Das ArbG Berlin hat erneut eine Kündigung, die mit der Umsetzung des gesetzlichen Mindestlohns in Verbindung stand, für unwirksam erklärt.
Nach einer gestern veröffentlichten Pressemitteilung hat das ArbG Berlin mit Datum vom 17. April 2015 (Az. 28 Ca 2405/15) erneut eine Kündigung, die mit der Umsetzung des gesetzlichen Mindestlohns nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) in Verbindung stand, für unwirksam erklärt.
Arbeitnehmer verlangt Mindestlohn und wird gekündigt
Geklagt hatte ein Hausmeister, der bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 14 Stunden/Woche bislang 315,00 EUR brutto monatlich verdiente. Dies entsprach einem Bruttostundenlohn von 5,19 EUR. Der Arbeitnehmer hatte seinen Arbeitgeber aufgefordert, ihm zukünftig den gesetzlichen Mindestlohn i.H.v. 8,50 EUR brutto zu zahlen.
Der Arbeitgeber reagierte mit einem „Angebot″ an den Hausmeister. Danach sollte die Arbeitszeit auf 32 Stunden/Monat herabgesetzt werden. Hierfür sollte der Arbeitnehmer monatlich 325,00 EUR brutto erhalten. Dies erscheint zunächst „fair″, läge der Stundenlohn nach dem Angebot mit 10,15 EUR brutto/Stunde sogar deutlich über dem Mindestlohn.
Dennoch hätte sich der Arbeitnehmer im Ergebnis „schlechter″ gestellt. Denn wäre er weiterhin 14 Stunden/Woche beschäftigt worden und hätte der Arbeitgeber hierfür den gesetzlichen Mindestlohn i.H.v. 8,50 EUR brutto gezahlt, hätte der Arbeitnehmer eine monatliche Vergütung i.H.v. ca. 476 EUR brutto erzielen können. Durch die Annahme des arbeitgeberseitigen Angebots hätte sich der Mitarbeiter damit finanziell insgesamt schlechter gestellt, auch wenn die Vergütung pro Stunde absolut höher gewesen wäre.
Nachdem der Arbeitnehmer die Änderung der Vertragsbedingungen abgelehnt hatte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Hierin sah das ArbG Berlin eine gem. § 612a BGB verbotene Maßregelung. Der Arbeitgeber habe das Arbeitsverhältnis gekündigt, weil der Kläger in zulässiger Weise den gesetzlichen Mindestlohn gefordert habe; eine derartige Kündigung sei unwirksam.
Umgehung des gesetzlichen Mindestlohns unzulässig
Mit seinem zweiten Urteil zum MiLoG weist das ArbG Berlin Arbeitgeber erneut in die Schranken und macht deutlich, dass eine Umgehung der gesetzlichen Vorgaben oder eine Schlechterstellung der Arbeitnehmer, die auf die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns bestehen, unzulässig ist.
ArbG Berlin übte mit seinem „ersten MiLoG-Urteil″ deutliche Kritik am MiLoG
Bereits in seiner Entscheidung vom 04. März 2015 (Az. 54 Ca 14420/14) hatte sich das ArbG Berlin mit dem MiLoG zu befassen. Dabei hatte es die Gelegenheit „am Schopfe″ gepackt, um deutliche Kritik am neuen Gesetz zu üben.
Unter anderem hatte das ArbG Berlin in den Gründen ausgeführt, dass
das Mindestlohngesetz keine Regelung beinhaltet, ob und ggf. welche Entgeltbestandteile anrechenbar sind
und daher
davon ausgegangen werden (muss), dass der Mindestlohn lediglich der Vergütung der „Normalleistung″ dient.
Daher sei festzustellen, welche Leistungen im Arbeitsverhältnis die Normalleistung vergüten. Dabei komme es darauf an, ob
eine Leistung im konkreten Fall das vergütet, was der Arbeitnehmer „normalerweise” tun muss oder ob eine Zahlung für überobligatorische Leistungen erfolgt.
Das ArbG Berlin hat in seinem ersten MiLoG-Urteil klargestellt, dass es
kaum nachvollziehbar (ist), dass die Bundesregierung auf die ausdrückliche Bitte des Bundesrats einer Klarstellung, welche Lohnbestandteile auf das gesetzliche Mindestlohnstundenentgelt anrechenbar sind, nicht gesetzgeberisch reagiert hat.
Hiermit wollte das ArbG Berlin wohl zum Ausdruck bringen, dass diese quasi unlösbare „Sisyphusarbeit″ nun der Rechtsprechung auferlegt wird. Es hat dabei zutreffend formuliert:
Der gesetzliche Verzicht auf die Definition, welche Lohnbestandteile auf den Mindestlohn anrechenbar sind, wird nicht dadurch ersetzt, dass die Bundesregierung statt entsprechender Regelungen im Gesetz ihre Vorstellungen auf einer Internetseite kommuniziert.
Gemeinsamkeit der bisherigen „MiLoG″-Urteile
Ein „Sonderkündigungsrecht Mindestlohn″ gibt es nicht. Es gilt der juristische Grundsatz: Pacta sunt servanda („Verträge sind einzuhalten″). Arbeitgeber sind mithin gezwungen, den Mindestlohn zu zahlen und die bisherigen Arbeitsbedingungen (vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit, Zahlung von Zuschlägen und Zulagen etc.) wie gewohnt aufrecht zu erhalten. Spielräume oder Hintertüren, um die Zahlung des Mindestlohns zu umgehen oder die damit einhergehenden wirtschaftlichen Belastungen zu mildern, bieten sich grundsätzlich nicht.