10. Juni 2013
Europarecht Gewerblicher Rechtsschutz International Patentrecht & Gebrauchsmusterrecht

Olé! – Fortsetzung im spanischen Kampf gegen das Konzept des Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung

Wie wir bereits berichteten, klagt Spanien gegen zwei Europäische Verordnungen (VO 1257/2012 und VO 1260/2012), die Teil eines Regelungspakets zur Schaffung eines Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung sind. Vor kurzem wurden die in den Verfahren C-146/13 und C-147/13 gestellten Anträge und eine (eher schlecht übersetzte) Zusammenfassung der Klagebegründungen durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) veröffentlicht. Spanien trägt demnach zusammengefasst Folgendes vor:

Keine Rechtsgrundlage und Unabhängigkeit des Europarechts

Wie erwartet, vertritt das Königreich, dass die Voraussetzungen der Europäischen Ermächtigungsgrundlage für die Regelungen der VO 1257/2012 und Teile der VO 1260/2012 nicht eingehalten worden seien. Da dies an anderer Stelle bereits diskutiert worden ist, soll dies hier nicht vertieft werden. Wie ebenfalls vorhersehbar war, führt Spanien an, dass die Unabhängigkeit des Europarechts nicht gewahrt werde. Die Verordnungen sehen beispielsweise vor, dass diese erst gelten sollen, wenn ein ergänzendes völkerrechtliches Abkommen (Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht) in Kraft tritt. Spanien hält diese Verschränkung für unzulässig.

Darf das Europäische Patentamt (EPA) überhaupt „Europa″?

Besonderes Augenmerk verdient in diesem Zusammenhang aber ein spanischer Einwand, der bisher wenig bis gar nicht diskutiert worden ist: Es sei unzulässig, die mit dem Europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung anfallenden Verwaltungsarbeiten wie geplant vom EPA erledigen zu lassen.

Dieser Einwand kann auf den ersten Blick befremdlich wirken, schließlich trägt das EPA als Europäisches Patentamt „Europa″ bereits im Namen. Das EPA ist aber kein Europäisches Organ oder Einrichtung, sondern ein eigenständiges völkerrechtliches Subjekt. Es entstand als Teil der Europäischen Patentorganisation durch einen Vertrag zwischen diversen Staaten, zu denen aber die Europäische Union nicht gehört. Zwischen EPA und der Europäischen Union besteht – anders als beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt, das auf Gemeinschaftsebene für Marken und Geschmacksmuster zuständig ist und ironischerweise „Europa″ nicht bereits im Titel trägt – keine unmittelbare Verbindung.

Das geplante Verwaltungsoutsourcing verstoße gegen Artikel 291 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweisen der Europäischen Union (AEUV) oder zumindest gegen die durch den EuGH im sogenannten „Meroni-Urteil″ geschaffenen Grundsätze.

Mit dem ersten Einwand bringt Spanien zum Ausdruck, dass nicht das EPA, sondern die Europäische Kommission oder der Rat die durch Europarecht begründeten Aufgaben im Bereich des Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung erfüllen müssten. Dementsprechend sei die Zuteilung von Aufgaben zur Umsetzung der Verordnungen 1257/2012 und 1260/2012 an das EPA fehlerhaft.

Die Ansicht Spaniens setzt allerdings einen Sonderfall voraus. Nur wenn es „einheitlicher Bedingungen für die Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union″ bedarf, sind Kommission oder Rat auch dafür zuständig. Andernfalls sind die Verwaltungsaufgaben von den Mitgliedsstaaten zu erledigen – Artikel 291 Absatz 1 AEUV. Davon gehen auch die angegriffenen Verordnungen aus. So bestimmt etwa Artikel 9 der VO 1257/2012:

„(1) Die teilnehmenden Mitgliedstaaten übertragen dem EPA […] die folgenden Aufgaben, die das EPA gemäß seinen internen Regeln ausführt: […]″

Für den EuGH wird entscheidend sein, ob die Verwaltungsaufgaben des Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung einheitliche Bedingungen benötigen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Spanien mit diesem Einwand nicht durchdringen wird. Eine europaeigene Stelle für die beschriebenen Durchführungsaufgaben würde dann nicht erforderlich sein. Es könnte hierfür wie geplant auf die bereits bestehenden Strukturen für das Europäische Patent (ohne einheitliche Wirkung) zurückgegriffen werden.

Mit dem zweiten Einwand verweisen die Klagebegründungen auf ein Urteil des EuGH aus dem Jahr 1958. Das Gericht hat darin bestimmt, unter welchen Voraussetzungen Verwaltungsbefugnisse der Europäischen Union an Dritte gegeben werden können. Nach Ansicht des EuGH müssen zwei inhaltliche Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Die Übertragung darf sich nur auf genau umgrenzte Ausführungsbefugnisse beziehen, und
  • die Ausübung muss von der Europäischen Union beaufsichtigt und gerichtlich kontrolliert werden.

Der EuGH wird nun zunächst zu klären haben, ob diese richterrechtlichen Grundsätze auf die Regelungen zum Europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung überhaupt Anwendung finden: Ausgang offen. Die Meroni-Entscheidung behandelte die Übertragung von Verwaltungskompetenz durch ein Europäisches Exekutivorgan (die Kommission, damals Hohe Behörde genannt) an eine privatrechtliche Einrichtung. Die entscheidenden Passagen des Urteils sind aber so weit formuliert, dass auch die beim Europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung gewählte Konstruktion darunter gefasst werden könnte.

Wird dies bejaht, wird zu prüfen sein, ob die oben genannten inhaltlichen Grundsätze eingehalten werden. Zwar wird dem EPA mit den angegriffenen Verordnungen kein erwähnenswerter Entscheidungsspielraum eingeräumt. Damit dürfte das erste Kriterium erfüllt sein. Die zweite inhaltliche Hürde könnte schwerer zu reißen sein, da die Entscheidungen, die das EPA in Ausführung der Verwaltungsbefugnisse trifft, durch das Einheitliche Patentgericht, das in diesem Zuge ebenfalls geschaffen wird, getroffen werden – etwa Artikel 9 (3) der VO 1257/2012. Dieses Gericht ist als nationales Gericht jedes teilnehmenden Mitgliedsstaates konzipiert.

Am Ende fühlt man sich nach einem Blick in die Klagebegründung ein wenig wie Heinrich Faust: „Da steh ich nun ich armer Tor! und bin so klug als wie zuvor″. Ins Juristische übersetzt bedeutet dies: Der Ausgang der Verfahren ist weiter offen. Klar ist aber: Bei den aktuellen Verfahren kommt es nun anders als bei der bereits vorliegenden Entscheidung zu einer inhaltlichen Überprüfung der konkreten Ausgestaltung des Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung. Der EuGH wird Farbe bekennen müssen. Es wird sich zeigen, ob die ersten Signale pro Einheitspatent nur Strohfeuer waren oder ob der geplante Weg endgültig frei gemacht wird.

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