12. Mai 2011
Arbeitsrecht

Im Westen nichts Neues

Seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 14.12.2010 zur mangelnden Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalagenturen (CGZP), die auch hier im Blog mehrfach Thema war, rauscht es im Blätterwald.

Neueren Entscheidungen der Arbeitsgerichte zum equal-pay-Grundsatz wird dabei immer wieder unter Bezugnahme auf den Beschluss des BAG eine besondere ″Signalwirkung″  zugeschrieben. Aber sind diese Interpretationen auch gerechtfertigt?

Dass es sich lohnt, bei der Analyse der aktuellen Entscheidungen genauer hinzusehen, zeigt ein frisch veröffentlichtes Urteil des ArbG Krefeld vom 19.04.2011 – 4 Ca 3047/10: Das Gericht hat einen Verleiher dazu verurteilt, der klagenden Leiharbeitnehmerin Arbeitsentgelt i.H.v. ca. 13.000 € für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2010 nach zu gewähren.

Die Klägerin hatte sich darauf berufen, dass das arbeitsvertraglich vereinbarte Entgelt hinter der Vergütung von vergleichbaren Arbeitnehmern, die von den jeweiligen Entleihern eingesetzt worden seien, zurückgeblieben sei. Da in dem Arbeitsvertrag – trotz zahlreicher Berichten in den Medien, die Abweichendes suggerierten  – gerade keine Bezugnahme auf in der Leiharbeitsbranche geltende Tarifverträge enthalten war, konnte sich das beklagte Unternehmen lediglich damit verteidigen, dass die beim Entleiher geltenden Ausschlussfristen ebenfalls zu beachten und folglich die geltend gemachten Ansprüche verfallen seien. Im Übrigen habe man der Klägerin in der Vergangenheit eine Änderung ihres aus dem Jahr 1996 stammenden Arbeitsvertrages angeboten. Dieser sollte dahingehend ergänzt werden, dass eine Bezugnahmeklausel auf die von der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge aufgenommen wird. Dieses Angebot hatte die Klägerin als einzige der von der Beklagten beschäftigten Leiharbeitnehmer abgelehnt, obwohl ihr zugesagt wurde, dass ihr bislang erreichte Besitzstand nicht tangiert wird.

Das ArbG Krefeld lehnte es unter Berufung auf eine Entscheidung des BAG vom 23.03.2011 (Az. 5 AZR 7/10 , PM 20/11) ab, die bei dem jeweiligen Entleiher geltenden Ausschlussfristen anzuwenden. Auch sei das Verhalten der Klägerin im Hinblick auf die abgelehnte Arbeitsvertragsänderung nicht rechtsmissbräuchlich. In der mündlichen Verhandlung argumentierte die 4. Kammer, dass die Klägerin unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit berechtigt gewesen sei, das arbeitgeberseitige Angebot abzulehnen, selbst wenn ansonsten für die Beklagte keine realistische Möglichkeit bestanden habe, sich dem gesetzlich einführten equal pay-Grundsatz zu entziehen. In den Urteilsgründen sieht das ArbG Krefeld es auch als unerheblich an, dass die Klägerin in der Vergangenheit widerspruchslos die tariflichen Entgelterhöhungen entgegen genommen hat, ohne aber der Aufnahme einer Bezugnahmeklausel auf die Tarifverträge der CGZP in den Arbeitsvertrag zuzustimmen.

Anders als dies zum Teil in den Medien vertreten wurde, dürfte von der Entscheidung des ArbG Krefeld keine Signalwirkung für die Zeitarbeitsbranche ausgehen. Insbesondere hat die 4. Kammer gerade nicht anerkannt, dass die von der CGZP in der Vergangenheit abgeschlossenen Tarifverträge aufgrund der vom BAG festgestellten mangelnden Tariffähigkeit unwirksam sind. Der Arbeitsvertrag mit der klagenden Arbeitnehmerin enthielt keine entsprechende Bezugnahmeklausel, so dass es auf die Tariffähigkeit der CGZP nicht ankam. Auf Grundlage der Entscheidung des BAG vom 23.03.2011 hat das ArbG Krefeld den Einwand der Beklagten, dass die Ausschlussfristen der Entleiher für die klagende Arbeitnehmerin anzuwenden seien, als relevant nicht angesehen – dies ist ebenfalls keine Überraschung gewesen. Im Arbeitsvertrag der Klägerin selbst waren keine Verfallfristen enthalten, so dass sich das ArbG Krefeld mit deren Beachtung nicht befassen musste.

Die einzige wesentlich neue Aussage des Urteils besteht darin, dass sich ein Leiharbeitgeber bei einem Arbeitsvertrag, der vor der gesetzlichen Einführung des equal pay-Grundsatzes abgeschlossen wurde, nicht darauf berufen kann, dass die Weigerung des Arbeitnehmers, in diesen eine Bezugnahmeklausel auf Tarifverträge der Zeitarbeitsbranche aufzunehmen, rechtsmissbräuchlich ist. Nicht mehr und nicht weniger ergibt sich aus dieser Entscheidung, deren Bedeutung für die gesamte Branche folglich geringer einzuschätzen ist, als es die vielfältige mediale Berichterstattung vermuten lässt - denn derartige Altverträge dürften nur noch ausnahmsweise in Umlauf sein. 

Tags: 4 Ca 3047/10 5 AZR 7/10 Ausschlussfrist BAG Bundesarbeitsgericht CGZP Christliche Gewerkschaft Zeitarbeit und Personalagenturen equal pay Leiharbeitnehmer Rechtsprechung Tariffähigkeit Tarifvertrag Zeitarbeit