Das Gesetz regelt u.a. Anforderungen an Unterkünfte, Dokumentationspflichten, hohe Bußgelder und – für die Fleischindustrie – ein Fremdpersonalverbot.
Nachdem die Bundesregierung im Mai 2020 ein Eckpunktepapier zum Schutze der Beschäftigten* – insbesondere in der Fleischindustrie – beschlossen hatte, ist das Arbeitsschutzkontrollgesetz zum 1. Januar 2021 in Kraft getreten.
Zur Erinnerung: Hintergrund der gesetzgeberischen Maßnahmen waren die Corona-Ausbrüche in der Fleischindustrie und die damit in die Öffentlichkeit gelangten Arbeits- und Unterkunftsbedingungen der in den Schlachthöfen eingesetzten Beschäftigten. Der Gesetzgeber nahm dies zum Anlass, weitere Verschärfungen der Arbeitsschutzvorschriften für alle Branchen vorzunehmen. So betreffen die neuen Vorgaben zu Mindestanforderungen an die Gestaltung von Unterkünften und die erhöhten Bußgelder bei Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz Arbeitgeber aller Branchen. Die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften soll zudem durch vermehrte Besichtigungen der Betriebe sichergestellt werden.
Im Entwurf des Arbeitsschutzkontrollgesetzes waren bereits zahlreiche Aspekte genannt. Nachfolgend gehen wir ergänzend insbesondere auf die wesentlichen gesetzlichen Neuerungen und die Änderungen ein, die während des Gesetzgebungsverfahrens Eingang in das Gesetz gefunden haben.
Insgesamt große Übereinstimmungen zwischen Regierungsentwurf und Gesetzestext
Der Regierungsentwurf ist im Wesentlichen unverändert übernommen worden. Insbesondere die geplanten Änderungen zur Mindestbesichtigungsquote in allen Branchen in Höhe von 5 % durch die zuständigen Landesbehörden wurden im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) eingefügt.
Neu gegenüber dem Regierungsentwurf ist, dass ab dem 1. Januar 2023 die Ergebnisse der Betriebsbesichtigung auch an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermittelt werden, § 21 Abs. 3a ArbSchG. Damit soll der Gleichlauf der Kontrollfunktionen zwischen den Ländern und Versicherungsträgern besser abgestimmt sowie doppelte Überprüfungen vermieden werden. Übermittelt werden allgemeine Daten über den betroffenen Betrieb und die Prüfung, nicht jedoch Angaben über konkrete Einzelfälle.
Die Anforderungen an Unterkünfte für Arbeitnehmer und die entsprechenden Dokumentationspflichten sind vollständig aus dem Regierungsentwurf übernommen worden – nach wie vor fehlt allerdings eine Konkretisierung. Klargestellt wurde, dass auch solche Unterkünfte erfasst werden, die nicht nur befristet für die Anstellung zur Verfügung gestellt werden, sondern zeitlich auch darüber hinaus. Im Rahmen der Bußgeldvorschriften wurde ergänzt, dass auch das nicht oder nicht rechtzeitige Zurverfügungstellen der Unterkunft sanktioniert wird (§ 9 Nr. 4a ArbeitsstättenVO).
Eine gute Übersicht zum aktuellen Stand der Anforderungen an die Sammelunterkünfte bietet die Website des Hauptzollamtes (Zoll online – Anforderungen an Unterkünfte – Anforderungen an Unterkünfte).
Weitreichende Dokumentationspflichten für Arbeitgeber in unveränderter Fassung übernommen
Neben der Dokumentationspflicht für die Gemeinschaftsunterkünfte für alle Branchen unterliegt die Fleischindustrie seit dem 1. Januar 2021 weiteren Mitwirkungs- und Duldungspflichten, die sich aus § 6b des Gesetzes zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) in Verbindung mit den einschlägigen Vorschriften der dort aufgeführten Gesetze (insbesondere das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz) ergeben. Die Vorschläge der Bundesregierung und die bußgeldrechtlichen Verschärfungen sind insoweit vollständig vom Gesetzgeber übernommen worden.
Angepasst ist die Form der Aufzeichnung der relevanten Daten: Die Arbeitszeiten sind zukünftig elektronisch, manipulationssicher zu erfassen und elektronisch aufzubewahren, § 6 Abs. 1 S. 1 GSA Fleisch. Nach § 6 Abs. 2 GSA Fleisch gelten in der Fleischindustrie auch die notwendigen Vor- und Nachbereitungszeiten als Arbeitszeit.
Von den Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten wird lediglich das Fleischerhandwerk ausgenommen. Hierzu gehören Betriebe, deren Tätigkeiten in der Fleischwirtschaft handwerksmäßig betrieben werden, das Unternehmen in die Handwerksrolle oder in das Verzeichnis des zulassungsfreien Handwerks oder handwerksähnlichen Gewerbes eingetragen ist und die in der Regel nicht mehr als 49 Beschäftigte beschäftigt. Damit sind regelmäßig die örtlichen Metzgereien von den Regelungen ausgenommen. Die Formulierung im neuen Gesetz wurde dahingehend abgeschwächt, dass Auszubildende und solche Arbeitnehmer, die ausschließlich im Verkauf tätig sind, für das Erreichen des Grenzwertes nicht mitgezählt werden.
Anpassungen im Arbeitszeitgesetz und bei sozialrechtlichen Vorschriften
Die Änderungsvorschläge zum Arbeitszeitgesetz wurden größtenteils übernommen. Das Gesetz sieht in der verabschiedeten Fassung vor, dass die zuständigen Behörden auf die erhobenen Daten zur Arbeitszeiterfassung künftig einfacher und erweitert zugreifen können. Insoweit ist die Einsichtnahme in Unterlagen möglich, die unmittelbar und mittelbar Auskunft über die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften geben. Mit der Änderung sollen insbesondere Kontrolllücken geschlossen werden.
Es bleibt beim (stufenweisen) Verbot von Fremdpersonaleinsatz in der Fleischindustrie
Schwerpunkt und Kern des Regierungsentwurfes war die Einführung eines abgestuften Verbotes des Fremdpersonaleinsatzes in der Fleischwirtschaft. Trotz erheblicher verfassungsrechtlicher Bedenken und Einwände der Fachverbände ist dieses Verbot nunmehr gesetzlich geregelt. Von dem Verbot ausgenommen sind wiederum lediglich Betriebe des Fleischerhandwerks.
Damit wird die Beschäftigung von Arbeitnehmern, die nicht im Arbeitsverhältnis zum Inhaber des Schlacht- und Zerlegebetriebes stehen, und der Einsatz von Selbstständigen ab dem 1. Januar 2021 ebenso verboten wie die Arbeitnehmerüberlassung in Schlacht- und Zerlegebetriebe – letztere ab dem 1. April 2021. Bis zum 31. März 2024 besteht nur noch unter sehr engen Voraussetzungen die Möglichkeit, bei tarifgebundenen Unternehmen Leiharbeitnehmer einzusetzen, § 6a Abs. 3 GSA Fleisch. Ein solcher Einsatz ist zulässig, soweit die Leiharbeitnehmer einen Anteil von maximal 8 % des von eigenen Arbeitnehmern erbrachten jährlichen Arbeitszeitvolumen erbringen und zugleich im Bereich der Fleischverarbeitung das Arbeitszeitvolumen von 100 in Vollzeit beschäftigten eigenen Arbeitnehmern nicht überschritten wird. Sofern von der Ausnahme Gebrauch gemacht wird, muss vor Einsatz des Fremdpersonals und nach dessen Beendigung eine Anzeige bei der zuständigen Zollverwaltung erfolgen. Zweck dieser (befristeten) Ausnahme ist, Auftragsspitzen abfangen zu können. Abweichend von § 1 Abs. 1b AÜG darf derselbe Leiharbeitnehmer daher nicht länger als vier aufeinander folgende Monate bei demselben Unternehmen tätig werden. Zwischen jeder Überlassung müssen zudem mindestens sechs Monate liegen. Ab dem ersten Tag gelten die gleichen Arbeitsbedingungen. Die im AÜG geregelten Ausnahmemöglichkeiten vom Gleichstellungsgrundsatz finden keine Anwendung.
Auch die gemeinsame Führung eines Betriebes oder einer übergreifenden Organisation durch zwei oder mehrere Unternehmer seit dem 1. Januar 2021 unzulässig, § 6a Abs. 1 S. 2 GSA Fleisch. Sämtliche überbetrieblichen, nicht notwendigerweise räumlich zusammenhängenden Produktionsverbünde mit aufeinander abgestimmter Verarbeitung werden erfasst und untersagt.
In wie vielen Betrieben dies zu kurzfristigen Umstrukturierungs- und Personalanpassungsmaßnahmen führen wird, ist nicht abzusehen. Die eingeführten Einschränkungen zum Fremdpersonaleinsatz sollen im Jahre 2023 durch das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales bewertet werden.
Sofortiger Umsetzungsbedarf für betroffene Betriebe
Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Januar 2021 müssen Arbeitgeber kurzfristig aktiv werden, soweit dies nicht bereits präventiv geschehen ist. Gerade mit Blick auf die drohenden Bußgelder und die verstärkte Kontrolle durch Besichtigungen der für Arbeitsschutz zuständigen Behörden und durch das Hauptzollamt gilt es zu prüfen, welche Maßnahmen in den Betrieben umgesetzt werden müssen, um den neuen Vorgaben zu entsprechen.
Ob allerdings das Gesetz den (verfassungs-)rechtlichen Anforderungen genügt, ist Prüfungsgegenstand gerichtlicher Kontrolle. Zahlreiche Unternehmen haben zum Jahreswechsel einstweiligen Rechtsschutz beim Bundesverfassungsgericht angestrengt, damit das Gesetz nicht in Kraft tritt. Mit Beschluss vom 29. Dezember 2020 hat die 3. Kammer die Anträge auf einstweilige Anordnung einstimmig zurückgewiesen und auf den vorrangigen Rechtsweg bei den Fachgerichten verwiesen. Jedenfalls drohten den betroffenen Unternehmen – nach Auffassung der obersten Richter – keine irreversiblen oder gravierenden Rechtsfolgen, die im Rahmen einer Interessenabwägung zur Annahme eines einstweiligen Rechtsschutzes wesentlich überwiegen würden.
Die spannende Frage, ob das Gesetz insgesamt den strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen gerechtfertigten Grundrechtseingriff genügt, ist damit noch unentschieden. Dies wird Gegenstand des ordentlichen Verfassungsbeschwerdeverfahrens sein (also nicht vorab im Eilverfahren entschieden).
*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.
In unserer Serie „Social and Human Rights″ sind wir eingegangen auf das Arbeitsschutzkontrollgesetz und den entsprechenden Gesetzesentwurf sowie auf die Schutzvorschriften in der Fleischwirtschaft. Ebenfalls eingegangen sind wir auf Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette und diesbezügliche Regelungen im Ausland wie der Schweiz. Gleichermaßen ein Thema waren (Psychischen) Belastungen am Arbeitsplatz.