20. März 2018
GroKo Steuer
Steuerrecht

Welche Steueränderungen sind durch die GroKo zu erwarten?

Die GroKo nimmt so langsam Fahrt auf. Auch wenn auch Steueränderungen auf dem Plan stehen, sind gravierende Neuerungen nicht zu erwarten.

Inzwischen haben sowohl CDU/CSU als auch die SPD-Basis dem am 7. Februar 2018 nach langen Verhandlungen veröffentlichten Entwurf des Koalitionsvertrags mit dem Titel „Ein neuer Aufbruch für Europa – Eine neue Dynamik für Deutschland – Ein neuer Zusammenhalt für unser Land″ zugestimmt. Am 12. März 2018 wurde er unterschrieben.

Der 177 Seiten lange Vertrag enthält zwar sehr viele Hinweise auf denkbare Steueränderungen, jedoch sind gravierende Neuerungen nicht zu erwarten. Teilweise handelt es sich um Absichtserklärungen („wollen″), reine Prüfaufträge („prüfen″) und teilweise um echte Handlungsanweisungen („werden″).

Übergeordnete Inhalte – Bekämpfung von Steuerbetrug und Vermeidung von Mehrbelastungen

Als allgemeine übergeordnete Ziele nennt der Vertragsentwurf u.a. die Bekämpfung von Steuerdumping, -betrug, -vermeidung und Geldwäsche gleichermaßen international und in der EU. Zudem will sich die GroKo zunehmend der Unterstützung einer gerechten Besteuerung großer Konzerne widmen, gerade auch im Hinblick auf „Internetkonzerne wie Google, Apple, Facebook und Amazon„. Steuervereinfachung wird als Daueraufgabe benannt. Bürokratie soll abgebaut werden.

Wesentliche Aussage des Koalitionsvertrags ist, dass es für die Bürger nicht zu einer Erhöhung der Steuerbelastung kommen soll. Ob dies gleichbedeutend damit ist, dass Steuererhöhungen grundsätzlich ausgeschlossen sind oder dass die Steuerlast insgesamt nicht steigen wird – dennoch jedoch Steuererhöhungen und Steuersenkungen an verschiedenen Stellen denkbar sind – ergibt sich hieraus nicht.

Gemeinsame, konsolidierte (europäische) Bemessungsgrundlage

Die Koalitionsparteien unterstützen eine gemeinsame, konsolidierte Bemessungsgrundlage und Mindestsätze bei den Unternehmenssteuern. Mit Frankreich zusammen soll eine europäische Antwort auf internationale Veränderungen und Herausforderungen in diesem Bereich gegeben werden.

Angesprochen ist hier ausdrücklich die USA – es dürfte die erst vor kurzem erfolgte Steuerreform gemeint sein. Die Idee einer gemeinsamen konsolidierten Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer („GKKB″) besteht bereits seit 2011. Erst Ende 2016 wurden hierzu zwei EU-Richtlinien erlassen. Bis zu einer Verabschiedung dürfte es allerdings noch ein weiter Weg sein. Denn der Erfolg der Umsetzung hängt insbesondere auch davon ab, dass alle EU-Mitgliedstaaten den Richtlinien zustimmen und sich an der Umsetzung beteiligen.

Umsetzung der EU-Anti-Steuervermeidungsrichtlinie im Interesse Deutschlands

Die Verpflichtungen aus der EU-Anti-Steuervermeidungsrichtlinie („ATAD″) sollen im Interesse des Standorts Deutschland umgesetzt werden. Dazu soll die Hinzurechnungsbesteuerung zeitgemäß ausgestaltet, Hybridregelungen ergänzt und die Zinsschranke anpasst werden. Zur Anpassung der Hinzurechnungsbesteuerung und der Hybridregelungen ist bereits eine Arbeitsgruppe eingesetzt.

Die OECD-BEPS-Verpflichtungen sowie -Empfehlungen sollen weltweit möglichst breit implementiert und hierdurch faire steuerliche Wettbewerbsbedingungen für grenzüberschreitende unternehmerische Tätigkeiten geschaffen werden. Hierbei wird auf internationalen Konsens gesetzt.

Abschaffung der Abgeltungsteuer auf Zinserträge

Die Abgeltungsteuer auf Zinserträge soll mit der Etablierung des automatischen Informationsaustausches abgeschafft werden. Damit wird die Steuerbelastung auf Zinserträge gegenüber der Steuerbelastung von anderen Kapitalanlagen in vielen Fällen steigen. Der im Koalitionsvertrag als „Daueraufgabe″ genannten Steuervereinfachung widerspricht, dass die durch die Abgeltungssteuer für den Großteil der Kapitalanleger sehr vereinfachte Ermittlung der Kapitalerträge deutlich komplizierter und der Bürokratieaufwand höher werden wird.

Zudem wird im Hinblick auf die Nachsteuerrendite erhöhter Beratungsaufwand erforderlich werden. Um Umgehungsmöglichkeiten und keine zu großen Brüche hinsichtlich der Steuersystematik zu vermeiden, ist es kaum denkbar, dass nur die Abgeltungsteuer auf die Zinserträge abgeschafft werden wird. Es ist eher wahrscheinlich, dass die Abgeltungsteuer für alle Kapitalerträge mit Ausnahme von Dividenden und wahrscheinlich Veräußerungsgewinnen von Aktien nicht mehr zur Anwendung kommen wird. Es bleibt zu hoffen, dass wie vor Einführung der Abgeltungsteuer ein Werbungskostenabzug wieder möglich sein wird.

Schrittweise Abschaffung des Solidaritätszuschlags

Der Solidaritätszuschlag soll schrittweise abgeschafft werden. Ab dem Jahr 2021 sollen 90% aller Zahler des Solidaritätszuschlags durch Einführung einer Freigrenze (mit Gleitzone) vollständig vom Solidaritätszuschlag entlastet werden. Das Entlastungsvolumen soll zu Beginn EUR 10 Mrd. betragen.

Einführung einer Finanztransaktionssteuer

An dem bereits seit einigen Jahren bestehenden Ziel der Einführung einer Finanztransaktionsteuer im europäischen Kontext wird festgehalten. Hierzu berichten wir in einem besonderen Blog-Beitrag.

Änderungen bei der Grundsteuer unumgänglich

Änderungen bei der Grundsteuer werden bereits verfassungsrechtlich notwendig werden. Nach dem Koalitionsvertrag soll die Grundsteuer auf eine „feste Basis″ gestellt werden. Konkretere Ausführungen dazu, wie dies umgesetzt werden soll, sind im Koalitionsvertrag allerdings noch nicht enthalten.

Änderungen bei der Grunderwerbsteuer – Senkung der 95%-Grenze ?

Im Hinblick auf die grunderwerbsteuerlichen Regelungen bei Share Deals soll nach Abschluss der Prüfarbeiten einer bereits im letzten Jahr durch Bund und Länder eingesetzten Arbeitsgruppe eine effektive und rechtssichere gesetzliche Regelung umgesetzt werden. So sollen missbräuchliche Steuergestaltungen bei der Grunderwerbsteuer beendet werden. Es ist damit zu rechnen, dass die 95%-Grenze für das Vorliegen eines grunderwerbsteuerbaren Vorgangs deutlich gesenkt wird.

Bei der Grunderwerbsteuer soll ein Freibetrag beim erstmaligen Erwerb von Wohngrundstücken durch Familien geprüft werden.

Sonderabschreibung zur Förderung des Mietwohnneubaus

Zur Förderung des Wohnungsbaus im bezahlbaren Mietsegment soll bis Ende des Jahres 2021 eine befristete Sonder-Abschreibung für den Mietwohnungsneubau eingeführt werden. Zusätzlich zur linearen Abschreibung sollen 5% Abschreibung über 4 Jahre möglich sein. Damit werden Investitionen in den Mietwohnneubau trotz der hohen Grundstückspreise attraktiver.

Förderung der Energieeffizienz und der E-Mobilität

Zur Schaffung von Anreizen für emissionsarme Mobilität soll die pauschale Dienstwagenbesteuerung für E-Fahrzeuge mit nur 0,5% (statt wie bei anderen Fahrzeugen mit 1%) ermittelt werden. Für gewerblich genutzte Elektrofahrzeuge soll eine auf fünf Jahre befristete Sonder-Abschreibung von 50% im Jahr der Anschaffung eingeführt werden. Schließlich soll die energetischen Gebäudesanierung gefördert werden. Hierzu ist ein Wahlrecht zwischen einer Zuschussförderung oder einer Reduzierung des zu versteuernden Einkommens vorgesehen.

Weitere geplante Steuerentlastungen und Steueränderungen

Wie bisher soll im Zwei-Jahres-Rhythmus die kalte Progression überprüft und der Einkommensteuertarif ggf. angepasst werden.

Zur Förderung des ehrenamtlichen Engagements sind steuerliche Entlastungen vorgesehen.

Das Gemeinnützigkeitsrecht soll verbessert und das Stiftungsrecht auf Grundlage der Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Stiftungsrecht“ geändert werden.

Neben den genannten sind viele weitere Vorhaben erwähnt: die steuerliche Förderung der Forschung, steuerliche Anreize zur Mobilisierung von Wagniskapital, die angemessene Besteuerung der digitalen Wirtschaft, die europaweite Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes bei gewerblich gehandelten Kunstgegenständen, die Optimierung der Erhebung und Erstattung von Einfuhrumsatzsteuer, sowie verschiedene Maßnahmen zum Bürokratieabbau und der Steuervereinfachung, wie z.B. die vorausgefüllte Steuererklärung (die allerdings bereits im letzten Koalitionsvertrag als Aufgabe festgelegt war).

Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs

Zur weiteren Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs beim Handel mit Waren im Internet sollen gesetzliche Regelungen geschaffen werden. So sollen Betreiberinnen und Betreiber von elektronischen Marktplätzen, die den Handel unredlicher Unternehmerinnen und Unternehmer über ihren Marktplatz nicht unterbinden, für die ausgefallene Umsatzsteuer in Anspruch genommen werden. Die Betreiberinnen und Betreiber werden künftig dazu verpflichtet, über die auf ihren Plattformen aktiven Händlerinnen und Händler Auskunft zu erteilen.

Steuerlicher Querverbund (kommunale Daseinsvorsorge)

Aufgrund der Bedeutung des steuerlichen Querverbundes für die Finanzierung kommunaler Daseinsvorsorge, will sich die GroKo weiterhin – gegebenenfalls auch durch Anpassung der relevanten Gesetze – für dessen dauerhaften Erhalt einsetzen.

Ausblick – Keine großen Änderungen im Bereich der Steuern

Inzwischen haben die Parteien den Koalitionsvertrag unterschrieben, so dass dieser für die laufende Legislaturperiode verbindlich werden wird. Trotz vieler Hinweise auf denkbare Steueränderungen, ist mit dem Koalitionsvertrag im Hinblick auf die steuerlichen Reglungen kein großer Wurf gelungen. Umfangreiche steuerliche Änderungen sind in der laufenden Legislaturperiode nicht zu erwarten. Zudem bleibt abzuwarten, ob und welche der geplanten bzw. beabsichtigten Regelungen von der neuen Bundesregierung tatsächlich umgesetzt werden.

Unsere Beitragsreihe informiert rund um die Pläne der GroKo in den verschiedenen Rechtsbereichen. Bereits erschienen sind Beiträge zu den allgemeinen Änderungen im Arbeitsrecht sowie speziell zur Zeitarbeit, zu den Auswirkungen der geplanten Einschränkung sachgrundloser Befristungen, zum Recht auf befristete Teilzeit und zu den Änderungen hinsichtlich flexibler und mobiler Arbeitsgestaltung. Weiter ging es mit einem Überblick über die von der GroKo im Koalitionsvertrag geplanten Maßnahmen zu den Themen Venture Capital, Start-ups und Unternehmensgründung. Wir haben einen Überblick über die Änderungspläne der GroKo im Steuerrecht gegeben sowie die Pläne einer Musterfeststellungsklage und eines Sanktionsrechts für Unternehmen beleuchtet. Neben einem Überblick übers Gesellschaftsrecht haben wir uns mit der SPE näher beschäftigt. Danach sind wir auf die Sitzverlegungsrichtlinie, die Reform des Personengesellschaftsrechts sowie die Grunderwerbsteuer bei Share Deals eingegangen. Zuletzt erschienen sind Beiträge zur Finanztransaktionsteuer und zu Änderungen im Kündigungsschutz hochbezahlter Bankangestellter.

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