6. Mai 2021
ElektroG
Environment and Climate Change (ESG) Commercial

Weitere Pflichten im Online-Handel: Das neue ElektroG kommt!

Durch die anstehende Novellierung des Elekrogesetzes ergeben sich wichtige neue Pflichten für Online-Händler und erstmalig auch für Online-Marktplatzbetreiber.

Ein neues Smartphone, ein neuer Laptop oder ein neuer Ultra HD TV – der Absatz von Elektrogeräten steigt stetig weiter an. Damit steigt auch die Anzahl der ausrangierten Altgeräte. Das Problem: Der Elektroschrott landet in den meisten Fällen nicht bei den hierfür vorgesehenen Sammelstellen. Dadurch werden wertvolle Rohstoffe verschwendet, die jedenfalls teilweise recycelt werden könnten, der CO2-Ausstoß steigt zusätzlich und Giftstoffe gelangen in die Umwelt.

Von der Erreichung der in der europäischen WEEE-Richtlinie („Waste of Electrical and Electronic Equipment“, RL 2012/19/EU) vorgesehenen Sammelquote ist Deutschland noch weit entfernt und steht auch sonst im internationalen Vergleich nicht allzu gut dar.

Um dieses Nachhaltigkeitsproblem anzugehen, hat der Bundestag am 15. April 2021 eine Änderung des Elektro- und Elektronikgerätegesetz (Elektrogesetz, kurz: ElektroG) beschlossen. Das ElektroG wurde 2005 zur Umsetzung der damaligen WEEE-Richtlinie (RL 2002/96/EG) geschaffen, zuletzt 2015 geändert und regelt das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die Entsorgung von Elektrogeräten. Die nunmehr beschlossenen Änderungen müssen noch den Bundesrat passieren, werden aber aller Voraussicht nach 1. Januar 2022 in Kraft treten.

Neue Pflichten für Online-Händler

Durch die Gesetzesänderungen ändert sich einiges für verschiedenste Beteiligten. Neben den Herstellern werden insbesondere die Pflichten von stationären und Online-Händlern ausgeweitet. Zudem werden erstmalig auch Online-Marktplatzbetreibern und Fulfilment-Dienstleistern in die Pflicht genommen. Im Folgenden werden die wichtigsten neuen Pflichten für dieser Online-Akteure überblicksartig dargestellt.

Die verpflichtende Einbeziehung der Online-Händler in die Rücknahmestrukturen für Elektrogeräte ist nichts Neues. Bereits seit der letzten Änderung des ElektroG 2015 sind auch Online-Händler mit einer Lager- oder Versandfläche von mind. 400 qm verpflichtet, bei Abgabe eines neuen Gerätes eine Rückgabemöglichkeit in zumutbarer Entfernung zum Wohnsitz des Endkunden zu gewährleisten, an denen der Kunde ein Altgerät der gleichen Geräteart zurückgeben kann. Zudem muss diese Rückgabemöglichkeit grundsätzlich auch unabhängig vom Kauf eines neuen Gerätes für alle Elektrogeräte gegeben sein, die in keiner äußeren Abmessung größer als 25 cm sind (Kleingeräte).

Neue Rücknahmepflichten für Online-Händler

Diese Pflichten werden nun mitunter dahingehend erweitert, dass beim Online-Verkauf bestimmter Gerätekategorien (nämlich Wärmeüberträger, Bildschirme und Monitore sowie Elektrogeräte mit mindestens einer äußeren Abmessungen von mehr als 50 cm (Großgeräte)) den Kunden zusätzlich die Möglichkeit eingeräumt werden muss, ein entsprechendes Altgerät direkt und kostenlos dem Transporteur mitzugeben, der das neue Elektrogerät liefert.

Außerdem wird der Kreis der verpflichteten Händler um Lebensmittelhändler erweitert, die stationär eine Gesamtverkaufsfläche von mindestens 800 qm bzw. beim Online-Handel eine entsprechend große Lager- und Versandfläche haben.

Neue Informationspflichten für Online-Händler

Die Online-Händler treffen zudem umfangreiche neue Informationspflichten, denen diese beim Anbieten von Elektrogeräten gut sichtbar in ihrem Online-Shop oder alternativ durch Beilegung eines entsprechenden Zettels zur Ware nachkommen müssen. Dabei haben die Online-Händler zu informieren

  • über die Pflicht der Kunden, die Altgeräte gesondert bei den hierfür vorgesehen Stellen zu entsorgen und vorher Altbatterien und -akkus sowie Lampen aus den Geräten zu entfernen;
  • über die oben beschriebenen kostenlosen Rücknahme- und Abholmöglichkeiten der Altgeräte durch die Online-Händler;
  • über die Eigenverantwortung der Kunden, ihre personenbezogenen Daten vorher von den Altgeräten zu löschen; sowie
  • über die Bedeutung des Symbols der durchgestrichenen Abfalltonne auf Rädern. 

Zusätzlich müssen die Online-Händler beim Kaufvertragsschluss nicht nur über die Rücknahme- bzw. Abholmöglichkeiten informieren, sondern den Kunden auch nach dessen Absicht befragen, ob dieser bei der Auslieferung des neuen Gerätes ein Altgerät zurückgeben möchte. Insofern wäre es nicht überraschend, wenn zukünftig im Online-Bestellprozess von Elektrogeräten entsprechende Checkboxen auftauchen würden, wie bspw. 

[ ] Ja ich will mein Altgerät kostenfrei bei der Auslieferung des neuen Gerätes zurückgeben.

Änderung der Mitteilungspflichten für Online-Händler

Auch die Pflicht der Online-Händler zur Mitteilung an die zuständige stiftung elektro-altgeräte register (kurz: ear-Stiftung) ändert sich durch das neue ElektroG. Ob eine solche besteht hängt zukünftig davon ab, ob die Online-Händler zurückgenommene Altgeräte den jeweiligen Herstellern (bzw. deren Bevollmächtigten) oder den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern übergeben oder anderweitig wiederverwenden oder aufbereiten.

Geltung der neuen Pflichten und Sanktionen für Online-Händler

Die Änderungen stellen die Online-Händler offensichtlich vor eine nicht unbeachtliche Herausforderung. Da diese Pflichten aller Voraussicht nach bereits ab dem 1. Januar 2022 gelten (mit Ausnahme der Pflicht zur Einrichtung von Rücknahmestellen für Lebensmittelhändler, die erst ab dem 30. Juni 2022 gilt), sollte der entsprechende Anpassungsprozess zeitnah angestoßen werden. Neben den altbekannten lauterkeitsrechtlichen Abmahnungen drohen außerdem Bußgelder bis zu EUR 100.000, sofern Online-Händler die Altgeräte nicht bzw. nicht richtig, vollständig oder rechtzeitig zurücknehmen. 

Neue Pflichten für Online-Marktplatzbetreiber und Fullfillment-Dienstleister: Aufnahme in das ElektroG

Durch das neue ElektroG werden neben den Online-Händlern nun auch Online-Marktplatzbetreiber und Fulfilment-Dienstleister (Dienstleister, die die Lagerhaltung, Verpackung, Adressierung und/oder Versand von Elektrogeräte für Dritte übernehmen, wobei Post-/Paketzusteller und Frachtverkehrsdienstleister nicht hierzu zählen) in den Kreis der Verpflichteten aufgenommen. Hintergrund ist, dass nach Ansicht des Gesetzgebers zu viele ausländische Hersteller von Elektrogeräten nicht ihrer Pflicht nachkämen, sich (ggfs. mittels eines Bevollmächtigten) bei der ear-Stiftung zu registrieren, obwohl deren Geräte in Deutschland in den Verkehr gelangten. Dadurch bliebe deren Beteiligung an den Kosten für die ordnungsgemäße Entsorgung der Altgeräte aus und würde von der Allgemeinheit bzw. von den registrierten Herstellern mitgetragen.

Zwar ist auch heute schon für Online-Händler verboten und bußgeldbewehrt, Elektrogeräte von nicht registrierten Herstellern zum Verkauf anzubieten. Dies reichte nach Ansicht des Gesetzgebers zur Erreichung der Rücklaufquote von Altgeräten aber offensichtlich nicht aus.

Neue Pflichten für Online-Marktplatzbetreiber und Fullfillment-Dienstleister: Verbot = (indirekte) Prüfpflicht

Daher soll dieses Anbietverbot auf die Online-Marktplatzbetreiber und Fulfilment-Dienstleister ausgeweitet werden. Diesen ist entsprechend zukünftig untersagt, Online-Händlern das Anbieten oder Bereitstellen von Elektrogeräten nicht registrierter Hersteller zu ermöglichen bzw. – im Falle der Fulfilment-Dienstleister – solche Elektrogeräte zu lagern, zu verpacken, zu adressieren oder zu versenden.

Dieses Verbot stellt bei genauer Betrachtung in gewisser Hinsicht eine (indirekte) Prüfpflicht dar. Denn um das Verbot einhalten zu können, müssen bspw. die Online-Marktplatzbetreiber überprüfen, ob die über ihren Online-Marktplatz von den Online-Händlern angebotenen Elektrogeräte von Herstellern stammen, die sich ordnungsgemäß bei der ear-Stiftung registriert haben.

Neue Pflichten für Online-Marktplatzbetreiber und Fullfillment-Dienstleister: Umsetzung der Prüfpflicht

Wie genau diese Prüfpflicht umgesetzt werden soll, ist noch nicht abschließend geklärt. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen die Online-Marktbetreiber bzw. die Fulfilment-Dienstleister die vom jeweiligen Hersteller an sie übermittelte Registrierungsnummer (sog. WEEE-Reg.Nr. DE) mittels einer zukünftig hierfür eingerichteten elektronischen Schnittstelle (API) ohne großen Aufwand mit dem Register der ear-Stiftung abgleichen können. Dabei stellt sich offensichtlich die Frage, wie genau dies funktionieren soll, wenn bspw. nicht der Hersteller selbst die Elektrogeräte auf dem Online-Marktplatz anbietet, sondern sonstige Online-Händler.

Um dem Gebot sicher nachkommen zu können, müssen die Online-Marktplatzbetreiber und Fulfilment-Dienstleister ihre Systeme und Prozesse letztlich derart umgestalten, dass Elektrogeräte nur unter Angabe des registrierten Herstellers (bzw. dessen WEEE-Reg.Nr. DE) bei ihnen angeboten bzw. entsprechend verarbeitet werden dürfen. Dies könnte ggfs. durch eine entsprechende Vorauswahl bekannter Elektrogeräte-Hersteller (bspw. durch ein Dropdown-Menu) vereinfacht werden.

Lücken bzw. Umgehungsmöglichkeiten seitens der Online-Händler bleiben jedoch offensichtlich. Wie in solchen Fällen die Haftung der Online-Marktplatzbetreiber zu werten ist, ist unklar. Die Nutzungsbedingungen für die Online-Händler sollten jedenfalls entsprechend angepasst werden, damit Verbote und etwaige Regresse enthalten sind.

Unklar ist schließlich auch, wie das Verbot bzw. die hieraus resultierende Prüfpflicht in Bezug auf die derzeit bereits Abermillionen gelisteten Elektrogeräte auf den einschlägigen Online-Marktplätzen umgesetzt werden soll. Dasselbe gilt für ältere Elektrogeräte, deren Hersteller ggfs. gar nicht mehr existieren. Ausnahmen oder Sonderregelungen für diese Fälle sieht das neue ElektroG nicht vor. Die einzelne Prüfung jedes Angebots scheint jedenfalls praktisch kaum möglich.

Neue Pflichten für Online-Marktplatzbetreiber und Fullfillment-Dienstleister: Geltung und Sanktionen

Auch für die Online-Marktplatzbetreiber und die Fulfilment-Dienstleister drohen bei Verstößen gegen ihre neuen Pflichten neben den lauterkeitsrechtlichen Risiken Bußgelder von bis zu EUR 100.000. Allerdings wurde der Zeitpunkt, ab dem das Verbot bzw. die neue Pflicht gilt, in letzter Sekunde durch entsprechende Anträge der Koalitionsparteien noch nach hinten verschoben: Die neuen Pflichten gelten ab dem vom Bundestag beschlossenen Gesetzesentwurf nunmehr „erst“ ab dem 1. Janaur 2023. Angesichts des enormen Regelungs- und Anpassungsbedarfs kann selbst diese Frist als recht ambitioniert angesehen werden.

In der Serie „Environment and Climate Change″ sind wir eingegangen auf neue Gesetze im Energierecht, den Inhalt des 12. Deutschen Energiekongresses, haben uns mit dem Mieterstrom, mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes und der H2O-Politik und der Herstellerhaftung in Russland befasst sowie die Konsultation und das Feedback zur BNetzA-Konsultation Wasserstoffnetze dargestellt. Weiter beschäftigt haben wir uns mit der Wasserstoffstrategie, der Einwegkunststoffverbotsverordnung, dem „Green Deal″ sowie den Auswirkungen der EU-Taxonomie auf die Immobilienwirtschaft.

Mit der Einführung von verschiedenen Regelwerken in Deutschland und der EU wird der gesamte Bereich der digitalen Dienste grundlegend reformiert. Vom neuen Rechtsrahmen werden beinahe sämtliche Anbieter von digitalen Diensten erfasst, Adressaten sind insbesondere Plattformen wie Media PlatformsUser Interface Provider und Media Intermediaries als auch Market Places. Eine Übersicht über unser Beratungsangebot zum Bereich „Digital Regulation“ finden Sie hier.

Tags: ElektroG Informationspflicht Mitteilungspflicht Online-Händler Prüfpflicht Sustainability