Beweggründe und Abwägungsgesichtspunkte bei Infrastruktur Joint Ventures im Fokus zwischen geopolitischen Entwicklungen, Energie- und Mobilitätswende.
Der (weite) Infrastrukturbereich erfreut sich bereits seit längerer Zeit einer stetig wachsenden Aufmerksamkeit seitens der öffentlichen Hand und Investoren*. Nicht zuletzt die geopolitischen Entwicklungen der letzten zwölf Monate haben dabei diese Entwicklung nochmals sichtlich verstärkt. Die großen Themen Energie- bzw. Mobilitätswende, aber auch der starke gesellschaftspolitische Druck, bestehende Abhängigkeiten im Infrastrukturbereich zu reduzieren, führen zu einer stetig steigenden Zahl an öffentlichen und privaten Investoren im Infrastruktursektor. Auch schätzen private Investoren in Zeiten starker Unsicherheit und Volatilität in den weltweiten Märkten die verhältnismäßig beständigen und vorhersehbaren Renditen von Infrastrukturinvestments.
Nicht selten erfolgen derartige Investitionen dabei über Joint-Venture-Strukturen. Treiber dieses Umstandes sind dabei oftmals – neben den erheblichen Finanzierungskosten – auch die ansonsten für Großprojekte erforderlichen Ressourcen, aber auch politische und regulatorische Erwägungen spielen hierbei zunehmend eine Rolle.
Beispielhafte Beweggründe für Joint-Venture-Strukturen im Infrastrukturbereich
Dabei stehen bestimmte Beweggründe immer wieder im Vordergrund bei Joint-Venture-Strukturen im Infrastruktursektor:
Gemeinsames Schultern hoher Kosten
Insbesondere Projekte im Bereich der klassischen Infrastruktur, wie etwa im Versorgungssektor oder im Transportsektor, aber auch Projekte im weiteren Infrastrukturbereich, sind regelmäßig mit extrem hohen Kosten verbunden. Die frühzeitige Sicherung von Eigenkapital und zusätzlichen Fremdkapitalkapazitäten ist daher einer der großen Treiber von Joint-Venture-Strukturen.
Der Zugang zu Know-how/IP
Viele Bereiche der Infrastruktur setzen voraus, dass Investoren entweder selbst oder über Dritte Zugang zu hochspezialisiertem Know-how und sonstiger Intellectual Property (IP) gewährleisten können. Denn der Infrastrukturausbau wird oftmals nicht nur durch begrenzte Kapitalverfügbarkeit belastet, sondern vielmehr auch durch beschränkte technische Fähigkeiten bzw. Kapazitäten.
Zunehmende regulatorische Beschränkungen erfordern lokale Partner
Auch regulatorische Beschränkungen erschweren zunehmend die Eigen- oder Fremdkapitalfinanzierung von großvolumigen Infrastrukturprojekten. Durch einen wachsenden Protektionismus, insbesondere bei sog. kritischen Infrastrukturen, haben sich die weltweiten Märkte – und dabei im Besonderen die Infrastrukturmärkte – zunehmend abgeschottet, vor allem gegenüber Investoren aus Staaten, die als „problematisch“ eingeschätzt werden.
Aber auch Investoren aus „freundlichen“ Drittstaaten müssen darauf eingestellt sein, dass ihre Investitionen politisch und öffentlich kritisch geprüft und hinterfragt werden. Es ist daher davon auszugehen, dass auch unter diesen Gesichtspunkten durch die Einbeziehung lokaler Partner viele Infrastrukturprojekte überhaupt erst ermöglicht werden.
Einbindung von und Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand zur Realisierung von Infrastrukturprojekten
Vor diesem Hintergrund wird es zukünftig voraussichtlich auch mehr Joint-Venture-Strukturen zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor geben. Private Investoren können hierbei Kapital- und Branchen-Expertise zur Verfügung stellen und die öffentliche Hand die Versorgung, den Ausbau und die Sicherung, insbesondere im Bereich der kritischen Infrastrukturen, begleiten, überwachen und fördern.
Abwägungsgesichtspunkte beim Eingehen eines Joint Ventures
Beim Eingehen eines Joint Ventures spielen für Investoren eine Vielzahl von Abwägungsgesichtspunkten eine Rolle. Teilweise sind diese Punkte spezifisch für den Investor. Einige Abwägungsgesichtspunkte stehen allerdings regelmäßig im Vordergrund und prägen die Auswahl der Joint-Venture-Partner, die Struktur des Joint Ventures und die Planung des Infrastrukturprojektes.
Die „DNA“ der Joint-Venture-Partner prägt Herangehensweise, Erwartungen und Ziele
Ein Abwägungsgesichtspunkt beim Eingehen eines Joint Ventures ist die „DNA“ des potentiellen Partners, denn diese prägt nicht nur die Herangehensweise an das Projekt, sondern auch die Erwartungen und Ziele der Joint-Venture-Partner entscheidend.
Bei strategischen Investoren, die i.d.R. eine besondere Branchenexpertise mitbringen, spielen häufig die Stärkung der eigenen Marktposition in der Branche, das Heben von Synergien oder der Zugang zu neuen Technologien, die IT-Infrastruktur und die Eingliederung in die eigenen Unternehmensstrukturen eine Rolle.
Demgegenüber werden bei Finanzinvestoren Synergieeffekte i.d.R. keine oder nur eine geringe Rolle spielen und die Renditeerwartung wird im Vordergrund stehen.
Bei Investitionen der öffentlichen Hand in Infrastrukturprojekte werden häufig politische und soziale Motivationen von größerer Bedeutung sein und wirtschaftliche Faktoren eher im zweiten Schritt Treiber der Investition sein.
Unterschiedliche Anlagehorizonte der Joint-Venture-Partner sind wesentlicher Faktor sowohl bei der Projektplanung als auch bei Verhandlungen über Exit-Rechte
Der avisierte Investitionszeitraum wird regelmäßig ein wesentlicher Abwägungsfaktor beim Eingehen eines Infrastruktur-Joint-Ventures sein. Dabei spielt zum einen der Projektzeitraum eine Rolle, zum anderen aber auch der generelle Anlagehorizont des Joint-Venture-Partners.
Während strategische und öffentliche Investoren regelmäßig einen langfristigen Investitionszeitraum im Blick haben, wird dies bei Private-Equity-Investoren für gewöhnlich nicht der Fall sein. Diese unterschiedlichen Blickwinkel werden insbesondere bei der Vereinbarung von Exit-Rechten, bspw. bei einer Lock-up Period, sowie von Tag-along- und Drag-along-Regelungen eine Rolle spielen.
Renditeerwartungen stehen für Finanzinvestoren im Vordergrund und rücken auch bei der öffentlichen Hand in den Fokus
Bei Finanzinvestoren wird die Renditeerwartung der wesentliche Treiber der Investition in ein Infrastrukturprojekt sein, und dies auch die Erwartungen und Verhandlungen im Rahmen eines Joint Ventures prägen. Dazu gehört regelmäßig das prognostizierte Wachstum in einem begrenzten Anlagezeitraum, das Wachstumspotential des Joint Ventures und vor allem auch das (Wieder-)Verkaufspotential im Anlagezeitraum.
Auch wenn bei Investitionen in die Infrastruktur Renditeerwartungen nicht der vorrangige Treiber sind, sind in den letzten Jahren sowohl die Nachhaltigkeit als auch die Wirtschaftlichkeit des Investments in den Vordergrund der gesellschaftlichen Diskussion rund um Investitionen der öffentlichen Hand gerückt, sodass auf Seiten der öffentlichen Hand das Bewusstsein für die Rendite und die Wirtschaftlichkeit der Investition im Infrastrukturbereich sowie die entsprechende Erwartungshaltung gestiegen sind.
Die Einlagen eines Joint-Venture-Partners sind entscheidender Faktor für dessen Auswahl sowie für die Strukturierung und Entwicklung des Joint Ventures
Die von den Joint-Venture-Partnern zu erbringenden Einlagen spielen sowohl bei ihrer Auswahl als auch bei der Strukturierung und der Entwicklung des Joint Ventures eine entscheidende Rolle und sind in der Beteiligungsdokumentation und dem Joint-Venture-Vertrag detailliert festzuhalten. Leitend ist dabei, was das Joint-Venture-Unternehmen benötigt, um das avisierte Infrastrukturprojekt erfolgreich umzusetzen, welche Vermögensgegenstände und Ressourcen die Joint-Venture-Partner hierfür einbringen können und was über Dienstleistungs- und Serviceverträge oder anderweitig erworben werden soll.
Neben der kurz-, mittel- und ggf. auch langfristigen Finanzierung des Joint-Venture-Unternehmens durch Eigen- oder Fremdkapital und der Nachschuss- und Krisenfinanzierung durch die Joint-Venture-Partner spielt im Rahmen des sich stark wandelnden, von Innovation getriebenen Infrastrukturbereichs auch das Beisteuern von geistigem Eigentum, branchenspezifischem Know-how, spezialisierten Technologien, IT und Patenten durch Joint-Venture-Partner eine wichtige Rolle. Initial ist dies für die Auswahl der Joint-Venture-Partner ein prägender Abwägungsgrund.
Im Rahmen der Verhandlungen zum Joint Venture steht dann die Frage, ob das geistige Eigentum tatsächlich als Sacheinlage in das Joint Venture eingebracht oder über Lizenzverträge dem Joint Venture für die Dauer des Projekts zur Verfügung gestellt werden soll, im Vordergrund. Im Fall einer Sacheinlage spielen deren Bewertung und die Auswirkungen auf die Beteiligungsverhältnisse eine Rolle.
Beweggründe und Abwägungsgesichtspunkte im Blick behalten
In einem derartig vielfältigen und weiten Bereich wie dem der Infrastruktur ist einer der Grundpfeiler für den Erfolg eines Joint-Venture-Vorhabens, dass die Beweggründe der Joint-Venture-Partner klar herausgearbeitet, definiert und im Rahmen eines Abwägungsprozesses im Laufe der Planung, der Strukturierung, der Verhandlungen und der Umsetzung im Blick behalten werden. Dies gilt zum einen für die Joint-Venture-Partner selbst, aber auch für die Beratung im Rahmen eines Joint Ventures im Infrastrukturbereich.
Dem Auftakt zu unserer Serie „Joint Ventures“ folgten die Beiträge zur Geschäftsleitung, zur initialen Ausstattung eines Joint Ventures, zu Finanzierungsstrategien und zu asymmetrischen Joint Ventures. Anschließend kamen Beiträge zum Deadlock im Joint Venture, zu Pattsituationen und zur Übertragbarkeit von Gesellschaftsanteilen. Zuletzt wurde ein Beitrag zu Ausgestaltungsmöglichkeiten für F&E-Partnerschaften veröffentlicht.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.