9. April 2020
corona Handdesinfaktionsmittel
Healthcare Coronavirus - Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Desinfektionsmittel und COVID-19: EU-Kommission veröffentlicht Leitlinien für Hersteller von Handdesinfektionsmitteln

Neue EU-Leitlinie unterstützt bei der Differenzierung von Biozidprodukten und kosmetischen Mitteln und soll so Produktionsbedingungen erleichtern.

Viele Unternehmen haben im Kampf gegen das Coronavirus ihre Solidarität bekundet und wollen ihre Produktion auf in der medizinischen Versorgung dringend benötigte Produkte umstellen.

In einer kürzlich veröffentlichen Pressemitteilung kündigte die EU-Kommission an, mit der Wirtschaft aktiv zusammenarbeiten zu wollen, um die Gesamtproduktion solcher Produkte in der EU erheblich zu steigern. Die nunmehr von der EU-Kommission veröffentlichten Leitlinien sollen diese Unternehumen bei der Einhaltung der entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen unterstützen.

Rechtliche Einordnung von auf der Haut verbleibenden Handreinigern und Handdesinfektionsmitteln

Eine dieser neu veröffentlichten Leitlinien betrifft die Produktion von auf der Haut verbleibenden Handreinigern und Handdesinfektionsmittel, wie Gele oder Lösungen.

Je nach Zusammensetzung und Verwendungszweck können Handreiniger und Handdesinfektionsmittel unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen unterliegen: So kann die Verordnung über kosmetische Mittel (Verordnung (EG) Nr. 1223/2009) oder die Verordnung über Biozidprodukte (Verordnung (EU) Nr. 528/2012) Anwendung finden.

Die Unterscheidung kann eine wichtige Weichenstellung sein, da die Biozidverordnung weit strengere Voraussetzungen an das Inverkehrbringen solcher Produkte stellt als die Kosmetikverordnung.

Vorbehaltlich einiger Übergangsregeln dürfen nach dieser Verordnung Biozidprodukte nur entsprechende Wirkstoffe enthalten, die in einer Positivliste, der so genannten Unionsliste der genehmigten Biozid-Wirkstoffe, aufgeführt sind. Daher müssen biozide Wirkstoffe ein Genehmigungsverfahren durchlaufen bevor diese Wirkstoffe in Biozidprodukten verwendet werden dürfen.

Bevor ein Biozidprodukt in Verkehr gebracht wird, muss es zudem zugelassen werden. Folglich durchläuft jedes Biozidprodukt ein nationales oder EU-weites Zulassung- bzw. Notifizierungsverfahren.

Rein kosmetische Mittel müssen hingegen lediglich gemäß Art. 13 der Kosmetikverordnung bei der Europäischen Kommission gemeldet werden („Notifizierungsverfahren“). Sie unterliegen jedoch keinem Zulassungsverfahren und sind auch nicht erlaubnispflichtig.

Leitlinien der EU-Kommission als Orientierungshilfe

Die EU-Kommission will mit den neu veröffentlichten Leitlinien Hersteller von Handreinigern und Handdesinfektionsmitteln bei der erforderlichen Einordnung der Produkte als kosmetisches Mittel oder Biozidprodukt unterstützen.

Die EU-Kommission gibt Antworten auf häufig gestellte Fragen:

  • Welche EU-Rechtsrahmen gelten für alkoholbasierte Lösungen, Gels, Handreiniger und Handdesinfektionsmittel?
    Die Kommission erläutert, dass die Frage, ob diese Produkte unter die Verordnung über kosmetische Mittel oder der Verordnung über Biozidprodukte fallen, in erster Linie vom Hauptzweck des Produktes und dem Vorhandensein eines speziellen Wirkstoffes abhänge.
    Produkte, die hauptsächlich oder ausschließlich kosmetischen Zwecken dienten (d. h. Tiefenreinigung oder Säuberung der Haut), fielen daher unter die Verordnung über kosmetische Mittel.
    Produkte die einen „Wirkstoff“ enthielten und primär als Biozid dienen sollen, fielen hingegen in den Geltungsbereich der Rechtsvorschriften über Biozide.
    Die Biozidverordnung definiert dabei Wirkstoff als Stoff oder Mikroorganismus, der eine Wirkung auf oder gegen Schadorganismen entfaltet.
    Beispiele hierfür seien laut der EU-Kommission Produkte, die einen entsprechenden Wirkstoff enthielten und den von Hersteller verwendeten Angaben zufolge die öffentliche Gesundheit durch die Bekämpfung von infektiösen Organismen („desinfizierend“, „virentötend“, „bakterientötend“ usw.) verbessern sowie über die alltägliche Körperpflege im allgemeinen Verständnis hinausgehen.
  • Welche Art von Angaben würden für einen kosmetischen Zweck und eine diesbezügliche Einstufung von Handreinigern sprechen?
    Die vom Hersteller verwendeten Angaben zum Produkt seien der EU-Kommission zur Folge zwar nicht der einzige Faktor, um darüber zu entscheiden, ob das Produkt unter die Verordnung über kosmetische Mittel oder unter die Verordnung über Biozidprodukte falle, lieferten aber wichtige Hinweise auf den Zweck des Produktes.
    „Physikalisch rein/sichtbar sauber“ und „Handreiniger“ seien typische Angaben, deren Funktion mit der Definition eines kosmetischen Mittels in Bezug auf die Reinigung und Verbesserung des Aussehens der Hände oder des Körpers übereinstimme.
    Werde das Produkt jedoch mit der Angabe „hygienisch sauber“ oder einer ähnlichen Formulierung versehen, könnte die Funktion „Hygiene“ in diesem Zusammenhang darauf hindeuten, dass das Produkt als Biozidprodukt anzusehen sei.
    Der Begriff „Hygiene“ könne jedoch vielfältig verstanden werden, so reiche er je nach Kontext von einfacher Sauberkeit bis hin zur Desinfektion. Daher seien grundsätzlich alle Merkmale eines Produktes zu betrachten, insbesondere seine Zusammensetzung, seinen Zweck und seine Funktion.
  • Welche Art von Angaben würden zunächst auf eine Einstufung von Handreinigern und Handdesinfektionsmitteln als Biozidprodukt hindeuten?
    Die EU-Kommission erläutert, dass die folgenden Angaben darauf hinwiesen, dass es sich bei dem Produkt um ein Biozidprodukt handeln könne, das somit unter die Biozidverordnung falle:
    • „Antibakteriell“
    • „Einzigartige antibakterielle Formulierung“
    • „Bakterientötend“
    • „Tötet Bakterien/zahlreiche Keime“ und Formulierungen mit gleicher Bedeutung
    • „Antiviral“ und Formulierungen mit gleicher Bedeutung
    • „Virentötend“ und Formulierungen mit gleicher Bedeutung
    • „Wirksam gegen das Grippevirus H1N1“
    • „Wirksam gegen das Coronavirus“
  • Mein Unternehmen produziert Kosmetika und wir möchten Handdesinfektionsmittel herstellen, um bei der Epidemiebekämpfung zu helfen. Wie ist vorzugehen, um solche Handdesinfektionsmittel (auf dem Markt an die breite Öffentlichkeit, Angehörige der Gesundheitsberufe, medizinische Einrichtungen usw.) liefern zu dürfen?
    Die EU-Kommission fordert interessierte Unternehmer auf, sich in dieser Situation an die zuständigen nationalen Behörden zu wenden. Diese Behörden könnten darüber beraten, welche Schritte insbesondere erforderlich seien, um eine Zulassung oder gegebenenfalls eine Notfallgenehmigung zu erhalten. Die in Deutschland für Biozidprodukte zuständigen Stellen sind insbesondere das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) und das Bundesamt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).
    Die EU-Kommission weist in diesem Zusammenhang auf folgende Punkte hin:
    • Wenn das Handdesinfektionsmittel Wirkstoffe enthalte, deren Untersuchung im Rahmen des Prüfprogramms nach der Verordnung (EU) Nr. 1062/2014 noch nicht abgeschlossen sei, müsse das Handdesinfektionsmittel nach den nationalen Vorschriften der Mitgliedstaaten und gegebenenfalls diesbezüglichen Ausnahmegenehmigungen in Verkehr gebracht werden.
    • Wenn das Handdesinfektionsmittel Wirkstoffe enthalte, die nach der Verordnung über Biozidprodukte bewertet und genehmigt wurden, müssten die Mitgliedstaaten normalerweise eine Zulassung gemäß der Verordnung erteilen. Die Mitgliedstaaten könnten nach Artikel 55 Absatz 1 auch eine Notfallgenehmigung erteilen, wenn dies im Zusammenhang mit der derzeitigen Covid-19-Krise erforderlich sei.
    • In Deutschland hat die zuständige Bundesstelle für Chemikalien, ein Fachbereich des BAuA, bereits von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine Ausnahmeregelung gemäß Art. 55 Absatz 1 der Biozidverordnung zu treffen. So wurden drei entsprechende Allgemeinverfügungen und damit Ausnahmezulassungen für Flächen- und Händedesinfektionsmittel erlassen. Nähere Informationen hierzu sind auf der Webseite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

In unserer Blogserie zu „Coronavirus: Handlungsempfehlungen für Unternehmen″ zeigen wir anhand der aktuellen Situation unternehmensbezogene Stolpersteine auf, die in Krisenzeiten zu beachten sind. Bereits erschienen sind Beiträge zu Verhandlungen, Verjährungen und Verfristungen sowie Haftungsfragen bei Absagen von Messen- und Veranstaltungen, zum Datenschutz trotz Corona und zu  Möglichkeiten von Aktiengesellschaften zur Cash-Ersparnis sowie Vermögensübertragungen zu steuergünstigen Konditionen. In weiteren Beiträgen gehen wir ein auf die Erstellung eines Notfallplans, auf Vertriebsverträge und Tips Lieferanten in Krisenzeiten und auf Auswirkungen auf Lebensmittel- und Hygieneverordnungen. Im Anschluss haben wir uns mit der streitigen (gerichtliche) Auseinandersetzung befasst, sind auf kartellrechtliche Auswirkungen sowie die Bedeutung für den Kapitalmarkt eingegangen. Näher befasst haben wir uns auch mit „infizierten″ Vertragsverhandlungen, den Änderungen in Mittel- und Osteuropa sowie mit klinischen Studien und dem neuen EU-Leitfaden für Sponsoren uns Prüfärzte. Weiter geht es mit Pflichten zur Abgabe der Steuererklärung und eventuell steuerstrafrechtlichen Haftungsrisiken, dem Moratorium für Zahlungsverpflichtungen von Verbrauchern und Kleinstunternehmern, Unterstützungsmaßnahmen für Start-ups, das Kurzarbeitergeld, sowie den Erleichterungen für Stiftungen und Vereine und GmbH-Gesellschafterbeschlüsse. Es folgten weitere Beiträge zu Kooperationen im Gesundheitswesen und zu Sachspenden an Krankenhäuser, zum Marktzugang für persönliche Schutzausrüstung und Medizinprodukte, zur Beschlagnahmemöglichkeit von Schutzausrüstung durch den Staat und zu Auswirkungen auf laufende IT-Projekte


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