Die Schaffung eines genehmigten Kapitals kann verschiedene Zwecke verfolgen und ist gerade für schnell wachsende Start-ups häufig unverzichtbar.
Die Möglichkeit der Finanzierung durch genehmigtes Kapital stammt ursprünglich aus dem Aktienrecht. Seit der Reform des GmbH-Rechts durch das MoMiG im Jahr 2008 kann das genehmigte Kapital jedoch auch für Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH oder UG beschlossen werden.
Der Hauptzweck besteht darin, die Finanzierung der Gesellschaft zu erleichtern, indem ihr rasch neues Eigenkapital zugeführt werden kann. Bei VC-finanzierten Start-ups wird genehmigtes Kapital zunehmend eingesetzt, um das weitere Wachstum zu finanzieren.
Häufig erfolgt die Schaffung eines genehmigten Kapitals auch zur satzungsmäßigen Abbildung von Wandlungsrechten bei der Ausgabe von Wandeldarlehen (sog. Convertible Loans) oder zur Absicherung der späteren Aufnahme von bestimmten Investoren (etwa bei einem Second Closing).
Ausgangspunkt: Finanzierung durch ordentliche Kapitalerhöhung
Üblicherweise erhält ein Start-up neues Eigenkapital, indem die Gesellschafter im Rahmen einer Finanzierungsrunde eine ordentliche Kapitalerhöhung beschließen, bei der neue Geschäftsanteile der Gesellschaft ausgegeben werden. Zur Übernahme dieser neu geschaffenen Anteile werden dann ausgewählte Business Angels oder VC-Investoren zugelassen, die als Gegenleistung einen entsprechenden Geldbetrag an die Gesellschaft zahlen. Der Gesellschafterbeschluss über die Erhöhung des Stammkapitals muss dabei mit einer qualifizierten ¾-Mehrheit beschlossen und notariell beurkundet werden. Schließlich muss die Kapitalerhöhung zum Handelsregister angemeldet und dort auch eingetragen werden, damit sie wirksam wird.
Diese Form der Finanzierung funktioniert gut, solange der Gesellschafterkreis des Start-ups überschaubar ist und der für die Kapitalerhöhung erforderliche Gesellschafterbeschluss ohne großen zeitlichen, finanziellen und organisatorischen Aufwand getroffen werden kann.
Risiko: „Lähmung“ durch großen Gesellschafterkreis
Hat das Start-up bereits eine oder mehrere Finanzierungsrunden hinter sich, in denen sich Business Angels oder VC-Investoren mit Eigenkapital beteiligt haben, ist der Kreis der Gesellschafter aber mitunter schon so groß, dass Gesellschafterbeschlüsse nicht mehr mit der erforderlichen Schnelligkeit getroffen werden können. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Beteiligungsdokumentation kein Stimmrechtspooling der kleineren Investoren vorsieht oder zum Kreis der Gesellschafter auch internationale Geldgeber gehören. Unter diesen Vorzeichen kann die Durchführung einer ordentlichen Kapitalerhöhung zu umständlich sein oder zu lange dauern. Gerade für wachstumsorientierte Start-ups ist die schnelle und flexible Finanzierung des weiteren Wachstums aber häufig überlebenswichtig: Die Konkurrenz ist groß und nur das Start-up mit der stärksten Marktmacht setzt sich durch.
Lösung: Flexible Finanzierung durch Schaffung eines genehmigten Kapitals
Genau an diesem Punkt setzt die Finanzierung durch genehmigtes Kapital an. Der Vorteil gegenüber einer ordentlichen Kapitalerhöhung liegt darin, dass die Ausnutzung des genehmigten Kapitals – sofern dieses einmal ordnungsgemäß durch die Gesellschafter beschlossen wurde – keinen weiteren Gesellschafterbeschluss erfordert. Durch Schaffung eines genehmigten Kapitals können die Gesellschafter die Geschäftsführung des Start-ups vielmehr für die Zukunft, d.h. quasi auf Vorrat ermächtigen, unter bestimmten Voraussetzungen und innerhalb bestimmter Grenzen selbst über die Erhöhung des Stammkapitals durch Ausgabe neuer Geschäftsanteile an VC-Investoren zu entscheiden. So kann bei Bedarf zügig weiteres Eigenkapital eingesammelt werden.
Weitere Anwendungsfälle: Wandeldarlehen, Aufnahme bestimmter Investoren, Mitarbeiterbeteiligungsprogramme
Insbesondere durch die Kombination von genehmigtem Kapital und Wandeldarlehen wird die Geschäftsführung einer VC-finanzierten Gesellschaft in die Lage versetzt, Finanzierungsrunden schnell zum Abschluss zu bringen. Bei der Finanzierung über Wandeldarlehen gibt der VC-Investor dem Start-up zunächst ein fest verzinstes Darlehen. Gleichzeitig erhält der VC-Investor das Recht, das Darlehen unter bestimmten Voraussetzungen in Geschäftsanteile an der Gesellschaft zu wandeln. Die Wandlung erfolgt im Wege einer Kapitalerhöhung, bei der der Darlehensgeber zur Übernahme der neu geschaffenen Geschäftsanteile zugelassen wird. Die Einlage auf die neuen Geschäftsanteile erfolgt durch „Umbuchen“ des Darlehensbetrags in die freie Kapitalrücklage der Gesellschaft. In dieser Konstellation dient die Schaffung des genehmigten Kapitals dazu, die Wandlungsrechte der VC-Investoren aus der Ausgabe von Wandeldarlehen satzungsmäßig abzusichern. Auch bei der Gewährung von sogenannten Warrants, also Bezugsrechten auf Geschäftsanteile, in einer Venture Debt-Transaktion wird oft ein genehmigtes Kapital eingeführt.
Die Schaffung eines genehmigten Kapitals kann zudem den Zweck verfolgen, einen oder mehrere bestimmte Investoren außerhalb bzw. im Nachgang zu einer Finanzierungsrunde (Second Closing) aufzunehmen. Eine solche Gestaltung findet man beispielsweise manchmal im Zusammenhang mit Finanzierungsrunden, in denen sich neben einem VC-Investor als sog. Lead-Investor und eine öffentliche Förderbank als Co-Investor zu gleichen Konditionen wie der Lead-Investor an dem Start-up beteiligen möchte. Hintergrund ist, dass die Investitionsentscheidung öffentlicher Förderbanken oft intern unter einem Zustimmungsvorbehalt steht und die notwendigen Beschlüsse nicht immer zeitnah zur Finanzierungsrunde eingeholt werden können. Um die Finanzierungsrunde dennoch durchführen zu können, beteiligt sich im Rahmen der ordentlichen Kapitalerhöhung nur der Lead-Investor, gleichzeitig wird aber ein genehmigtes Kapital geschaffen und nur der Co-Investor zur Übernahme der bei Ausnutzung des genehmigten Kapitals neu geschaffenen Geschäftsanteile zugelassen.
Ein weiterer möglicher Anwendungsbereich des genehmigten Kapitals liegt in der Bedienung von echten, d.h. nicht nur virtuellen Optionsrechten aus einem Mitarbeiterbeteiligungsprogramm. Praktisch spielt dieser Anwendungsfall jedoch eine untergeordnete Rolle, da die meisten Mitarbeiterbeteiligungsprogramme bei VC-finanzierten Gesellschaften rein virtuell abgebildet werden. Dies bedeutet, den Mitarbeitern werden keine echten Optionsrechte eingeräumt, die durch genehmigtes Kapital bedient werden könnten, sondern die aufgrund des Mitarbeiterbeteiligungsprogramms gewährte Beteiligung an der Gesellschaft wird nur rechnerisch im Rahmen eines Exit-Szenarios berücksichtigt. Nur wenn beispielsweise die Mitglieder der Geschäftsführung oder bestimmte Mitarbeiter ausnahmsweise direkt an dem Start-up beteiligt werden sollen, bietet sich eine Absicherung dieser Optionsrechte über die Schaffung eines genehmigten Kapitals an.
Umsetzung: Anforderungen an den ermächtigenden Gesellschafterbeschluss
Das genehmigte Kapital ist in § 55a GmbHG verankert. Danach können die Gesellschafter die Geschäftsführer des Start-ups entweder in der Gründungssatzung oder durch einen späteren, satzungsändernden Gesellschafterbeschluss für eine bestimmte Zeit dazu ermächtigen, das Stammkapital der Gesellschaft gegen Bar- oder Sacheinlage durch Ausgabe neuer Geschäftsanteile bis zu einem bestimmten Nennbetrag zu erhöhen. Wichtig ist, dass das genehmigte Kapital selbst noch kein Stammkapital ist. Die Erhöhung des Stammkapitals tritt vielmehr erst ein, wenn die Geschäftsführer auf Basis der Ermächtigung einen entsprechenden Kapitalerhöhungsbeschluss gefasst haben, die neu ausgegebenen Anteile gezeichnet wurden und die Kapitalerhöhung im Handelsregister eingetragen worden ist.
Die Ermächtigung erfordert stets einen notariell beurkundeten Gesellschafterbeschluss, der mit einer qualifizierten ¾-Mehrheit beschlossen werden muss. Als Satzungsänderung ist die Schaffung eines genehmigten Kapitals zum Handelsregister anzumelden.
Schranken: Zwingende und fakultative Grenzen der Ermächtigung
Diese Ermächtigung der Geschäftsführung kann und sollte jedoch nicht schrankenlos erteilt werden. Der Gesellschafterbeschluss muss vielmehr zwingend konkrete Angaben dazu enthalten, um welchen Nennbetrag das Stammkapital durch Ausnutzung des genehmigten Kapitals maximal erhöht werden darf. Dabei darf der Höchstbetrag des genehmigten Kapitals nicht mehr als die Hälfte des zur Zeit der Ermächtigung vorhandenen Stammkapitals betragen. Außerdem muss der Gesellschafterbeschluss eine Frist vorsehen, innerhalb derer die Erhöhung des Stammkapitals zulässig sein soll. Die maximale Zeitspanne, für die die Geschäftsführung zur Durchführung der Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital ermächtigt werden kann, beträgt fünf Jahre. Entscheidend ist, dass die Kapitalerhöhung vor Ablauf dieser Frist in das Handelsregister eingetragen wurde. Eine Erhöhung des Stammkapitals gegen Sacheinlagen ist nur zulässig, wenn der ermächtigende Gesellschafterbeschluss dies ausdrücklich vorsieht. Bei der Abfassung des entsprechenden Gesellschafterbeschlusses ist zudem darauf zu achten, dass die Geschäftsführung im Zusammenhang mit der Ausnutzung des genehmigten Kapitals auch dazu ermächtigt wird, die Stammkapitalziffer im Gesellschaftsvertrag anzupassen.
Der Gesellschafterbeschluss kann die Ausnutzung des genehmigten Kapitals zudem an weitere, fakultative Voraussetzungen knüpfen. Bei VC-finanzierten Gesellschaften ist regelmäßig zu beobachten, dass der Geschäftsführung die Ermächtigung zur Ausschöpfung des genehmigten Kapitals nicht schrankenlos erteilt wird. Die weiteren Vorgaben der Gesellschafter variieren dabei je nach Zweck, der mit der Schaffung des genehmigten Kapitals verfolgt wird.
Verfolgt die Schaffung des genehmigten Kapitals das Ziel, einen oder mehrere bestimmte Investoren aufzunehmen, so ist diese Zweckbestimmung in den Gesellschafterbeschluss ausdrücklich aufzunehmen. Gleichzeitig muss klargestellt werden, dass das Bezugsrecht der übrigen Gesellschafter ausgeschlossen ist. Eine entsprechende Zweckbestimmung muss die Ermächtigung auch dann enthalten, wenn mit dem genehmigten Kapital Wandlungsrechte der VC-Investoren aus Wandeldarlehen oder Optionsrechte aus Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen bedient werden sollen.
Weiter kann der Ermächtigungsbeschluss Vorgaben im Hinblick auf die mit den neu ausgegebenen Geschäftsanteilen verbundenen Mitgliedschaftsrechte und -pflichten enthalten. So kann er z.B. vorsehen, dass die neu ausgegebenen Geschäftsanteile mit bestimmten Vorzugsrechten wie beispielsweise einem doppeltem Stimmrecht, bestimmten Gewinnbezugsrechten oder Liquidationspräferenzen ausgestattet werden. Derartige Regelungen werden jedoch häufig direkt in der Satzung oder der Gesellschaftervereinbarung verortet, der jeder neue Gesellschafter beitreten muss.
Die Ermächtigung der Geschäftsführung kann zudem dahingehend beschränkt werden, dass die Geschäftsführer nur zu einer einmaligen Ausnutzung des genehmigten Kapitals berechtigt sind, selbst wenn durch die Ausnutzung der Höchstbetrag des genehmigten Kapitals noch nicht erreicht wurde. Fehlt eine solche Begrenzung, steht es der Geschäftsführung frei, das genehmigte Kapital entweder vollständig in einer oder in mehreren einzelnen Tranchen auszunutzen.
Möglich und häufig sinnvoll ist schließlich eine Gestaltung, wonach die Ausnutzung des genehmigten Kapitals per se an die Zustimmung bestimmter VC-Investoren oder eines Beirats oder Gesellschafterausschusses geknüpft wird.
Ausnutzen der Ermächtigung: Durchführung der Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital
Ist das genehmigte Kapital einmal ordnungsgemäß beschlossen und eingetragen, kann die Geschäftsführung dieses durch einfachen Beschluss ausnutzen. Der Beschluss muss dabei zwingend die genaue Höhe festlegen, um den das Stammkapital durch Ausnutzung des genehmigten Kapitals erhöht werden soll. Anders als ein ordentlicher Kapitalerhöhungsbeschluss der Gesellschafter muss der Beschluss der Geschäftsführung über die Ausnutzung des genehmigten Kapitals nicht notariell beurkundet werden. Die Übernahme der neu ausgegebenen Geschäftsanteile muss hingegen – wie bei der ordentlichen Kapitalerhöhung – in notariell beglaubigter Form erfolgen. Die Durchführung der Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital ist sodann in öffentlich beglaubigter Form zum Handelsregister anzumelden und wird mit Eintragung wirksam.
Dies ist ein Beitrag aus unserer Blogserie „Venture Capital Basics“. Auch die verschiedenen Arten von Venture Capital Investoren sowie das Corporate Venture Capital haben wir bereits beleuchtet. Weitere Beiträge, wie Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Venture Capital & Private Equity, Finanzierungsarten für Start-ups und den Finanzierungsrunden sind gefolgt. Anschließend sind wir aufs Bridge Financing für Start-ups, auf den Ablauf eines Venture Capital Investments und das Term Sheet sowie die wichtigsten Vertragsdokumente einer VC-Beteiligung eingegangen. Zuletzt haben wir uns mit der Anti Dilution Protection, der Vinkulierung & Co sowie „RoFR″ und „Co-Sale″ beschäftigt.