25. Oktober 2019
Vorerwerbsrecht
Venture Capital

„RoFR″ und „Co-Sale″: Verkaufs-Mechanics bei Start-ups

Bei einem Verkauf von Start-up-Anteilen sind häufig Vorerwerbsrechte (engl. Rights of First Refusal) und Mitverkaufsrechte (engl. Co-Sale Rights) anwendbar.

Vorerwerbsrechte und Mitveräußerungsrechte gehören zum Standard-Repertoire der Gesellschaftervereinbarung oder des Gesellschaftsvertrags eines Start-ups. Wie im Beitrag zur „Vinkulierungsklausel″ näher erläutert, dienen diese Regelungen dazu, den Gesellschafterkreis eines Start-ups bis zum Exit stabil zu halten.

Vorerwerbsrechte: „Vielleicht kauf‘ ich die Anteile dann doch lieber selbst!″

Die Idee, im Gesellschafterkreis Vorerwerbsrechte auf Anteile zu vereinbaren, ist keine Besonderheit von Start-ups. Vielmehr ist diese Praxis auch in sonstigen Gesellschaften mit kleinerem Gesellschafterkreis weit verbreitet, z.B. in Familiengesellschaften. Die Regelung stellt einen Kompromiss zwischen einem „harten″ Veräußerungsverbot und freier Veräußerlichkeit der Anteile dar: Der Gesellschafter darf zwar über den Verkauf seiner Anteile entscheiden, muss aber damit leben, dass die Anteile bei Ausübung des Vorerwerbsrechts durch die Mitgesellschafter an diese gehen. Nur wenn die Mitgesellschafter ihr Vorerwerbsrecht nicht ausüben, darf der Gesellschafter seine Anteile an einen von ihm ausgewählten Interessenten veräußern.

Wichtig ist, dass die Bedingungen, zu denen der veräußerungswillige Gesellschafter seine Anteile veräußern darf, in beiden Fällen gleich sein müssen: Hat der Gesellschafter gegenüber den Mitgesellschaftern den beabsichtigten Verkauf an den Interessenten zu einem bestimmten Preis pro Anteil mitgeteilt, dürfen die Mitgesellschafter die Anteile zu eben diesem Preis erwerben (gleiches gilt für die Garantiebedingungen etc.). Machen die Mitgesellschafter von ihrem Vorerwerbsrecht nicht wirksam Gebrauch, kann der Gesellschafter die Anteile nur zu dem vorher genannten Preis pro Anteil und den vorher genannten Bedingungen – und binnen eines bestimmten Zeitlimits – an den Interessenten veräußern.

Kurzum: Es darf kein „foul play″ geben, bei dem der veräußerungswillige Gesellschafter zunächst die Vereinbarung eines „Mondpreises″ mit einem Interessenten behauptet – um die Zahlungswilligkeit der Mitgesellschafter auszutesten bzw. deren Vorerwerbsrecht auszuhebeln – und die Anteile dann später zu einem niedrigeren Wert an den Interessenten verkauft.

Auch ist zu vermeiden, dass es sich bei dem vermeintlichen Kaufangebot um ein vom veräußerungswilligen Gesellschafter über einen Strohmann (z.B. einen Verwandten oder eine verbundene Gesellschaft) orchestriertes „Scheinangebot″ handelt, um den Kauf der Anteile durch die Mitgesellschafter herauszufordern.

Der Mechanismus der Ausübung des Vorerwerbsrechts soll einerseits gerade diese „foul play″-Möglichkeiten ausschließen, andererseits die Veräußerung an den Interessenten auch nicht derart erschweren, dass sie dem veräußerungswilligen Gesellschafter unmöglich wird:

1. Schritt – Veräußerungsmitteilung

Der veräußerungswillige Gesellschafter hat die Mitgesellschafter über das Kaufangebot, das er erhalten hat, zu informieren, d.h. über die Identität des Interessenten, den Kaufpreis pro Anteil und die sonstigen Verkaufsbedingungen (z.B. Garantien).

Dabei wird zur Vermeidung eines „Scheinangebotes″ häufig gefordert, dass es sich beim Interessenten um einen Dritten handeln muss, der mit dem veräußerungswilligen Gesellschafter weder verwandtschaftlich noch konzernrechtlich verbunden ist.

Andererseits muss das Kaufangebot selbst nicht notariell beurkundet sein. Ein unterzeichnetes Term Sheet soll im Regelfall ausreichen. Denn kaum ein Interessent würde sich auf die (kostenintensive) Ausverhandlung eines notariellen Kaufangebotes einlassen, wenn die Existenz des Vorerwerbsrechts dazu führen kann, dass der Interessent am Ende bei dem Verkauf gar nicht zum Zuge kommt.

2. Schritt – Ausübungsfrist der Vorerwerbsberechtigten

Nach Erhalt der Veräußerungsmitteilung haben die Mitgesellschafter im Regelfall zwischen zwei und vier Wochen Zeit, dem veräußerungswilligen Gesellschafter mitzuteilen, ob sie von ihrem Vorerwerbsrecht Gebrauch machen wollen. Die exakte Länge der Frist ist oftmals Diskussionsgegenstand bei der Verhandlung von Gesellschaftsverträgen bzw. Gesellschaftervereinbarungen. Denn je kürzer die Frist ist, desto einfacher ist es für den veräußerungswilligen Gesellschafter, den Interessenten „bei der Stange zu halten″. Je länger andererseits die Frist ist, desto einfacher ist es für die Mitgesellschafter, ihr Vorerwerbsrecht tatsächlich auszuüben. Denn in der Zwischenzeit können auch finanzschwache Mitgesellschafter evtl. noch eine Finanzierung für die Ausübung ihres Vorerwerbsrechts organisieren.

Bei Entwurf der vertraglichen Regelung stellt sich zudem die Frage, auf welche Anteile sich das Vorerwerbsrecht der Mitgesellschafter jeweils eigentlich bezieht und was gelten soll, wenn nur ein Teil der Mitgesellschafter das Vorerwerbsrecht ausübt.

Einigkeit besteht darin, dass die Ausübung des Vorerwerbsrechts durch den einzelnen Mitgesellschafter grundsätzlich „pro-rata″ erfolgen soll, d.h. wer z.B. 10% der Anteile am Start-up hält, hat ein Vorerwerbsrecht auf 10% der zu veräußernden Anteile.

Die VC-Praxis geht allerdings mehrheitlich davon aus, dass die Ausübung des Vorerwerbsrechts durch die Mitgesellschafter insgesamt nur dann wirksam sei, wenn die Vorerwerbsrechte für alle Anteile ausgeübt werden, die der veräußerungswillige Gesellschafter zu verkaufen wünscht. Denn der veräußerungswillige Gesellschafter soll durch das Vorerwerbsrecht nicht in einen reduzierten Verkauf gezwungen werden können. Daher sieht die Vertragspraxis häufig einen zweistufigen Mechanismus vor:

  • Auf einer ersten Stufe sind alle Mitgesellschafter aufgerufen, die Ausübung ihres Vorerwerbsrecht bezogen auf ihren pro-rata-Anteil an den zu veräußernden Anteilen binnen der Ausübungsfrist mitzuteilen. Tun dies alle Mitgesellschafter, ist das Vorerwerbsrecht insgesamt wirksam ausgeübt.
  • Nur wenn einer oder mehrere der Mitgesellschafter ihr pro-rata-Vorerwerbsrecht binnen dieser Frist nicht ausüben, haben die übrigen Mitgesellschafter (die ihr Vorerwerbsrecht bzgl. ihres pro-rata-Anteils ausgeübt haben) auf zweiter Stufe das Recht, das Vorerwerbsrecht auch noch bezüglich der gesamten übrigen zu veräußernden Anteile auszuüben. Üben die Mitgesellschafter dieses zusätzliche Vorerwerbsrecht nicht aus, ist die Ausübung des Vorerwerbsrechts insgesamt unwirksam.

3. Schritt – Umsetzung der Anteilsveräußerung

Wurde das Vorerwerbsrecht durch die Mitgesellschafter wirksam ausgeübt, erfolgt sodann der Verkauf der Anteile an die Mitgesellschafter, andernfalls an den Interessenten. Zu beachten ist allerdings im VC-Kontext im Regelfall das im Folgenden erläuterte Mitverkaufsrecht.

Mitverkaufsrechte: „Zu dem Preis verkauf‘ ich auch gern!″

Die Idee des Mitverkaufsrechts ist simpel: Es gibt den Mitgesellschaftern die Möglichkeit, den ganzen oder teilweisen Ausstieg eines Gesellschafters aus der Gesellschaft zu nutzen, um eigene Anteile ebenfalls ganz oder teilweise zu denselben Bedingungen zu verkaufen. Damit werden die Mitgesellschafter vor dem Eintritt einer ungünstigen Minderheitenposition geschützt. Z.B. könnte die Veräußerung eines Beteiligungsanteils an einen strategischen Investor (etwa durch einen konzertierten Verkauf mehrerer Investoren und Gründer an einen Konzern) zu einer Situation führen, in der die bei den übrigen Mitgesellschaftern verbleibenden Anteile aufgrund der starken Stellung des strategischen Investors gar nicht mehr verkäuflich sind. Zumindest finanzschwache Mitgesellschafter, wie z.B. Gründer, würden dies im Regelfall auch nicht durch Ausübung eines Vorerwerbsrechts verhindern können.

Davon abgesehen bietet das Mitverkaufsrecht den Mitgesellschaftern die Chance, von einem hohen Verkaufspreis zu profitieren, den professionelle Investoren unter Nutzung ihres Netzwerks ausgehandelt haben.

Was das Ausmaß des Mitverkaufsrechts betrifft, unterscheidet die VC-Praxis den Normalfall, in dem ein anteiliges Verkaufsrecht gilt, und Sonderfälle, in denen der Mitverkaufsberechtigte seine gesamten Anteile mitverkaufen darf:

Das im Normalfall anwendbare anteilige Mitverkaufsrecht bedeutet, dass der Mitverkaufsberechtigte denselben Prozentsatz seiner Anteile mitverkaufen darf, wie ihn auch der veräußerungswillige Gesellschafter verkauft; will der veräußerungswillige Gesellschafter also 75% seiner Anteile verkaufen, muss er auch 75% der Anteile der Mitgesellschafter zu denselben Bedingungen mitverkaufen.

Als Sonderfälle, in denen der veräußerungswillige Gesellschafter auf jeden Fall die Anteile seiner Mitgesellschafter zu 100% mitverkaufen muss (auch wenn er selbst nur anteilig verkauft), werden häufig zwei Szenarien definiert:

  • Zum einen soll dies in Fällen gelten, in denen durch die Veräußerung mehr als 50% der Anteile am Start-up übertragen werden (sog. Change-of-Control).
  • Zum anderen soll dies gelten, wenn es sich bei dem Erwerber um einen Wettbewerber des Start-ups handelt; manchmal wird diese Ausnahmeregelung auch auf jeglichen strategischen Investor als Erwerber ausgeweitet.

Diesen Sonderfällen ist gemeinsam, dass der neue Gesellschafter signifikanten – im Falle des Wettbewerbers als Erwerber möglicherweise sogar negativen – Einfluss auf die Gesellschaft erwirbt und sich dadurch die spätere Veräußerung einer Minderheitsbeteiligung potentiell stark erschwert. Durch das Recht zum vollständigen Mitverkauf sollen sich die Mitgesellschafter vor einem solchen Szenario schützen können.

Achtung: Eine erfolgreiche Durchführung des Mitverkaufsrechts setzt voraus, dass der Interessent die zusätzlichen Anteile überhaupt erwerben will. Lehnt er dies ab, darf allerdings der gesamte Verkauf nicht stattfinden, d.h. auch der veräußerungswillige Gesellschafter darf seine Anteile nicht an den Interessenten verkaufen.

Ist das Mitverkaufsrecht also gerade für Gründer – nach Ablauf etwaiger Vesting- bzw. Lock-Up-Perioden – ein praktikabler Schutzmechanismus? Nicht immer:

  • Zum einen fordern Investoren mitunter, dass das Mitverkaufsrecht per se nur Investoren, nicht den Gründern zustehen soll. Könnten die Gründer gemeinsam mit dem Investor aussteigen, würde ein potentieller Erwerber von Investoren-Anteilen seinen Einstieg nämlich möglicherweise überdenken.
  • Zum anderen ist zu beachten, dass Liquidationspräferenzen – je nach Ausgestaltung – auch bei Anteilsverkäufen vor einem Exit eingreifen können. Dann kann es für Gründer u.U. wirtschaftlich sinnlos sein, das Mitverkaufsrecht auszuüben. Reicht der Verkaufserlös nämlich nur zur Bedienung der Investoren-Präferenzen, erhalten die Gründer trotz Ausübung des Mitverkaufsrechts keinerlei Anteil am Kaufpreis.

Vorerwerbsrechte und Mitverkaufsrechte bei Verkäufen zwischen Gesellschaftern

Ob Vorerwerbs- und Mitverkaufsrechte generell auch bei Verkäufen zwischen Gesellschaftern Anwendung finden sollen, wird in der VC-Praxis uneinheitlich beantwortet. Die dahinterstehende Frage ist, ob die Stabilität des Gesellschafterkreises nur gegen den Eintritt neuer Gesellschafter abgesichert werden muss oder auch gegen die Risiken, die mit Anteilsverschiebungen innerhalb des Gesellschafterkreises verknüpft sind.

Aus Gründer-Sicht könnte es u.a. problematisch sein, wenn ein Investor mehrere Co-Investoren herauskauft und dadurch z.B. eine bestimmte Sperrminorität erwirbt. Umgekehrt könnte es auch für einen Investor problematisch sein, wenn ein Gründer – nach Ablauf etwaiger Vesting- bzw. Lock-Up-Perioden – seine Anteile vollständig an einen Co-Investor verkauft und dadurch diesem Co-Investor eine Mehrheitsbeteiligung am Start-up verschafft. Insofern können Vorerwerbs- und Mitverkaufsrechte auch bei Verkäufen zwischen Gesellschaftern sinnvoll sein.

Fazit: RoFR und Co-Sale Rights sind Standard, dienen aber nur als Fallback-Lösung

Eigentlich ist das Ziel der Gesellschafter an einem Start-up der gemeinsame 100%-Exit. Trotzdem werden Regelungen für den „Ausnahmefall″ des Gesellschafterausstiegs vor Exit benötigt. Die Kombination aus Vorerwerbs- und Mitverkaufsrechten sichert einerseits die Stabilität des Gesellschafterkreises, vermeidet aber andererseits ein komplettes Verkaufsverbot. Daher hat sich diese Kompromisslösung in der VC-Praxis als vertraglicher Standard in den oben geschilderten Varianten etabliert.

Eine ganz andere Frage ist allerdings, ob diese recht ausgefeilten vertraglichen Mechanismen in der Praxis auch angewendet werden. Im Regelfall wird ein Gesellschafterausstieg vor Exit wohl eher einvernehmlich ausverhandelt. RoFR und Co-Sale Rights sind also vor allem ein Sicherheitsnetz für den Fall, dass man sich nicht einigt.

Dies ist ein Beitrag aus unserer Blogserie „Venture Capital Basics. Auch die verschiedenen Arten von Venture Capital Investoren sowie das Corporate Venture Capital haben wir bereits beleuchtet. Weitere Beiträge, wie Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Venture Capital & Private EquityFinanzierungsarten für Start-ups und den Finanzierungsrunden sind gefolgt. Anschließend sind wir aufs Bridge Financing für Start-ups, auf den Ablauf eines Venture Capital Investments und das Term Sheet sowie die wichtigsten Vertragsdokumente einer VC-Beteiligung eingegangen. Zuletzt haben wir uns mit der Anti Dilution Protection sowie Vinkulierung & Co beschäftigt.

Tags: Co-Sale Mitverkaufsrecht Rights of First Refusal RoFR Vorerwerbsrecht