8. Februar 2011
Nun also wieder Kaffeesatzleserei...
Commercial

Auch das Übersinnliche hat seinen Preis

Für „kartengestützte Lebensberatungsleistungen″ greift manch einer tief in die Tasche. Einem Kunden, dem die vorhergesagte Zukunft nicht gefällt, scheint das Bürgerliche Gesetzbuch dann einen hübschen Ausweg zu bieten: Kartenlegen ist doch Mumpitz, oder anders gesagt:  unmöglich. Unmögliches muss aber nicht vergütet werden.

Ein Trugschluss, wie der BGH nun entschied. Er hat den Vergütungsanspruch einer freiberuflichen Kartenlegerin vorerst gerettet, die in den Vorinstanzen um ihren verdienten Lohn gebracht worden war und sich damit als Retter der kartenlegenden Lebensberatung erwiesen.

Einigkeit zwischen den Instanzen bestand noch darin, dass eine Leistungspflicht, die auf Lebensberatung mittels magischer Kräfte gerichtet ist, dem tätigkeitsbezogenen Dienst- und nicht dem erfolgsbezogenen Werkvertragsrecht zuzuordnen war. Auch bei der Bejahung einer objektiv unmöglichen und damit ausgeschlossenen Leistung gemäß § 275 Abs. 1 BGB waren die Gerichte noch einer Meinung, wobei der BGH in seinem Urteil (vom 13. Januar 2011 – III ZR 87/10) einen durchaus interessanten Aspekt kurz beleuchtete: Soweit nämlich nur „eine jahrmarktähnliche Unterhaltung erwartet und geschuldet″ wird und gerade keine echte magische und übernatürliche Lebensberatung, scheidet objektive Unmöglichkeit aus. Abzugrenzen seien diese Alternativen durch Auslegung der jeweiligen Vereinbarung unter Berücksichtigung aller Umstände – ein für diesen Bereich wunderbar rechtssicherer Abgrenzungsmechanismus.

Allerdings hatte es der BGH im vorliegenden Fall einfach: Der betreffende Kunde hatte der Klägerin für im Jahr 2008 erbrachte Leistungen insgesamt € 35.000,- bezahlt, was der BGH als Indiz dafür ansah, dass die vertraglich geschuldete Leistung deutlich über einer bloß lebensberatenden Dienstleistung bzw. einer jahrmarktähnlichen Unterhaltung anzusiedeln sei.

Faustformel: Magischer Preis, magische Leistungspflicht!

Springender Punkt des BGH war nunmehr, dass das aus der objektiven Unmöglichkeit der Primärleistung folgende Erlöschen der Vergütungspflicht nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB nicht eintreten sollte, was LG und OLG Stuttgart anders gesehen hatten. Nach Ansicht des BGH konnten sich die Parteien über eine Abbedingung von § 326 Abs. 1 S. 1 BGB konkludent einigen, wenn ihnen bewusst war, „dass sie mit dem Abschluss des Vertrags den Boden wissenschaftlich gesicherter Erfahrungen verließen und sich auf die Ebene eines vernunftmäßig nicht mehr begründbaren und verifizierbaren Vertrauens in übersinnliche Erkenntnis- und Beeinflussungsmöglichkeiten begaben″.  Eine absolut zwingende Logik.

Faustformel: Magische Parteien, magische Vergütungspflicht!

Auf Beweisaufnahmen in gleichgelagerten Fällen darf man nunmehr gespannt sein.

Der Bundesgerichtshof hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, um zu klären, ob ein solcher Willen der Parteien bestand, aber auch, um die bislang offen gelassene Frage zu beantworten, ob die Vereinbarung der Parteien nach § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist. Als Ausweg ließ der BGH erkennen, dass eine Sittenwidrigkeit unter verringerten Anforderungen möglich sei, da es sich bei vielen Personen, die derartige Dienstleistungen in Anspruch nähmen, um „leichtgläubige, unerfahrene oder psychisch labile Personen″ handele.

Tags: BGH Dienstvertrag III ZR 87/10 Kartenlesen Magie Mumpitz Rechtsprechung Unmöglichkeit Vergütungspflicht