6. Februar 2012
Öffentliches Wirtschaftsrecht

Noch eine Schlamperei des Gesetzgebers beim Umweltrechtsbehelf?

Einmal ist keinmal. Der EuGH ist erneut dazu aufgerufen, die Vorschriften des Umweltrechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) auf ihre Übereinstimmung mit den europarechtlichen Vorgaben zu überprüfen.

Möglicherweise bekommt der deutsche Gesetzgeber also in Sachen Umweltrechtsbehelf zum zweiten Mal Nachhilfe. Die erste Nachhilfestunde hatte der  EuGH bereits mit seinem Urteil vom 12.05.2011 erteilt („Trianel Kohlekraftwerk Lünen″ – Rs. C-115/09). Damals hatte er festgestellt, dass § 2 UmwRG teilweise gegen die maßgeblichen europäischen Richtlinien verstößt – wir hatten hier und hier berichtet.

Worum geht es dieses Mal? Im Wesentlichen um § 4 UmwRG. Nach dieser Vorschrift kann eine behördliche Genehmigung von betroffenen Dritten oder Umweltverbänden nur dann mit Erfolg angegriffen werden, wenn eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) oder UVP-Vorprüfung gar nicht durchgeführt worden ist. Mängel bei der Durchführung einer solchen Prüfung können nicht zur Aufhebung einer Genehmigung führen. Mehrere Obergerichte hatten in der Vergangenheit folgerichtig auf dieser Grundlage Klagen abgewiesen, die sich auf eine bloß fehlerhafte Durchführung der UVP bzw. der Vorprüfung berufen hatten.

Das Bundesverwaltungsgericht zweifelt nun daran, dass diese deutsche Rechtslage mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbar ist. Mit seinem am 03.02.2012 veröffentlichtem Beschluss legt das BVerwG dem EuGH daher u. a. die Frage vor, ob sich aus den maßgeblichen europäischen Richtlinien ergibt, dass auch eine fehlerhaft durchgeführte UVP zur Anfechtbarkeit einer Genehmigung führen kann (Beschluss vom 10.01.2012 – 7 C 20.11).

Nach Auffassung des BVerwG spricht einiges dafür, dass diese Frage zu bejahen ist, der Gesetzgeber bei der Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben durch das UmwRG also eine weitere Schlamperei begangen hat.

Das BVerwG verweist insbesondere auf Art. 10 a der UVP-Richtlinie (Richtlinie 2003/35/EG). Nach dieser Vorschrift müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit Zugang zu einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren haben, „um die (…) verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen (…) anzufechten″.

Die Zweifel des BVerwG sind verständlich: Kann wirklich nur das gänzliche Fehlen des Verfahrensschritts UVP zur Aufhebung einer Genehmigung führen? Oder hat nicht vielmehr auch eine fehlerhaft durchgeführte UVP die verfahrensrechtliche Rechtswidrigkeit zur Konsequenz, auf die nach der UVP-Richtlinie eine Anfechtungsklage gestützt werden kann?

Es könnte also – nach dem eindeutigen Wort des EuGH zu § 2 UmwRG – nun auch im Hinblick auf § 4 UmwRG gesetzgeberischer Nachholbedarf anstehen. Für Vorhabenträger wird es in Zukunft jedenfalls nicht einfacher, ein Genehmigungsverfahren rechtssicher vorzubereiten.

Tags: Bundesverwaltungsgericht EuGH Rechtsprechung Umweltrechtsbehelf Umweltverband Umweltverträglichkeitsprüfung UmwRG UVP UVPG Verfahrensfehler