Wasserstoff anstatt Erdgas, wie Ungarn in seiner neuen Wasserstoffstrategie die bestehende Infrastruktur für die klimafreundlichen Alternative umbauen will.
Im Aktionsplan des EU Green Deals steht: Die EU wird klimaneutral. Dabei soll Wasserstoff eine zentrale Rolle spielen. In diesem Rahmen hat Ungarn nun seine eigene nationale Wasserstoffstrategie veröffentlicht. Diese ist zwar ambitioniert, bietet jedoch eine realistische Vision für die Zukunft.
Ziel ist es, die notwendigen Bedingungen für die Produktion von kohlenstoffarmem und kohlenstofffreiem Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen mittels zentralisierter Produktionsmethoden zu schaffen. Insbesondere der Ausbau des Transportsektors und der Erdgasinfrastruktur können Ungarns Teilnahme an der Wasserstoffwirtschaft in der EU sichern und die Dekarbonisierung des Industriesektors ermöglichen.
Erneuerbare Energien im Überschuss – Ungarns Vorgehensweise
Für die Gewinnung von Wasserstoff setzt Ungarn auf saisonale Reserven, insbesondere auf die reichlich vorhandene Solar- und Windenergie. Der gewonnene Wasserstoff wird zurzeit für die Verwendung in verschiedenen Sektoren mit Erdgas vermengt. Langfristig konzentriert sich die Strategie jedoch auf grünen Wasserstoff.
Ungarns bedeutsames technisches Potenzial der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ist dreimal so hoch wie der erwartete Strombedarf im Jahr 2030. Daher möchte Ungarn diese überschüssigen Stromkapazitäten für die grüne Wasserstofferzeugung durch Elektrolyse verwenden. Laut Ungarns NECP wird lediglich 4 % des technischen Potenzials für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien verwendet. Entsprechend ist ein Ausbau dieses Sektors eine realistische Möglichkeit für Ungarn, aktiv an dem Wasserstoffwirtschaftsmarkt teilzunehmen.
Neben dem strombasierten Wasserstoff aus erneuerbaren Ressourcen weitet Ungarn auch seine Kernkraftkapazitäten aus. Aufgrund der niedrigen variablen Kosten könnten diese eine besondere Chance für die Herstellung von Wasserstoff darstellen.
Transport goes Green
Primär soll der Wasserstoff als Mittel für umweltfreundliche Verkehrsmittel eingesetzt werden. Insbesondere die Reduzierung des Dieselverbrauchs von LKWs, ÖPNV und der Müllabfuhr wird angestrebt. Um die Ausweitung einer solchen Wasserstoffmobilität zu ermöglichen, bedarf es des Ausbaus einer Wasserstoffbetankungsinfrastruktur. Als Transportdrehkreuz muss Ungarn, um seinen Wirtschaftsstandort zu erhalten und der stetig steigenden internationalen Wasserstoffnachfrage nachzukommen, den Aufbau öffentlich zugänglicher Wasserstofftankstellen vorantreiben. Daher plant Ungarn bis 2030 20 Tankstellen zu errichten, welche innerhalb der nächsten 10 Jahre erweitert werden. Anhand seines NECP antizipiert Ungarn, dass ab 2025 sowohl Brennstoffzellenbusse und schwere Nutzfahrzeuge als auch Brennstoffzellenautos für den Massenmarkt bereitstehen und eingesetzt werden können.
Ungarn möchte Erdgasinfrastruktur für Wasserstoff verwenden
Die Möglichkeiten für Stromspeicherung sind in Ungarn begrenzt. Wasserstoffherstellung anhand der Elektrolyse von Wasser durch Stromüberschüsse aus saisonaler Stromspeicherung bieten daher eine attraktive Möglichkeit. Solche Power-To-Gas Anlagen, die aus wetterabhängigen erneuerbaren Energien CO2-freien Wasserstoff produzieren, könnten einen wichtigen Beitrag zum Ausgleich des Stromsystems leisten.
In absehbarer Zeit möchte Ungarn seine bestehende umfangreiche Erdgasinfrastruktur auch für Wasserstoff verwenden. Nicht nur der Ausbau der eigenen Erdgasinfrastruktur, sondern auch die Schaffung von Anschlüssen an den europäischen Wasserstoff-Backbone hat hohe Priorität. Erdgas, welches über 30 % von Ungarns Energiebedarf deckt, könnte somit durch erneuerbaren Wasserstoff ersetzt werden. Ungarn hat schon mit der Prüfung seiner gesamten Erdgasinfrastruktur auf Eignung für den Wasserstofftransport begonnen.
Grenzüberschreitende EU-Projekte im Wasserstoffsektor
Für den Aufbau einer effizienten und EU weit koordinierten Wasserstoffinfrastruktur ist auch eine Zusammenarbeit auf grenzüberschreitender Ebene erforderlich. Bei der Entwicklung und den Tests von industriellen Anwendungen neuer Wasserstofftechnologien stehen die multinationalen IPCEI-Projekte im Zentrum. Von den zahlreichen IPCEI -Projekten bei denen Ungarn eine aktive Rolle spielt, seien hier die folgenden genannt: Blue Danube @ Green Hydrogen, Black Horse, H2Go und Silver Frog.
Ungarische Umsetzung der Wasserstoffstrategie bis 2030
Die Gesetzgebung bezüglich Wasserstoffes in Ungarn und insbesondere auf der EU-Ebene sind leider noch lückenhaft. Notwendig sind greifbare und transparente rechtliche Rahmenbedingungen, insbesondere auf der EU-Ebene, um sowohl die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft anzukurbeln als auch den Markt zugänglich zu machen und kontinuierliche Investitionen sicherzustellen.
Die Europäische Kommission will Ende diesen Jahres Vorschläge für die Überarbeitung der Gasbinnenmarkt-Richtlinie und -Verordnung vorweisen, um darin u.a. einen Rechtsrahmen für Wasserstoff zu etablieren.
In Ungarn wurden für eine schnellstmögliche Umsetzung der Wasserstoffstrategie in die Praxis folgende sechs Projekte priorisiert:
- für mehr Umweltfreundlichkeit im Güterverkehr
- um den ÖPNV umweltfreundlicher zu gestalten
- zur Förderung des Aufbaus miteinander verbundener Netzwerke der Wasserstoff-Wertschöpfungsketten innerhalb bestimmter geographischer Regionen
- zur Schaffung einer Grundlage für kohlenstofffreie Wasserstoffproduktion, Transport und Energiespeicherung
- zur Dekarbonisierung der industriellen Wasserstoffnutzung
- für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft
Diese Projekte reflektieren die zentralen Ziele der Strategie und sollen bis 2030 verwirklicht werden.
Zukünftige Vorteile für Ungarn durch Fokussierung auf Wasserstoffsektor
Ungeachtet des Marktvorteils den Ungarn durch den Ausbau seines Wasserstoffsektors sichern würde, hat der angestrebte Ausbau auch direkte positive Auswirkungen. Durch die wasserstoffbezogenen Ausgaben zwischen 2020-2030 sollen schätzungsweise bis zu 460 direkte Arbeitsplätze beim Bau und Betrieb der Wasserstoffproduktion und von Wasserstofftankstellen geschaffen werden.
Mit dem technologischen Fortschritt kann man einen gesteigerten Einsatz von Wasserstoff zwischen 2030 und 2040 und eine weitgehende Dekarbonisierung des Transport- und Industriesektors in Ungarn erwarten.
Es bleibt spannend, inwiefern der ersehnte EU-Rechtsrahmen hinsichtlich der Vereinheitlichung der Wasserstoffinfrastruktur der Mitgliedsstaaten und der Verwendung dieser, Auswirkungen auf Ungarns Umsetzung seiner Strategie haben wird. Im Hinblick auf eine sich global ausbreitende Wasserstoffnutzung ist nämlich der isolierte Aufbau einzelner Länder nur begrenzt effektiv.
In der Serie „Environment and Climate Change″ sind wir eingegangen auf neue Gesetze im Energierecht, den Inhalt des 12. Deutschen Energiekongresses, haben uns mit dem Mieterstrom, mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes und der H2O-Politik und der Herstellerhaftung in Russland befasst sowie die Konsultation und das Feedback zur BNetzA-Konsultation Wasserstoffnetze dargestellt. Weiter beschäftigt haben wir uns mit der Wasserstoffstrategie, der Einwegkunststoffverbotsverordnung, dem „Green Deal″ sowie den Auswirkungen der EU-Taxonomie auf die Immobilienwirtschaft.