26. März 2020
Corona WSF AG
Coronavirus: Schutzschirm für die deutsche Wirtschaft Corporate / M&A

Staatsgeld in Unternehmen

Unter der Corona-Pandemie notleidende Gesellschaften können aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds staatliche Finanzhilfen in Milliardenhöhe in Anspruch nehmen.

Der Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung des staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) enthält ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Überwindung von Liquiditätsengpässen und zur Schaffung von Rahmenbedingungen, um die Kapitalbasis von Unternehmen zu stärken. Die Inanspruchnahme von staatlichen Hilfen ist nicht an eine bestimmte Rechtsform des Unternehmens geknüpft. Der Bundesrat berät in seiner Sitzung am 27. März 2020 über den Gesetzesentwurf.

In diesem Beitrag gehen wir auf die Besonderheiten für (börsennotierte) Aktiengesellschaften (AG), Europäische Gesellschaften (SE) und Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) behandelt.

Der Gesetzgeber orientiert sich bei den jetzt vorgesehenen Regelungen zur Stützung der Realwirtschaft und des Finanzsektors ganz wesentlich an dem zur Bekämpfung der Finanzmarktkrise im Herbst 2008 erlassenen Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz und dem Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz und greift somit auf ein zumindest bedingt praktisch erprobtes Instrumentarium zurück.

Rekapitalisierungsmaßnahmen des WSF

Die Maßnahmen des WSF umfassen

  • Garantien des WSF für Verbindlichkeiten von Unternehmen
  • Beiträge des WSF zur Rekapitalisierung von Unternehmen
    • Erwerb von Schuldtiteln, Anleihen
    • Zeichnung von Wandelanleihen
    • Eingehen von stillen Beteiligungen
    • Beteiligung am Kapital

Um dem WSF eine rasche Unterstützung zu ermöglichen und Unternehmen in die Lage zu versetzen, Mittel des WSF schnell in Anspruch zu nehmen, sieht das Wirtschaftsstabilisierungsbeschleunigungsgesetz (WStBG) zahlreiche Erleichterungen vor, die von ansonsten anwendbaren Vorschriften des Aktiengesetzes abweichen. Im Einzelnen:

  • Bei der Durchführung einer ordentlichen Kapitalerhöhung gegen Einlagen des WSF und mit Zustimmung der Hauptversammlung des notleidenden Unternehmens sind für die Beschlussfassung geringere Mehrheiten (einfache Stimmenmehrheit, Bezugsrechtsausschluss mit 2/3 Mehrheit) erforderlich als im Aktiengesetz oder den üblichen Satzungen vorgesehen. Die neuen Aktien des WSF können zu einem geringeren Ausgabebetrag als dem Börsenpreis ausgegeben werden, ebenso mit einem Gewinnvorzug oder als Vorzugsaktien ohne Stimmrecht. Für Kapitalherabsetzungen oder Aktiensplits gelten ähnliche Erleichterungen.
  • Die Hauptversammlung kann den Vorstand ermächtigen, zur Rekapitalisierung Kapitalerhöhungen aus genehmigtem Kapital zu erleichterten Bedingungen, wie z.B. einem erleichterten Ausschluss des Bezugsrechts und mit den vorgenannten Besonderheiten bei der Ausgabe neuer Aktien, durchzuführen. Ein solches genehmigtes Kapital wird auf die Volumen sonstiger genehmigter Kapitalia nicht angerechnet. Das Gesetz sieht auch Erleichterungen bei bedingten Kapitalerhöhungen und der Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen gegen Einbringungen von stillen Beteiligungen des WSF vor.
  • Bei der Ausnutzung eines bereits vorhandenen genehmigten Kapitals zugunsten des WSF können die Erleichterungen bei der Ausgabe der neuen Aktien an den WSF wohl ebenfalls Anwendung finden.

Die neuen Regelungen zielen außerdem darauf ab, übliche Risiken bei Kapitalmaßnahmen zu minimieren:

  • Eine Eintragung dieser Maßnahmen zur Kapitalbeschaffung in das Handelsregister ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Vielmehr werden die Beschlüsse mit der Veröffentlichung auf der Internetseite der Gesellschaft wirksam. Außerdem besteht eine Pflicht des Handelsregisters zur Eintragung, es sei denn, der Beschluss ist offensichtlich nichtig.
  • Die Anfechtungsmöglichkeiten sind beschränkt und einem Freigabeantrag zur Eintragung des angefochtenen Hauptversammlungsbeschlusses ist aufgrund einer gesetzlichen Vermutung des Überwiegens des Vollzugsinteresses immer stattzugeben.
  • Aktionäre, die durch ihre Stimmausübung oder die Einlegung unbegründeter Rechtsmittel die Maßnahmen verzögern, sind dem Unternehmen unter Umständen zum Schadenersatz verpflichtet.

Neben den genannten Eigenkapitalmaßnahmen sind auch stille Beteiligungen, die Ausgabe von Genussrechten und nachrangiger Schuldverschreibungen möglich. Die nachrangigen Verbindlichkeiten sind insbesondere bei einer drohenden Insolvenz von großer Bedeutung.

Übernahmerecht

Die Regelungen des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) werden bei Stabilisierungsmaßnahmen weitgehend außer Kraft gesetzt. Der Bund bzw. der WSF unterliegen bei Überschreitung der Kontrollschwelle von 30 % der Stimmrechte aus Aktien der Gesellschaft keiner Verpflichtung, den übrigen Aktionären ein Pflichtangebot auf Erwerb ihrer Aktien nach dem WpÜG zu unterbreiten.

Kapitalmarktrecht

Bei Ausgabe neuer Aktien an den WSF ist das übliche Börsenzulassungsverfahren nicht erforderlich. Überträgt der WSF seine Aktien an einen Dritten, ist dies allerdings nachzuholen.

Antragsberechtigte Unternehmen

Förderungsfähig sind nur „Unternehmen der Realwirtschaft″. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) prüft im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) auf Antrag des Unternehmens, ob die Bestandsgefährdung des Antragstellers erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft, die technologische Souveränität, Versorgungssicherheit, kritische Infrastrukturen oder den Arbeitsmarkt und den Wettbewerb hat. Die Prüfung kann auch auf die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) delegiert werden.

Zudem muss das Unternehmen zwei der nachstehenden drei Schwellenwerte (identisch zu den KMU-Schwellen für mittelgroße Unternehmen) überschreiten:

  • Bilanzsumme von mehr als EUR 43 Mio.
  • Umsatzerlöse von mehr als EUR 50 Mio.
  • Beschäftigung von mehr als 249 Arbeitnehmern im Jahresdurchschnitt

Schließlich muss das antragstellende Unternehmen eine eigenständige Fortführungsperspektive nach Überwindung der Pandemie bieten.

Weitreichende staatliche Eingriffsbefugnisse nach Inanspruchnahme des WSF

Im Gegenzug zur staatlichen Rekapitalisierung notleidender Unternehmen kann das BMF weitreichend auf die Corporate Governance des Unternehmens einwirken, durch Regelungen zu Dividendenausschüttungen, Vergütungsbegrenzungen für Organmitglieder, Verwendungen aufgenommener Mittel und Eigenkapitalvorschriften. Möglicherweise sind auch Vertreter der KfW in den Aufsichtsrat zu wählen oder als Experten einzubeziehen. Ein wichtiger Anhaltspunkt bietet der Public Corporate Governance Kodex des Bundes.

Präventionsmaßnahmen und Ermittlung etwaigen Handlungsbedarfs

Angesichts der Unklarheit über die Dauer und das Ausmaß der gegenwärtigen Corona-Pandemie sollten Unternehmen präventiv prüfen, ob Bedarf für den Einstieg des WSF besteht und ob sie antragsfähig sind. Sofern die Inanspruchnahme der Mittel des WSF möglich erscheint, müssen die Unternehmen prüfen, welche Instrumente für sie in Betracht kommen und ob bereits die aktien- und gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen vorliegen bzw. kurzfristig geschaffen werden können. Insbesondere sollte die kommende Hauptversammlungssaison dazu genutzt werden, um z.B. ausreichende Ermächtigungen zur Begebung von Genehmigten und Bedingten Kapitalia zu schaffen, um kurzfristig Kapitalmaßnahmen (ohne weitere Zustimmung der Hauptversammlung) zu ermöglichen. Zudem sollten die Unternehmen die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen für stille Beteiligungen und die Begebung von nachrangigen Schuldverschreibungen prüfen.

Erstmalige Maßnahmen des WSF können bis zum 31. Dezember 2021 erfolgen.

In unserer Blogreihe „Coronavirus: Schutzschirm für die deutsche Wirtschaft″ informieren wir Sie über die getroffenen Hilfsmaßnahmen, deren Wirksamkeit und die sonst zu berücksichtigenden unternehmerischen „Stolpersteine″, die das Coronavirus mit sich gebracht hat. Bisher erfolgt sind Beiträge zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und wie dies bei M&A-Transaktionen hilft, zum  CoVInsAG, zum Kurzarbeitergeld und der Kurzarbeitergeldverordnung sowie den Auswirkungen auf Kreditverträge. Es folgten Beiträge zu den steuerlichen Auswirkungen, zur EU-Beihilfemöglichkeiten, zum Schutz vor Kündigungen von Wohn- und Geschäftsräumen und Mietverhältnissen allgemein sowie zum Wirtschaftsstabilisierungsfond und damit verbundenen, offenen Fragen zum WSF. Weiter beschäftigten wir uns mit dem Erlass des BMI zu bauvertraglichen Fragen, mit Finanzhilfen für Unternehmen, den Fördermöglichkeiten und mit den steuerliche Maßnahmen, mit Cash-Pooling und dem Gesetz zum Darlehensnehmerschutz sowie den alternativen Wegen zur Abhaltung von Gesellschafterversammlungen und Aufsichtsratssitzungen.


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Tags: AG Coronavirus WSF