19. Oktober 2020
Hinweispflicht Personalized Pricing
Verbraucherverträge im Digitalzeitalter Commercial

Künftig Hinweispflicht bei Personalized Pricing

Onlinehändler müssen Verbraucher künftig darauf hinweisen, wenn sie personalisierte Preise einsetzen.

Jeder kennt es: Man sucht online nach einem neuen Handy, und da man natürlich das beste Handy zum möglichst günstigsten Preis haben will, vergleicht man mehrere Angebote miteinander und switcht von Anbieter zu Anbieter. Oft kann eine solche Entscheidung nicht bei der ersten Suche getroffen werden und man wiederholt die Suche einige Tage später. Und siehe da, jetzt erscheint das Handy bei einem der Anbieter plötzlich EUR 50 günstiger als beim letzten Mal.

Was sind personalisierte Preise?

Der neue Preis ist aber unter bestimmten Umständen nicht der, der jedem Kunden angezeigt wird, sondern ein auf sie zugeschnittener, personalisierter Preis. Bei personalisierten Preisen wird nach verschiedenen personenbezogenen Kriterien, wie z.B. dem genutzten Gerät, dem Wohnort, dem bisherigen Kaufverhalten oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kunden- und Zielgruppe, mithilfe von Algorithmen ein individueller Preis ermittelt. Diese Vorgehensweise hilft Händlern dabei, Preise anzubieten, die die Kunden auch zu zahlen bereit sind.

Vorteile für Händler, Gefahren für Verbraucher

Bringt dieser Preissetzungsmechanismus Händlern einige Vorteile, so birgt er auf der anderen Seite Nachteile für den Verbraucher. Diesem fällt es durch die sich ändernden Preise schwerer, verschiedene Angebote zu vergleichen. Damit nimmt auch insgesamt die Markttransparenz ab. Jeder Verbraucher läuft Gefahr, sich nur noch in seinem individuellen Preisspektrum zu bewegen, ohne die Gesamtsituation überblicken zu können. Zwar sorgte der personalisierte Preis im oben genannten Beispiel für einen letztlich niedrigeren Preis, die Personalisierung kann aber für bestimmte, z.B. besonders kaufkräftige Gruppen, auch zu höheren Preisen führen. Dies gab es bisher bereits zu als Phänomen zu beobachten, wenn man Angebote von verschiedenen Endgeräten aus aufgerufen hat, wobei oftmals der Preis bei einem Abruf über beispielsweise ein iPad höher war als beim Abruf über einen Desktop-PC.

Bisherige Rechtslage zur Preisbildung und Preisinformation

Unternehmen steht es grundsätzlich frei, wie sie ihre Preise gestalten. Nur unter bestimmten Voraussetzungen ergeben sich hier Einschränkungen: So gelten bei der Einbeziehung personenbezogener Daten die Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), einschließlich der Informations- und Transparenzpflicht bei der Erhebung persönlicher Daten (Art. 13, 14 DSGVO).

Weiterhin ist nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz eine Preisbildung anhand der Kriterien des § 19 AGG verboten. Darunter fällt beispielsweise eine Diskriminierung auf Grundlage der Religion, des Geschlechts oder der ethnischen Herkunft des Kunden.

Für Unternehmen, die eine marktbeherrschende Stellung oder überlegene Marktmacht innehaben, können sich darüber hinaus auch kartellrechtliche Einschränkungen bei der Preisgestaltung ergeben.

Vorgaben zur Preisauszeichnung finden sich für Unternehmer mit B2C-Geschäft zum einen in der deutschen Preisangabenverordnung. Für Fernabsatzgeschäfte mit Verbrauchern sehen die entsprechenden Regelungen des BGB (in Umsetzung der europäischen Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU) zusätzlich vor, dass vor Vertragsschluss der Gesamtpreis der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen einschließlich aller Steuern und Abgaben sowie ggf. alle zusätzlich anfallenden Kosten angegeben werden müssen. Im Onlinehandel müssen diese Informationen auch unmittelbar vor Abgabe der Bestellung durch den Verbraucher in der Bestellübersicht noch einmal in hervorgehobener Weise zur Verfügung gestellt werden.

Änderungen durch den „New Deal for Consumers“ und Folgen für den Warenhandel

Trotz bestehender Regelungen erscheint die Situation für den Verbraucher immer noch unübersichtlich, da letztlich nur die DSGVO einen gewissen Grad an Individualschutz liefern kann. Deshalb hat der EU-Gesetzgeber in diesem Bereich Handlungsbedarf gesehen. Durch die im Rahmen der Gesetzgebungsinitiative „New Deal for Consumers“ erlassene Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union (RL (EU) 2019/216) sollen Händler künftig verpflichtet werden, Verbrauchern gegenüber die Verwendung personalisierter Preise offenzulegen.

Hinweispflicht bei personalisierten Preisen

Die Richtlinie ändert Artikel 6 der Verbraucherrechte-Richtlinie dahingehend ab, dass Unternehmer, die online Verträge mit Verbrauchern abschließen, künftig zusätzlich eindeutig darauf hinweisen müssen, wenn ein angegebener Preis personalisiert worden ist, damit die (potentiellen) Kunden dies bei ihrer Kaufentscheidung berücksichtigen können. Die Richtlinie soll also nicht den Einsatz personalisierter Preise verhindern, sondern die Verbraucher insoweit lediglich sensibilisieren und informieren. Die Offenlegungspflicht gilt zumindest dann, wenn die Preise mittels einer automatisierten Grundlage zur Entscheidungsfindung oder durch Profiling personalisiert wurden.

Automatisierte Entscheidungen beruhen auf automatischer Datenverarbeitung ohne menschliches Eingreifen. Hierbei wird durch einen automatischen Prozess auf übermittelte, erhobene oder aus einem bestehenden Profil hergeleitete Daten zugegriffen.

Beim Profiling werden persönliche Aspekte analysiert, um Vorhersagen zu treffen, z.B. zum Kaufverhalten. Dabei werden Eigenschaften (z.B. Alter oder Geschlecht) gesammelt, bewertet und eine Einordnung in Kategorien vorgenommen. Das könnten dann beispielsweise Kategorien von „wenig kaufkräftig“ bis „sehr kaufkräftig“ in Bezug auf bestimmte Artikel sein. Für Profiling genügt es also nicht, wenn ein Unternehmer seine Käufer lediglich in Kategorien für statistische Zwecke einteilt. Die Unterteilung muss vielmehr das Ziel haben, konkrete Vorhersagen zu treffen.

Hinweis genügt, Details zur Preisbildung müssen nicht genannt werden

Aus der Richtlinie folgt aber nicht die Pflicht des Händlers zur Offenlegung von Details zur Preisbildung. Für die Verbraucher muss lediglich transparent sein, ob der angezeigte Preis speziell auf ihn abgestimmt wurde. Im Wortlaut der Richtlinie lässt sich erkennen, dass sich der europäische Gesetzgeber den Vorteilen personalisierter Preise für Unternehmer durchaus bewusst ist. Er merkt an, dass Unternehmer dadurch insbesondere die Kaufkraft ihrer Kunden bewerten und kritisiert dieses Vorgehen im Allgemeinen auch nicht. Die Käufer sollen jedoch den Umstand, dass Preise personalisiert wurden erkennen und bei ihrer Entscheidung berücksichtigen können.

Dynamic Pricing bleibt auch ohne Hinweis erlaubt

Die Richtlinie erfasst nur personalisierte Preise, nicht jedoch Mechanismen, die diesen ähnlich erscheinen. So sind z.B. dynamische Preise oder Preissetzung in Echtzeit nicht Gegenstand der Richtlinie. Auch hier ist der Preis nicht festgeschrieben, die konkrete Preissetzung orientiert sich jedoch am Marktgeschehen und nicht an der einzelnen Person. Die Preise werden dabei anhand bestimmter Kriterien, wie Angebot und Nachfrage, Lagerbestand, Wettbewerbsbeobachtung, Such- und Kaufverhalten der Kunden, Tageszeit etc. mittels Algorithmen angepasst. Dies ermöglicht es Unternehmern, die Preise flexibel an eventuelle Marktveränderungen anzupassen.

Konkrete Umsetzung durch die Mitgliedstaaten bis 2021

Wie konkret die Offenlegungspflicht bei der Verwendung personalisierter Preise letztlich erfüllt werden muss, ist dem Wortlaut der Richtlinie nicht zu entnehmen. Dieser sieht lediglich vor, dass entsprechende Hinweise „in klarer und verständlicher Weise“ erfolgen müssen. In Bezug auf die Einzelheiten sind nun allerdings die Gesetzgeber der einzelnen Mitgliedsstaaten gefragt. Sie müssen die neuen Anforderungen bis zum 28. November 2021 in nationales Recht umsetzen und die daraufhin erlassenen Rechtsvorschriften ab dem 28. Mai 2022 anwenden.

Inhaltlich bleibt ihnen dabei kein großer Spielraum, da die Verbraucherrechte-Richtlinie eine Vollharmonisierung des von ihr geregelten Bereichs vorsieht. Dies bedeutet, dass die Mitgliedsstaaten grundsätzlich keine von den Vorgaben der Richtlinie abweichenden Vorschriften erlassen dürfen – dies gilt auch für strengere Regelungen zugunsten der Verbraucher.

In Bezug auf die Informationspflichten im Fernabsatz, zu denen nun auch die Offenlegungspflicht bei der Verwendung personalisierter Preise gehört, erlaubt die Richtlinie den Mitgliedsstaaten allerdings, konkrete sprachliche Anforderungen (z.B. in Form einer verpflichtenden Formulierung) aufzustellen, wenn hierdurch sichergestellt werden soll, dass die Angaben von den Verbrauchern ohne Weiteres verstanden werden.

Umsetzung für Deutschland bislang offen

Bislang ist noch nicht absehbar, wie der deutsche Gesetzgeber die neue Hinweispflicht ausgestalten wird. Es ist allerdings zu vermuten, dass er eine entsprechende Regelung in Art. 246a EGBGB aufnehmen wird, mit dem auch die bisherigen Vorgaben der Verbraucherrechte-Richtlinie zu Informationspflichten im Fernabsatz umgesetzt wurden.

Übernimmt er lediglich die allgemein gehaltenen Angaben der Richtlinie, wäre es denkbar, dass die erforderliche Offenlegung bereits durch einen einfachen Hinweis, wie

Die angegebenen Preise können sich von Kunde zu Kunde auf der Grundlage einer automatisierten Entscheidungsfindung unterscheiden.

erfüllt werden kann. Macht er hingegen von der Möglichkeit Gebrauch, eine bestimmte Formulierung vorzugeben, muss diese verwendet werden.

Bei Verstößen drohen hohe Bußgelder

Onlinehändler, die personalisierte Preise einsetzen oder diese Möglichkeit künftig in Betracht ziehen, sollten die Entwicklung in jedem Fall verfolgen, um ihre bisherige Praxis ggf. rechtzeitig anpassen zu können. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Verstöße gegen die Verbraucherrechte-Richtlinie – und somit auch ein Verstoß gegen die neue Offenlegungspflicht bei Personalized Pricing – künftig mit hohen Bußgeldern geahndet werden sollen.

In unserer Blogserie „Verbraucherverträge im Digitalzeitalter″ zeigen wir auf, wie die Maßnahmenpakete der EU das europäische Verbraucherschutzrecht fit für das Digitalzeitalter machen sollen. Im ersten Teil beschäftigen wir uns mit den hohen Bußgeldern für Unternehmer, im zweiten Teil mit Bußgeldern bei Verletzungen von Verbraucherschutzvorschriften und Lauterkeitsrecht. Anschließend haben wir uns mit den Änderungen im BGB und den neuen Regelungen der Warenkaufrichtlinie beschäftigt. Zuletzt sind wir auf Personalized Pricing und Dual Quality Verbot eingegangen. 

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