20. Juli 2015
dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung
Arbeitsrecht

Brüssel bestätigt: Dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung ist erlaubt!

Kein Verstoß gegen EU-Richtlinien: Deutschland ist nicht verpflichtet, die dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung von Zeitarbeitnehmern zu verbieten.

Bekanntermaßen ist bei der EU-Kommission ein Antrag einer Zeitarbeitnehmerin auf den Tisch geflattert, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland gem. Art. 258 AEUV wegen der Nichtumsetzung von Art. 10 Abs. 2 S. 1, 2 der Zeitarbeitsrichtlinie 2008/104/EG einzuleiten, da der Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet habe, eine dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung gesetzlich zu sanktionieren (Az. CHAP (2015)00716).

Dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung richtlinienkonform?

Es wird geltend gemacht, dass

ein Missbrauch der Leiharbeit jedenfalls dann [vorliegt], wenn die Überlassung eines Arbeitnehmers über Jahre hinweg unbefristet erfolgt und wenn während dieser Zeit schlechtere Arbeitsbedingungen als im Entleihunternehmen gewährt werden.

Die Arbeitnehmerüberlassung habe vielmehr vorübergehend zu erfolgen. Die dauerhafte Schlechterstellung von Zeitarbeitnehmern stehe im eklatanten Widerspruch zu den Zielen der Richtlinie. Da der nationale Gesetzgeber beschlossen habe, keine Rechtsfolge für den Fall der nicht vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung und auch keine Rechtsfolge für den Fall der dauerhaften Schlechterstellung zu regeln, verstoße die Bundesrepublik Deutschland gegen Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie.

Kommission: Mitgliedstaaten können dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung zulassen

Inzwischen liegt eine Reaktion aus Brüssel vor. Daraus geht hervor, dass beabsichtigt ist, dass entsprechende Verfahren mangels Verstoß der Bundesrepublik Deutschland gegen europarechtliche Bestimmungen einzustellen. In dem Schreiben heißt es wörtlich:

Die Richtlinie sieht keine Beschränkung der Dauer der Arbeitnehmerüberlassung an die entleihenden Unternehmen vor. […]

Die oben genannten Ausführungen zeigen, dass der durch die Richtlinie über Leiharbeit gewährte Schutz auch für Leiharbeitnehmer gilt, die im Rahmen einer langfristigen Überlassung über einen längeren Zeitraum unter der Aufsicht und Leitung ein und desselben entleihenden Unternehmens arbeiten. Da gemäß der Richtlinie Deutschland und die anderen Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, eine Höchstdauer für die Überlassung von Leiharbeitnehmern an entleihende Unternehmen festzulegen, verstößt das Fehlen einer solchen Begrenzung in den nationalen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie nicht gegen ihre Bestimmungen. Auch gegen andere spezifische Bestimmungen des EU-Rechts wird damit nicht verstoßen.

Aus den Informationen, die Sie uns mit Ihrer Beschwerde übermittelt haben, ist für uns kein Verstoß der deutschen Behörden gegen das EU-Recht ersichtlich. Wir beabsichtigen daher, das Verfahren zu Ihrer Beschwerde einzustellen.

Ausgehend von diesen Feststellungen muss nunmehr die Frage gestellt werden, ob § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG, nach dem eine Überlassung stets vorübergehend zu erfolgen hat und aus dem das BAG ein Verbot eines dauerhaften Einsatzes eines Zeitarbeitnehmers beim Kunden ableitet (Beschl. v. 10.07.2014 – 7 ABR 91/11), tatsächlich mit europarechtlichen Vorgaben in Einklang steht, die ja gerade kein solches vorsehen.

Gesetzliche Einschränkung der Arbeitnehmerüberlassung überhaupt möglich?

Auch mit Blick auf die Pläne der Bundesregierung, zukünftig eine Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten in das AÜG zu implementieren, dürfte die Stellungnahme aus Brüssel interessant sein. In diesem Zusammenhang stellt sich doch ebenfalls die Frage, ob eine solche gesetzliche Einschränkung der Arbeitnehmerüberlassung unter Berücksichtigung der Zeitarbeitsrichtlinie überhaupt gerechtfertigt wäre – dies dürfte unter Beachtung der von der EU-Kommission vertretenen Ansicht abzulehnen sein, zumindest wenn die Höchstüberlassungsdauer arbeitsplatzbezogen ausgestaltet wird und nach 18 Monaten auf der Stelle beim Kunden kein Zeitarbeitnehmer mehr eingesetzt werden darf.

Einen möglichen noch gerechtfertigten „Kompromiss″ dürfte es allenfalls darstellen, wenn die Höchstüberlassungsdauer arbeitnehmerbezogenen wirken würde: ein Zeitarbeitnehmer würde nach 18 Monaten auf einer Stelle beim Kunden durch einen anderen ersetzt werden – mal sehen, was Frau Nahles aus der „Ansage″ aus Brüssel machen wird!

Weitere Einzelheiten und einen vertieften Bericht dazu können Sie der kommenden Ausgabe des „Infobriefs Zeitarbeit“ entnehmen, mit dem wir jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informieren. Sollten Sie Interesse haben, diesen zu beziehen, schreiben Sie mir bitte eine kurze E-Mail (alexander.bissels@cms-hs.com).

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