18. September 2013
tarifliche Einigung
Arbeitsrecht

„Von Zeichen und Wundern“ – Tarifeinigung in der Zeitarbeitsbranche

In der Nacht vom 16./17. September 2013 wurde - dem Vernehmen nach in einem 16-stündigen Verhandlungsmarathon – in der 6. Runde der Tarifvertragsverhandlungen in der Zeitarbeitsbranche endlich der Durchbruch erzielt.

Die Verhandlungsgemeinschaft Zeitarbeit (VGZ), bestehend aus dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) und dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ), verständigte sich mit der DGB-Tarifgemeinschaft auf einen neuen Tarifabschluss für die inzwischen gekündigten Mantel-, Entgeltrahmen- und Entgelttarifverträge. Das Verhandlungsergebnis stellt sich dabei wie folgt dar:

Entgelttarifverträge

  • Die Entgelte West in der EG 1 betragen zum 1. Januar 2014 8,50 Euro, zum 1. April 2015 8,80 Euro und zum 1. Juni 2016 9 Euro.
  • Die Entgelte Ost in EG 1 betragen zum 1. Januar 2014 7,86 Euro, zum 1. April 2015 8,20 Euro und zum 1. Juni 2016 8,50 Euro.

Die übrigen Entgeltgruppen werden wie folgt erhöht:

  • West: zum 1. Januar 2014 um 3,8 Prozent, zum 1. April 2015 um 3,5 Prozent und zum 1. Juni 2016 um 2,3 Prozent.
  • Ost: zum 1. Januar 2014 um 4,8 Prozent, zum 1. April 2015 um 4,3 Prozent und zum 1. Juni 2016 um 3,7 Prozent.

Entgeltrahmentarifverträge

Die Eingruppierungsmerkmale für die folgenden Entgeltgruppen werden künftig einheitlich definiert und lauten wie folgt:

  • EG 1: Tätigkeiten, die eine betriebliche Einweisung erfordern.
  • EG 2: Tätigkeiten, die eine Anlernzeit erfordern oder für die fachbezogene Berufserfahrung oder fachspezifische Kenntnisse oder eine fachspezifische Qualifikation erforderlich sind.
  • Die EG 4 wird wie folgt ergänzt: Mitarbeiter mit einer Betriebszugehörigkeit von mehr als einem Jahr in der EG 3 werden in die EG 4 eingruppiert. Die Berechnung der Betriebszugehörigkeit beginnt am 1. Januar 2014.

Manteltarifverträge

  • Ausschlussfristen: Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden. Lehnt die Gegenpartei die Ansprüche schriftlich ab, sind die Ansprüche innerhalb einer weiteren Ausschlussfrist von drei Monaten ab Zugang der schriftlichen Ablehnung gerichtlich geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Fristen geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen.
  • Streikklausel: Mitarbeiter werden im Umfang eines Streikaufrufs einer Mitgliedsgewerkschaft der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit nicht in Betrieben oder Betriebsteilen eingesetzt, die ordnungsgemäß bestreikt werden. Dies gilt auch für Mitarbeiter, die bereits vor Beginn der Arbeitskampfmaßnahme in dem Betrieb eingesetzt wurden. Hiervon können die Parteien des Arbeitskampfes im Einzelfall abweichende Vereinbarungen treffen (beispielsweise Notdienstvereinbarungen). Die Regelung des § 11 Abs. 5 AÜG bleibt unberührt.
  • Arbeitszeitkonto: Bei Teilzeitbeschäftigung wird die Obergrenze der Arbeitszeitkonten im Verhältnis zur arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit angepasst.
    Nach Ausspruch einer Kündigung ist der Arbeitgeber berechtigt, den Mitarbeiter unter Fortzahlung seines Entgeltes und unter Anrechnung etwaiger Urlaubsansprüche und Guthaben aus dem Arbeitszeitkonto freizustellen. Im Falle der betriebsbedingten Kündigung ist eine Freistellung zum Abbau des Arbeitszeitkontos nur mit Zustimmung des Mitarbeiters möglich. Eine vom Mitarbeiter beanspruchte Freistellung zum Abbau von Guthaben aus dem Arbeitszeitkonto wird nicht durch Zuteilung eines neuen Einsatzes unterbrochen.
    Auf Verlangen des Mitarbeiters werden Stunden aus dem Arbeitszeitkonto, die über 105 Plusstunden hinausgehen, ausbezahlt. Für Teilzeitbeschäftigte gilt dieser Anspruch anteilig. Die Zuschläge werden ausgezahlt und nicht auf das Arbeitszeitkonto gebucht. Die Tarifvertragsparteien sind sich darüber einig, dass jegliche Doppelzahlungen im Tarifvertragstext ausgeschlossen werden.
    Bei Krankheit während eines beanspruchten Freizeitausgleichs werden Zeiten auf das Arbeitszeitkonto rückübertragen.
  • Entgeltfortzahlung: Urlaubsvergütung und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall richten sich nach den Vorschriften des BUrlG.
  • Fälligkeit von Entgeltansprüchen: Die Mitarbeiter erhalten ein Monatsentgelt auf der Basis der individuellen regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit oder der regelmäßigen Arbeitszeit pro Monat, das spätestens bis zum 15. Bankarbeitstag des auf den Abrechnungsmonat folgenden Monats fällig wird.
    Auf Verlangen des Mitarbeiters wird mit rechtzeitiger Ankündigung am Ende eines jeweiligen Abrechnungsmonats ein Abschlag von bis zu 80 Prozent des zu erwartenden Nettoeinkommens ausgezahlt. Bereits gezahlte Abschläge werden angerechnet. Sofern das Beschäftigungsverhältnis nach dem 20. des betreffenden Abrechnungsmonats beginnt sowie im Austrittsmonat besteht kein Anspruch auf eine Abschlagszahlung. Diese Abschlagsregelung findet Anwendung ab dem 1. Juli 2014.

Lohnuntergrenze

Die Tarifvertragsparteien sind sich darüber einig, dass ein Mindestlohntarifvertrag vereinbart werden soll, deren Mindestlohnhöhen jeweils identisch sind mit in diesem Tarifabschluss für die EG 1 West und Ost festgelegten Beträgen. Die Parteien werden dem BMAS gemeinsam vorschlagen, diese Mindestlöhne als Lohnuntergrenzen in einer Rechtsverordnung verbindlich festzusetzen.

Kehrt jetzt Ruhe ein?

Die Beteiligten haben im Hinblick auf das erzielte Verhandlungsergebnis eine Erklärungsfrist bis zum 15. Oktober 2013 vereinbart, jedoch ist davon auszugehen, dass auf der Zielgerade nichts mehr schief gehen wird und insoweit eine Bestätigung erfolgt. Die Tarifverträge sollen dabei eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2016 haben, so dass – zumindest aus rein tariflicher Sicht – die Zeitarbeitsbranche mittelfristig zunächst befriedet sein dürfte. Durch die Verständigung der Tarifvertragsparteien in der Zeitarbeitsbranche stellt sich auch die Frage, ob eine arbeitsvertragliche Inbezugnahme auf (lediglich) nachwirkende Tarifverträge tatsächlich den equal pay-Grundsatz ausschließt, (zunächst) nicht mehr.

Offen bleibt aber nach wie vor, ob die DGB-Gewerkschaften für die Zeitarbeit tatsächlich tarifzuständig sind. Über den Fortgang des Verfahrens vor dem ArbG Berlin werden wir selbstverständlich weiter berichten. Zudem verbleiben weitere Unwägbarkeiten, ob der Gesetzgeber – in Abhängigkeit vom Ausgang der Bundestagswahlen am 22. September 2013 und den sich daraus ergebenden Mehrheitsverhältnissen – die Zeitarbeit wieder verschärft regulieren wird. Es dürfte also nicht langweilig werden…

Tags: Entgeltrahmentarifvertrag Entgelttarifvertrag Lohnuntergrenze Manteltarifvertrag Zeitarbeit