In Teil 3 unserer Reihe gehen wir unter anderem auf Abweichungen von der Überlassungshöchstdauer und die Folgen eines Verstoßes gegen die gesetzlichen Regelungen ein.
In (wirksamen) Flächen- bzw. Firmentarifverträgen der Einsatzbranche bzw. des Entleihers (Urban-Crell/Germakowski/Bissels/Hurst, AÜG, § 1 Rn. 237; Schüren/Hamann, AÜG, § 1 Rn. 356; Müller, FA 2018, 361), nicht jedoch in den Tarifverträgen der Zeitarbeit (Tarifwerke BAP/DGB oder iGZ/DGB) kann eine von den 18 Monaten abweichende verlängernde oder verkürzende Überlassungshöchstdauer vorgesehen werden (§ 1 Abs. 1b S. 3 AÜG).
Ist die Überlassungshöchstdauer bereits hinreichend konkretisiert, gilt diese bei dem Entleiher, ohne dass es eines weiteren Umsetzungsaktes bedarf. In solchen Tarifverträgen können zudem Öffnungsklauseln vorgesehen werden, die Betriebsvereinbarungen über die Änderung der Überlassungshöchstdauer durch die jeweiligen Betriebspartner im tarifgebundenen Einsatzbetrieb zulassen (§ 1 Abs. 1b S. 5 AÜG).
Anwendbarkeit von Tarifverträgen bei nicht tarifgebundenen Entleihern
Sofern ein Tarifvertrag zur Überlassungshöchstdauer abgeschlossen worden ist, können sich auch nicht tarifgebundene Entleiher diesen nutzbar machen, indem dieser durch eine Betriebsvereinbarung übernommen, sprich „abgeschrieben″ werden muss (§ 1 Abs. 1 S. 4 AÜG); dies gilt nicht nur für die Überlassungshöchstdauer selbst, sondern alle damit sachlich in einem unmittelbaren Zusammenhang stehenden tariflichen Bestimmungen (Sachgruppenvergleich), z.B. eine Übernahmepflicht nach einer gewissen Dauer (Urban-Crell/Germakowski/Bissels/Hurst, AÜG, § 1 Rn. 248). Voraussetzung ist allerdings, dass der betreffende Tarifvertrag unter Berücksichtigung des jeweiligen Geltungsbereichs für den Entleiher anwendbar ist, wenn dieser tarifgebunden wäre.
§ 1 Abs. 1b S. 6 AÜG ermöglicht nicht tarifgebundenen Entleihern von einer tarifvertraglichen Öffnungsklausel für Betriebsvereinbarungen Gebrauch zu machen. Für diese gelten grundsätzlich in gleicher Weise wie für tarifgebundene Entleiher die Vorgaben des Tarifvertrages. Der Entleiher müsste – eine Tarifbindung unterstellt – dabei von dem tariflichen Geltungsbereich erfasst sein, der die Abweichung im Rahmen einer Öffnungsklausel ermöglicht (BT-Drucks. 18/9232, 19). Diese Möglichkeit ist aber auf eine Überlassungshöchstdauer von maximal 24 Monate begrenzt, wenn der Tarifvertrag selbst keine von § 1 Abs. 1b S. 1 AÜG abweichende Überlassungshöchstdauer oder einen entsprechenden Rahmen für Betriebsvereinbarungen festlegt. Für tarifgebundene Entleiher gilt diese Limitierung nicht. Im Ergebnis bedeutet dies, dass nicht tarifgebundene Unternehmen, die aufgrund einer in einem Tarifvertrag vorgesehenen Öffnungsklausel in einer Betriebsvereinbarung eine abweichende Regelung zur Überlassungshöchstdauer festlegen wollen, je nach Ausgestaltung des maßgeblichen Tarifvertrages beschränkt werden können. Ist für den (nicht tarifgebundenen) Entleiherbetrieb kein Betriebsrat gewählt worden, verbleibt es bei den gesetzlich vorgesehenen 18 Monaten. Arbeitsvertragliche Regelungen mit den Zeitarbeitnehmern zur Verlängerung der Überlassungshöchstdauer sind gleichfalls nicht hinreichend.
Tarifliche Regelung einer zweck- oder sachgrundbefristeten Überlassungshöchstdauer
Im Tarifvertrag der Einsatzbranche bzw. in einer aufgrund eines Tarifvertrages getroffenen Betriebsvereinbarung soll unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/9232, S. 20) nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht eine eigene Regelung zu der Überlassungsdauer vorgesehen werden müssen, um den vorübergehenden Charakter der Arbeitnehmerüberlassung zu gewährleisten (Zimmermann, BB 2016, 54; Grimm/Heppner, ArbRB 2016, 114; Henssler, RdA 2016, 23). Ausgeschlossen soll damit sein, dass die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche einen unbefristeten Einsatz von Zeitarbeitnehmern vereinbaren; in der Gesetzesbegründung heißt es dazu ausdrücklich, dass dem dauerhaften Einsatz von Zeitarbeitnehmern, der letztlich zu einer Verdrängung von Stammbeschäftigten führt, durch die Einführung einer gesetzlichen Überlassungshöchstdauer entgegengewirkt werden soll (BT-Drucks. 18/9232, S. 14). Eine zeitlich maximale „Deckelung″ der Überlassungshöchstdauer ist aber weder im Gesetz vorgesehen noch dort angelegt (einschränkend: Schüren/Hamann, AÜG, § 1 Rn. 307 ff.). Die zuständigen Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche haben insoweit also ein weites Gestaltungsermessen. Es bedarf auch keines Sachgrunds, durch den die Abweichung von der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten gerechtfertigt werden muss.
Es sprechen im Übrigen gute Argumente dafür, dass der Tarifvertrag der Einsatzbranche die Überlassung von Zeitarbeitnehmern nicht ausschließlich zeitlich, sondern im Zweifel auch nach deren Zweck befristen oder an einen sonstigen Sachgrund anknüpfen kann (Henssler/Höpfner, Tarif- und verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer auf die Sozialpartner der Einsatzbranche begrenzten Tariföffnungsklausel zur AÜG-Überlassungshöchstdauer, Gutachten 2016, S. 11 f.; a.A. Zimmermann, BB 2016, 54; Grimm/Heppner, ArbRB 2016, 114), insbesondere an einen zeitlich noch unbestimmten Vertretungsbedarf, z.B. bei einer Dauerkrankheit, oder an sonstige rein arbeitsplatzbezogene Merkmale, z.B. Personalbedarf im Rahmen eines Projekts. Der Wortlaut von § 1 Abs. 1b S. 5 AÜG kann zumindest zwanglos in diesem Sinne ausgelegt werden. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/9232, S. 20) wird zudem auf die Möglichkeit der Flexibilisierung der Dauer des Einsatzes durch das Vorliegen von Sachgründen verwiesen. Für die Zulässigkeit spricht außerdem, dass der Gesetzgeber ergänzende tarifliche Bestimmungen, z.B. zu Übernahmeangeboten oder Differenzierungen nach Einsatzzwecken/-bereichen, in der Gesetzesbegründung ausdrücklich zulässt (BT-Drucks. 18/9232, S. 19). Vor diesem Hintergrund muss neben der zeit- auch eine zweck- oder sachgrundbefristete Überlassungshöchstdauer tariflich regelbar sein, die über 18 Monate hinausgeht (so z.B. in § 2.2 TV LeiZ Baden-Württemberg).
Rechtsfolgen bei Verstoß gegen die Überlassungshöchstdauer
Die Überschreitung der einschlägigen gesetzlichen oder davon abweichend durch Tarifvertrag oder eine darauf aufsetzende Betriebsvereinbarung geregelte Überlassungshöchstdauer führt zu der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Zeitarbeitnehmer und dem Entleiher, auch ohne oder sogar gegen deren Willen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1b i.V.m. § 10 Abs. 1 AÜG), es sei denn, der Zeitarbeitnehmer gibt eine sog. Festhaltenserklärung ab, die zu einem „Rückfall″ des Arbeitsverhältnisses an den Verleiher führt (vgl. § 9 Abs. 2, 3 AÜG). Im Ergebnis ist das bei der Abgabe der Festhaltenserklärung zu beachtende Verfahren hoch komplex und bürokratisch ausgestaltet, so dass anzunehmen ist, dass einem entsprechend willigen Zeitarbeitnehmer nur mit Schwierigkeiten überhaupt die rechtskonforme und damit wirksame Abgabe einer solchen gelingen wird.
Der Verstoß gegen die gesetzliche Überlassungshöchstdauer ist für den Verleiher (nicht hingegen für den Entleiher) bußgeldbewehrt (bis zu EUR 30.000,00, vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 1e, Abs. 2 AÜG). Ob auch die Missachtung einer abweichend in einem Tarifvertrag oder in einer aufgrund eines Tarifvertrages abgeschlossenen Betriebsvereinbarung geregelten Überlassungshöchstdauer ordnungswidrig ist, muss aufgrund des Wortlautes von § 16 Abs. 1 Nr. 1e AÜG in Abrede gestellt werden; dieser verweist nur auf § 1 Abs. 1b S. 1 und nicht auf die § 1 Abs. 1b S. 2 bis 8 AÜG, in denen die Abweichungsmöglichkeiten von den gesetzlichen 18 Monaten festgelegt werden. Der Verleiher muss ergänzend erlaubnisrechtliche Konsequenzen befürchten, die u.a. den Widerruf der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis (§ 5 AÜG) oder die Ablehnung der beantragten Verlängerung zur Folge haben können.
Nach dem Auftakt und den wesentlichen Grundsätze der Überlassungshöchstdauer ist dies der dritte Teil unserer Reihe aus Praxissicht.