetzung von Aufsichtsräten), die Anpassung der Rechnungslegungsstandards sowie die Verstärkung und Vorbereitung des Managements und der Mitarbeiter auf den IPO. Sobald die Börsenreife hergestellt ist, erarbeitet das Unternehmen mit der Unterstützung der begleitenden Investmentbanken ein umfassendes Emissionskonzept. Dieses enthält einen genauen Zeit- und Maßnahmenplan, stellt die Stärken und Schwächen des Unternehmens dar und benennt die Chancen und Risiken sowie die Ziele und Wachstumsperspektiven des Unternehmens. In einem letzten Schritt der Konzeptionsphase ist über den späteren Börsenzulassungsantrag durch Vorstand und Aufsichtsrat zu beschließen und die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen.

In der darauffolgenden Umsetzungsphase bildet sich eine sog. Working Group, indem IPO-Berater, die emissionsbegleitenden Banken und Rechtsanwälte sowie Wirtschaftsprüfer mandatiert werden. Anschließend erfolgt eine Due Diligence-Prüfung und die Erstellung des Wertpapierprospekts. Sind diese wesentlichen Weichen für den Börsengang gestellt, kann Hauptversammlung und/oder der Vorstand über die Börsengang meist erforderliche Kapitalerhöhung beschließen.

Abgeschlossen wird der Börsengang mit der Platzierungsphase. In dieser wird die Nachfrage nach den Wertpapieren des Börsenkandidaten bei institutionellen Anlegern im In- und Ausland erforscht (sog. Pre-Marketing) und die sog. Road Show durchgeführt, in der sich das Unternehmen durch Interviews und Präsentationen den Investoren und Analysten vorstellt. Am Ende der Road Show wird der Emissionspreis festgelegt und es erfolgt die finale Notierung.

Wertpapierprospekt

Als Wertpapierprospekt bezeichnet man das nach der Prospektverordnung (VO (EU) 2017/1129) und dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG) vorgeschriebene Dokument, das Informationen über das Unternehmen und die Wertpapiere enthält. Ein Wertpapierprospekt ist grundsätzlich immer erforderlich, wenn Wertpapiere an einem EU-regulierten Markt öffentlich angeboten werden sollen, was bei einem klassischen IPO regelmäßig der Fall ist. Mit Hilfe des Prospekts sollen sich die Anleger ein umfassendes Bild von dem Unternehmen und über die Wertpapiere machen können, um eine qualifizierte Anlageentscheidung treffen zu können. Dadurch soll das Informationsgefälle zwischen Unternehmen und Anlegern verringert werden. Es ist daher unbedingt erforderlich, den Prospekt mit größter Sorgfalt richtig und vollständig zu erstellen, um mögliche Haftungsrisiken zu vermeiden.

Vor der Veröffentlichung muss der Prospekt von der BaFin gebilligt werden, wobei sich die Prüfung auf formale Vollständigkeit, Verständlichkeit und Kohärenz beschränkt, aber keine Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit. Das Billigungsverfahren beansprucht regelmäßig einige Wochen und ist geprägt von einem mehrmaligen Übersenden von Anmerkungen durch die BaFin und Überarbeitung auf Unternehmensseite, bevor es zu der endgültigen Billigung des Prospekts kommt.

Entscheidung für den IPO: Chancen und Herausforderungen

Ein IPO bietet eine Vielzahl an Chancen, birgt jedoch auch Herausforderungen, die es einzuplanen und zu adressieren gilt.

Für Unternehmen bietet der Weg an die Börse die Chance auf mehr Unabhängigkeit und Zugang zu frischem Kapital. So gewinnt das Unternehmen infolge des IPO eine höhere Eigenständigkeit, indem es sich von einzelnen (Groß-)Investoren lösen kann und eine Demokratisierung der Investorenbasis erreicht wird. Über den Kapitalmarkt werden zudem neue Finanzierungsmöglichkeiten eröffnet: Durch sog. Sekundärplatzierungen kann jederzeit neues Kapital erschlossen werden, wodurch sich nicht zuletzt die Eigenkapitalquote und die Bilanzkennzahlen verbessern. Dies wiederum steigert die Attraktivität des Unternehmens für Fremdfinanzierungen. Ferner steigt mit einem IPO der Bekanntheitsgrad des Unternehmens, die Visibilität nimmt zu und das Unternehmen wird insgesamt aufgewertet.

Aus Investorensicht wird durch einen IPO eine klare Bewertungsgrundlage für künftige Transaktionen geschaffen. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit eines attraktiven Exits durch Verkauf der Anteile zu einem höchstmöglichen Erlös.

Die Herausforderungen eines IPO liegen vorrangig in der Erreichung der Zulassungsvoraussetzungen und der Erfüllung der Folgepflichten am Kapitalmarkt. Diesen kann mit ausreichend Vorbereitung, der Unterstützung durch erfahrene Berater und einem qualifizierten Management erreicht werden. Die Einstellung der Unternehmensprozesse auf den Kapitalmarkt ist sorgfältig zu planen und stellt für jeden im Unternehmen eine Umstellung dar, an der das Unternehmen jedoch wachsen kann, wenn sich Management und Mitarbeiter als Teil des Prozesses gewinnen und motivieren lassen. 

Fazit: Mit einem IPO zu neuem Kapital

Ein IPO ist ein sehr strukturierter Vorgang, der mit der Herstellung der Börsenreife eines Unternehmens beginnt und mit der Platzierung der Wertpapiere endet. Für Unternehmen bedeutet er einen Schritt auf neues Terrain, mit dem sich nicht nur die Welt des Kapitalmarkts öffnet, sondern auch eine unternehmensinterne Entwicklung stattfindet. Dabei bietet sich Unternehmen die Chance an der Herausforderung IPO zu wachsen und von dem Zugang zu frischem Kapital und Investoren zu profitieren.

Dies ist ein Beitrag aus unserer Blogserie „Venture Capital Basics“. Wir haben die verschiedenen Arten von Venture Capital Investoren sowie das Corporate Venture Capital bereits beleuchtet. Anschließend haben wir uns mit Themen wie Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Venture Capital & Private EquityFinanzierungsarten für Start-ups und den Finanzierungsrunden beschäftigt. Gefolgt ist ein Beitrag zu Bylaws sowie zu der Frage, wie die Zusammenarbeit von Gründern und Investoren gelingt. Zuletzt sind wir auf die Arten und Regelungsmöglichkeiten des Exits des VC-Investors eingegangen.

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