Russlands Regierung legt einen Plan zur Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft vor.
Die europäische ebenso wie die deutsche Wasserstoff-Initiative betonen ausdrücklich den erheblichen Bedarf an importiertem Wasserstoff für die Umsetzung der Initiativen. Einzelne Länder sind in der deutschen Initiative ausdrücklich benannt.
Nicht benannt ist jedoch Russland, der derzeit größte Energielieferant Deutschlands. Auch dort sind erneuerbare Energien auf dem Vormarsch.
Russland mit Plan zur Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft
Nun ist es offensichtlich, dass Russland sich bisher nicht auf erneuerbare Energien und auch nicht auf eine zu schaffende Wasserstoffwirtschaft fokussiert hat. Öl, Gas und Kohle dominieren als Energieträger bei weitem.
Russland hat sich aber durch Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens zur Reduktion von CO2-Ausstoß verpflichtet. Die Entwicklung erneuerbarer Energien ist zumindest angestoßen. Darüber hinaus ist der russischen Energiewirtschaft nicht entgangen, dass Europa mit dem Ziel der Dekarbonisierung der Wirtschaft bis 2050 langfristig als Abnehmer von konventionellen Energieträgern wegfallen wird. Wenn Russland weiter als Energielieferant für Europa eine Rolle spielen will, ist zwingend erforderlich, diese Realitäten anzuerkennen und sich darauf einzustellen.
Im Länderbeitrag Russland in unserem CMS Hydrogen Expert Guide haben wir die Regelungen zur Wasserstoffwirtschaft dargestellt. Im Ergebnis ergab sich das Bild einer weitgehend ungeregelten Materie. Jetzt aber ist der „Plan zur Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft in der Russischen Föderation bis 2024″ als Regierungsverfügung beschlossen und veröffentlicht worden (Regierungsverfügung Nr. 2634-R vom 12/10/20). Damit gibt es erstmalig ein regierungsamtliches Dokument über die geplante Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft in Russland.
Plan zur Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft in der Russischen Föderation bis 2024 sieht mehrstufiges Konzept vor
Der Plan deckt den Zeitraum bis 2024 ab und ist insofern eher kurzfristig. Involviert sind insbesondere das Energieministerium, Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung, Ministerium für Industrie und Handel sowie die St. Petersburger Berguniversität, daneben auch zu speziellen Fragen verschiedene Fachbehörden. Diese werden mit konkreten Fristsetzungen verpflichtet, die Voraussetzungen für die Schaffung einer russischen Wasserstoffwirtschaft zu schaffen.
Folgende Bereiche werden behandelt: strategische Planung; staatliche Hilfs- und Fördermaßnahmen; Bildung von Produktionskapazitäten; Pilotprojekte; Forschung und Entwicklung; gesetzgeberische Maßnahmen; Ausbildung und internationale Zusammenarbeit.
Die strategische Planung soll im Wesentlichen bis zum I. Quartal 2021 erarbeitet sein. Bis dahin soll ein Konzept der Wasserstoffwirtschaft vorgestellt, ein Projektbüro zur Umsetzung des Konzepts sowie eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe auf Ebene der Ministerien eingerichtet werden. Bis Jahresende 2021 soll auch ein Monitoringsystem aufgebaut sein.
Bis zum II. Quartal 2021 soll ein Konzept für die staatliche Förderung erstellt sein
Für die Schaffung von Produktionskapazitäten sollen zunächst bis zum I. Quartal 2021 Pilotprojekte identifiziert sein. Ausdrücklich sollen Staatsunternehmen (hier also die Energiegesellschaften Rosatom, Gazprom, Rosneft und Rosnano) in diese Arbeit einbezogen werden. Die Pilotprojekte sollen dann bis 2024 umgesetzt werden. Ausdrücklich genannt werden
- die Schaffung von Produktionskapazitäten für grünen Wasserstoff (Gewinnung durch Nutzung erneuerbarer Energie); blauen Wasserstoff (Gewinnung aus Erdgas ohne Freisetzung von CO2) und gelbem Wasserstoff (Gewinnung unter Nutzung von Atomenergie);
- Entwicklung von Gasturbinen;
- Nutzung von Wasserstoff im Eisenbahnsektor.
In der Forschung soll der Fokus liegen auf der Erforschung von Methoden der Gewinnung, Speicherung und des Transports von Wasserstoff. Ebenso soll über die Vermeidung der Freisetzung von Treibhausgasen bei der Produktion von Wasserstoff geforscht werden sowie über die Abspaltung von Kohlenstoff. Auch soll die Gewinnung von Wasserstoff unter Nutzung der Atomenergie geforscht werden.
Die Schaffung des geeigneten gesetzgeberischen Rahmens soll sich zunächst auf eine Überarbeitung der bestehenden Gesetzgebung konzentrieren und dann insbesondere technische Regularien und Zertifizierungsfragen im nationalen und internationalen Zusammenhang in Angriff nehmen.
Bemerkenswert ist, dass der Plan die internationale Zusammenarbeit hervorhebt. Hier geht es um die Zusammenarbeit mit Abnehmerländern. Deutschland wird hier ausdrücklich genannt. Die Entwicklung ist langfristig angelegt. Bis zum III. Quartal 2021 sollen Vorschläge für die Gestaltung der internationalen Zusammenarbeit ausgearbeitet sein. Im Ausland sollen Kontaktbüros aufgebaut werden. Die Rolle Russlands als Lieferant von Wasserstoff soll im Ausland beworben werden.
Russland begibt sich auf den Weg in die Wasserstoffwirtschaft – Die nächsten Monate werden die Richtung weisen
Angesichts der Bedeutung der Energiewirtschaft in Russland und weiter angesichts der zu erwartenden erheblichen Veränderungen im Abnehmerverhalten kommt der Plan eher spät. Er zeigt in seiner Ausrichtung deutlich, dass Russland sich auch in der kommenden Wasserstoffwirtschaft als Energielieferant sieht. Ein Binnenmarkt steht nicht im Mittelpunkt der Überlegungen. Offenbar will Russland sowohl blauen und gelben als auch auf längere Sicht grünen Wasserstoff liefern. Das wird erforderlich sein, um im europäischen Markt zu bestehen. Wesentliche Weichenstellungen werden, so der Plan umgesetzt wird, im ersten Quartal 2021 erfolgen. Es wird spannend sein, wie die Entwicklung tatsächlich verläuft. Jedenfalls sendet Russland ein eindeutiges Signal in Richtung EU und Deutschland, dass es als Energielieferant weiter zur Verfügung steht.
In der Serie „Environment and Climate Change″ sind wir eingegangen auf neue Gesetze im Energierecht, den Inhalt des 12. Deutschen Energiekongresses, haben uns mit dem Mieterstrom, mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes und der H2O-Politik und der Herstellerhaftung in Russland befasst sowie die Konsultation und das Feedback zur BNetzA-Konsultation Wasserstoffnetze dargestellt. Weiter beschäftigt haben wir uns mit der Wasserstoffstrategie, der Einwegkunststoffverbotsverordnung sowie dem „Green Deal„.