16. Oktober 2020
Beihilfe EU-Kommission Corona Befristeter Rahmen
Coronavirus: Schutzschirm für die deutsche Wirtschaft

EU-Kommission veröffentlicht 4. Änderung des Befristeten Rahmens / Neue Beihilfemöglichkeit

Die EU-Kommission ermöglicht neue Beihilfen für Unternehmen in der Corona-Krise und passt die Regeln für Unternehmen mit öffentlichen Anteilseignern an.

Die Corona-Krise bleibt eine Herausforderung für die Wirtschaft. Viele Unternehmen nehmen zumindest zeitweise staatliche Gelder in Anspruch, z.B. in Form von günstigen KfW-Krediten. Hierbei handelt es sich um Beihilfen.

Einzelbeihilfen und Beihilfenprogramme müssen grundsätzlich bei der EU-Kommission angemeldet und genehmigt werden. Deutschland hat aktuell bereits eine Vielzahl von Programmen angemeldet und für diese Genehmigungen erhalten. Grundlage hierfür ist der Befristete Rahmen, den die EU-Kommission im März dieses Jahres verabschiedet und seitdem mehrfach ausgeweitet hat.

EU-Kommission hat weitere Änderungen am Befristeten Rahmen veröffentlicht

Am 13. Oktober veröffentlichte die EU-Kommission nun weitere Änderungen. Die für viele Unternehmen wichtigste Neuerung dürfte die neue Möglichkeit für Mitgliedstaaten sein, Beihilfeprogramme aufzulegen, um Unternehmen, die durch die Corona-Krise Umsatzrückgänge erlitten haben, einen Teil ihrer ungedeckten Fixkosten zu ersetzen.

Diese und die wichtigsten anderen Änderungen stellen wir im Folgenden kurz vor:

Geltungsdauer

Der Befristete Rahmen wird bis zum 30. Juni 2021 verlängert. Rekapitalisierungsmaßnahmen können nun statt bis zum 30. Juni 2021 bis zum 30. September 2021 gewährt werden.

Die Kommission behält sich allerdings ausdrücklich weitere Änderungen und Verlängerungen vor.

Beihilfe in Form von Unterstützung für ungedeckte Fixkosten

Es gibt eine neue mögliche Beihilfemaßnahme, die bei Einhaltung der Voraussetzungen als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen wird. Es geht um einen Beitrag zu den ungedeckten Fixkosten derjenigen Unternehmen, für die COVID-19 zur Aussetzung oder Reduzierung ihrer Geschäftstätigkeit geführt hat.

Wer kann die Beihilfe erhalten?

Unternehmen müssen im Zeitraum vom 1. März 2020 bis 30. Juni 2021(!) („förderfähiger Zeitraum“) einen Umsatzrückgang von mindestens 30 % im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2019(!) verzeichnet haben.

Diese Maßnahme gilt nicht für Unternehmen, die sich bereits am 31. Dezember 2019 in Schwierigkeiten im Sinne der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung befanden. Abweichend davon können Kleinst- oder Kleinunternehmen, die sich am 31. Dezember 2019 bereits in Schwierigkeiten befanden, Beihilfen gewährt werden, sofern sie nicht einem Insolvenzverfahren unterliegen und keine Rettungs- oder Umstrukturierungsbeihilfe erhalten haben. Hier gibt es kleinere Ausnahmen, wenn z.B. die Rettungsbeihilfe bereits zurückgezahlt worden ist.

Wie sieht die Beihilfe aus?

Die Beihilfe muss spätestens bis zum 30. Juni 2021 gewährt werden und soll nicht gedeckte Fixkosten, die im förderfähigen Zeitraum (1. März 2020 bis 30. Juni 2021) angefallen sind, abdecken, einschließlich solcher Kosten, die in einem Teil dieses Zeitraums angefallen sind.

Die Gesamtbeihilfe pro Unternehmen darf maximal EUR 3 Mio. betragen.

Die Beihilfe kann in Form von direkten Zuschüssen, Bürgschaften und Darlehen gewährt werden, sofern der Gesamtnominalwert dieser Maßnahmen unter der Gesamtobergrenze von EUR 3 Mio. pro Unternehmen bleibt. Alle Zahlenangaben müssen brutto sein, d.h. vor Abzug von Steuern oder sonstigen Abgaben.

Ungedeckte Fixkosten sind die Fixkosten, die den Unternehmen während des Förderzeitraums entstehen, die nicht durch Gewinne (d. h. Einnahmen abzüglich der variablen Kosten) während desselben Zeitraums gedeckt sind und die nicht durch andere Quellen wie Versicherungen, Beihilfemaßnahmen nach dem Befristeten Rahmen, oder Unterstützung aus anderen Quellen gedeckt werden.

Erfasst sind somit anscheinend entgegen dem unmittelbaren Wortlaut „Fixkosten“ sowohl die fixen also auch die variablen Kosten, die abhängig vom Output anfallen. Ungedeckte Fixkosten sind somit die Verluste von Unternehmen aus ihren Gewinn- und Verlustrechnungen während des Förderzeitraums.

Die Beihilfeintensität darf 70 % der ungedeckten Fixkosten nicht überschreiten (90 % bei Kleinst- und Kleinunternehmen).

Die Beihilfe kann aufgrund von prognostizierten Verlusten gewährt werden. Der endgültige Beihilfebetrag ist allerdings grundsätzlich durch geprüfte Abschlüsse festzulegen. Eine Überkompensation ist auszuschließen.

Eine Kumulation mit Beihilfen für dieselben förderfähigen Kosten ist ausgeschlossen.

Von wem können Unternehmen die Beihilfe erhalten?

Die Beihilfe muss auf Grundlage einer bei der EU-Kommission zu notifizierenden Beihilferegelung gewährt werden. Solche Regelungen bestehen aktuell in Deutschland noch nicht. Die Entscheidung, ob es solche Beihilferegelungen geben wird, liegt somit bei der Öffentlichen Hand, insbesondere dem Bund und den Ländern.

Rekapitalisierungsmaßnahmen

Rekapitalisierungsmaßnahmen dürfen weiterhin nicht über die vor dem COVID-19-Ausbruch bestehende Kapitalstruktur der Empfänger, d. h. die Situation zum 31. Dezember 2019, hinausgehen. Ergänzend wird nun darauf hingewiesen, dass hybride Finanzinstrumente, die staatlich gewährt wurden, bei dieser Betrachtung ebenfalls als Kapital zählen.

Eine weitere Neuerung betrifft den Ausstieg des Staates bei Rekapitalisierungen. Bisher gilt Folgendes:

Neben dem jederzeitigen Rückkaufsrecht des Beihilfeempfängers zu bestimmten Mindestpreisen darf der Staat seine Kapitalbeteiligung jederzeit zu Marktpreisen an andere Käufer als den Beihilfeempfänger veräußern. Dazu muss eine offene Konsultation potenzieller Käufer oder ein Verkauf an der Börse erfolgen. Der Staat darf bisherigen Anteilseignern ein Vorkaufsrecht zu dem so ermittelten Preis einräumen. Wenn aber der Preis unter dem Mindestpreis liegt, den der Beihilfeempfänger hätte zahlen müssen, müssen die Governance-Vorschriften aus Abschnitt 3.11.6 des Befristeten Rahmen (u.a. Verbot von Dividenden) mindestens für 4 Jahre nach der Gewährung der Rekapitalisierung Anwendung finden. 

Dies wird nun erweitert und abgeändert:

  • Wenn der Staat der einzige bestehende Anteilseigner ist, gibt es eine Alternative, sofern seit der Rekapitalisierung zwei Jahre vergangen sind:
    • Das Verkaufsverfahren ist nicht erforderlich und
    • die offene Konsultation kann ersetzt werden durch eine unabhängige Bewertung. Kommt die Bewertung zu einem positiven Marktwert, dann gilt der Staat als ausgeschieden, auch wenn der Begünstigte weiterhin in Staatsbesitz bleibt. Sollte der positive Marktwert aber unter dem Mindestpreis liegen, zu dem das begünstigte Unternehmen die Kapitalbeteiligung hätte zurückkaufen können, gelten die Governance-Regeln des Abschnitt 3.11.6 bis zu 4 Jahre nach Gewährung der Rekapitalisierung fort.
    • Die Kommission kann die Vorlage der unabhängigen Bewertung jederzeit fordern. Bei Rekapitalisierungen über EUR 250 Mio. muss die Bewertung selbstständig vorgelegt werden.
    • Unklar ist insofern, welche Folgen es hat, wenn die unabhängige Bewertung zu dem Ergebnis kommt, die Anteile hätten einen negativen Marktwert. Insofern gibt es Hinweise in den Unterlagen der Kommission, dass dann eine Restrukturierung des Unternehmens erforderlich sein soll. Dies erscheint jedoch zweifelhaft, da der Befristete Rahmen selbst so eine Konsequenz nicht unmittelbar vorsieht.
  • Wenn der Staat einer von mehreren bestehenden Anteilseignern ist, gibt es eine Alternative, sofern seit der Rekapitalisierung zwei Jahre vergangen sind:
  • Für den Teil des COVID-19-Eigenkapitals, den der Staat behalten müsste, um seine Beteiligung wieder auf den Stand vor der COVID-19-Rekapitalisierung zu bringen, ist die gerade geschilderte Möglichkeit anwendbar. Wenn der Staat einen wesentlichen Teil der Aktien des begünstigten Unternehmens im Rahmen eines Wettbewerbsverfahrens an private Investoren verkauft, kann dieses Verfahren als eine unabhängige Bewertung im Sinne der gerade beschriebenen Möglichkeit angesehen werden.
  • Für den Rest des COVID-19-Eigenkapitals gilt das auch schon vor der Änderung des Befristeten Rahmens geltende Verfahren. Dazu gehört insbesondere die Notwendigkeit, einen Wettbewerbsprozess durchzuführen. Der Staat verfügt insofern auch nicht über ein Vorkaufsrecht.
  • Bereits durch die Kommission genehmigte Rekapitalisierungsmaßnahmen können nach erneuter Genehmigung durch die Kommission abgeändert werden.

Exportkreditversicherungen

Die vorübergehende Streichung aller Länder von der Liste der Länder mit „marktfähigen Risiken″ im Rahmen der Mitteilung über die kurzfristige Exportkreditversicherung wird bis zum 30. Juni 2021 verlängert. Somit bleiben die Möglichkeiten für staatlich geförderte Exportkreditversicherungen erweitert.

Sonstiges

Es wurde klargestellt, dass bei Maßnahmen nach den Abschnitten 3.1 (Begrenzte Beihilfebeträge), 3.2 (Beihilfen in Form von Garantien für Darlehen) und 3.3 (Beihilfen in Form von Zinszuschüssen für Darlehen) es immer um den Vorteil zu einem bestimmten Zeitpunkt geht. Das heißt: Wenn ein Unternehmen zum Beispiel unter Abschnitt 3.1 einen Zuschuss in Höhe von EUR 800.000 erhalten hat und diesen vor Ablauf der Geltungsdauer des Befristeten Rahmens zurückgezahlt hat, darf es erneut einen entsprechenden Zuschuss erhalten.

In unserer Blogreihe „Coronavirus: Schutzschirm für die deutsche Wirtschaft″ informieren wir Sie über die getroffenen Hilfsmaßnahmen, deren Wirksamkeit und die sonst zu berücksichtigenden unternehmerischen „Stolpersteine″, die das Coronavirus mit sich gebracht hat. Bisher erfolgt sind Beiträge zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und wie dies bei M&A-Transaktionen hilft, zum COVInsAG, zum Kurzarbeitergeld und der Kurzarbeitergeldverordnung sowie den Auswirkungen auf Kreditverträge. Es folgten Beiträge zu den steuerlichen Auswirkungen, zu EU-Beihilfemöglichkeiten, zum Schutz vor Kündigungen von Wohn- und Geschäftsräumen und Mietverhältnissen allgemein sowie zum Wirtschaftsstabilisierungsfond und damit verbundenen, offenen Fragen zum WSF. Weiter beschäftigten wir uns mit dem Erlass des BMI zu bauvertraglichen Fragen, mit Finanzhilfen für Unternehmen, den Fördermöglichkeiten und mit den steuerliche Maßnahmen, mit Cash-Pooling und dem Gesetz zum Darlehensnehmerschutz sowie den alternativen Wegen zur Abhaltung von Gesellschafterversammlungen und Aufsichtsratssitzungen.


Aktuelle Informationen zu COVID-19 finden Sie in unserem Corona Center auf unserer Website. Und mit unserem Quick Check Wirtschaftsstabilisierungsfonds können Sie in kürzester Zeit herausfinden, ob Ihr Unternehmen für eine Stabilisierungsmaßnahme des WSF in Betracht kommen könnte. Wenn Sie Fragen zum Umgang mit der aktuellen Lage und zu den Auswirkungen für Ihr Unternehmen haben, sprechen Sie unser CMS Response Team jederzeit gerne an. 

Tags: Befristeter Rahmen Beihilfe Corona EU-Kommission