Welche Immobilien-Investitionen sind nachhaltig? Dies bestimmt im europäischen Kontext in Zukunft die Taxonomie-Verordnung mit konkreten Kriterien.
Die EU soll bis zum Jahr 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden. Dieses Ziel hat die Europäische Kommission im Dezember 2019 im Rahmen des European Green Deal beschlossen. Als erstes Etappenziel sollen bis zum Jahr 2030 die Treibhausgase der EU um mindestens 55 % unter dem Wert von 1990 gesenkt werden.
Erhebliche Investitionen für Klimaneutralität erforderlich
Für die Erreichung dieser Ziele sind erhebliche Investitionen in nachhaltige Projekte erforderlich. Der Finanzsektor wird daher bei der Umsetzung des Green Deal eine Schlüsselrolle einnehmen.
Bereits im März 2018 veröffentlichte die Europäische Kommission einen Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums. Der Aktionsplan verfolgt drei Ziele: Erstens die Umlenkung der Kapitalflüsse auf nachhaltige Investitionen. Zweitens die Bewältigung der finanziellen Risiken, die sich aus dem Klimawandel, der Ressourcenknappheit, der Umweltzerstörung und sozialen Problemen ergeben. Drittens die Förderung von Transparenz und Langfristigkeit von Finanz- und Wirtschaftstätigkeiten.
Zentraler legislativer Baustein zur Umsetzung des Aktionsplans ist die Taxonomie für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten im EU-Recht (Verordnung (EU) 2020/852 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der VO (EU) 2019/2088 (Taxonomie-Verordnung)). Die Taxonomie-Verordnung legt verbindlich festgelegt, wann eine Wirtschaftstätigkeit nachhaltig ist. Durch die Entwicklung eines einheitlichen Begriffsverständnisses soll der Gefahr eines „Green Washing″ entgegengewirkt werden.
Nach der Taxonomie-Verordnung ist eine Wirtschaftstätigkeit ökologisch nachhaltig, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines oder mehrerer Umweltziele leistet, nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines oder mehrerer Umweltziele führt, unter Einhaltung eines festgelegten Mindestschutzes ausgeübt wird und technischen Bewertungskriterien entspricht. Die weitere Konkretisierung dieser Voraussetzungen erfolgt durch sogenannte delegierte Rechtsakte in Form Regulatorischer Technischer Standards.
Konkretisierung der Nachhaltigkeit von Immobilien durch delegierte Rechtsakte zur Taxonomie-Verordnung
Die Europäische Kommission hat am 21. April 2021 einen ersten delegierten Rechtsakt zur Taxonomie-Verordnung im Hinblick auf die Umweltziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel vorgelegt.
Der delegierte Rechtsakt beinhaltet zwei Anhänge mit konkreten technischen Bewertungskriterien zur Bestimmung, wann eine Tätigkeit ökologisch nachhaltig ist. Anhang I enthält die technischen Bewertungskriterien für das Umweltziel des Klimawandels und legt fest, wann eine Wirtschaftstätigkeit einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Anhang II gibt die technischen Bewertungskriterien für das Umweltziel der Anpassung an den Klimawandel vor.
Die technischen Bewertungskriterien des delegierten Rechtsakts beinhalten für Immobilien insgesamt sieben Unterkategorien mit konkreten Vorgaben unter anderem für den Neubau und die Renovierung von Gebäuden sowie den Gebäudebestand.
Gemäß Anhang I sind Neubauten mit Blick auf das Umweltziel des „Klimaschutzes″ nur dann Taxonomie-konform, wenn der Primärenergiebedarf mindestens 10 % unter den nationalen Werten des Niedrigstenergiegebäudestandards liegt. Für Deutschland sind insoweit die Werte des zum 1. November 2020 in Kraft getretenen Gebäudeenergiegesetzes relevant. Für Renovierungs- bzw. Sanierungsmaßnahmen ist das Gebäudeenergiegesetz ebenfalls maßgeblich. Alternativ ist eine Renovierungs- bzw. Sanierungsmaßnahme auch dann Taxonomie-konform, wenn sie zu einer Reduzierung des Primärenergiebedarfs von mindestens 30 % führt.
Für den Gebäudebestand ist das Errichtungsdatum entscheidend. Differenziert wird zwischen Gebäuden, die vor dem 31. Dezember 2020 errichtet worden sind, und Gebäuden, die nach diesem Datum errichtet wurden. Gebäude, deren Errichtungsdatum vor dem 31. Dezember 2020 liegt, sind Taxonomie-konform, wenn sie mindestens den Energieeffizienzanforderungen gemäß des Energy Performance Certificate A entsprechen. Alternativ sind sie auch dann Taxonomie-konform, wenn sie zu den 15 % energieeffizientesten Gebäuden des nationalen oder regionalen Gebäudebestandes gehören. Gebäude, die nach dem 31. Dezember 2020 errichtet wurden, sind Taxonomie-konform, wenn sie den oben genannten Neubaukriterien des delegierten Rechtsakts entsprechen.
Anhang II verlangt zudem hinsichtlich des Umweltziels „Anpassung an den Klimawandel″ für die Taxonomie-Konformität von Gebäuden eine Identifikation der für das jeweilige Gebäude einschlägigen Klimarisiken. Zudem müssen Anpassungslösungen existieren, die die wichtigsten Klimarisiken für das Gebäude wesentlich reduzieren.
Der delegierte Rechtsakt zur Taxonomie-Verordnung ist ab dem 1. Januar 2022 anzuwenden.
Weitere regulatorische Schritte
Bis zum 31. Dezember 2021 sollen weitere delegierte Rechtsakte zu den übrigen Umweltzielen der Taxonomie-Verordnung (Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung und Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme) vorgelegt werden und zum 1. Januar 2023 Anwendung finden.
In der Taxonomie-Verordnung werden zudem die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichtserstattung für Unternehmen erweitert. Unternehmen, die der EU-Richtlinie 2014/95/EU (sog. CSR-Richtlinie) unterliegen und zur nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet sind, müssen künftig Angaben zur ökologischen Nachhaltigkeit ihrer Wirtschaftstätigkeit veröffentlichen. Zum 1. Juni 2021 sollen Konkretisierungen der erweiterten Publizitätspflichten ebenfalls im Wege eines delegierten Rechtsaktes veröffentlicht werden.
Auswirkungen der Taxonomie-Verordnung auf die Immobilienwirtschaft
Auch wenn derzeit noch einige Fragen bei der Auslegung des Regelwerks offen sind und noch weitere Rechtsakte folgen, kann allen Angehörigen der Immobilienwirtschaft nur dringend empfohlen werden, die durch die Taxonomie-Verordnung implementierten Kriterien im Hinblick auf die Nachhaltigkeit von Immobilien im Blick zu behalten.
In den direkten Anwendungsbereich der Taxonomie-Verordnung fallen zwar nur Finanzmarktteilnehmer, die bestimmte Finanzprodukte anbieten, wie beispielsweise Immobilienfonds und Unternehmen, die von der CSR-Richtlinie erfasst sind. Die durch die Taxonomie-Verordnung normierten Offenlegungs- und Transparenzpflichten werden jedoch mittelbar die gesamte Immobilienwirtschaft betreffen.
Immobilien, die nicht Taxonomie-konform sind, dürften zumindest mittel- bis langfristig weniger stark im Markt nachgefragt werden und zudem ggf. auch weniger einfach mit Fremdkapital finanzierbar sein. Dies dürfte sich auf die Wertentwicklung solcher Immobilien auswirken. Darin liegt sicherlich auch eine Chance für bestimmte Marktteilnehmer.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Bestrebungen auf nationaler Ebene. Mit dem Gebäudeenergiegesetz werden erstmals konkrete Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden in einem Regelwerk zusammengefasst. Die im Gebäudeenergiegesetz enthaltenen Vorgaben werden spätestens im Jahr 2023 erneut auf den Prüfstand kommen. Momentan sind die darin enthaltenen Vorgaben weniger streng als die technischen Bewertungskriterien der Taxonomie-Verordnung. Es ist allerdings damit zu rechnen, dass sich die Vorgaben mit Blick auf die ambitionierten Ziele des Green Deal in den kommenden Jahren immer weiter verschärfen werden.
Insgesamt steht daher zu erwarten, dass die Preisunterschiede zwischen energieeffizienten und nicht energieeffizienten Gebäuden in den nächsten Jahren steigen werden. Auch die weiteren noch zu konkretisierenden Nachhaltigkeitskriterien werden zeitnah zu wertbildenden Faktoren werden. Investoren sollten daher bereits jetzt diese Kriterien in ihrer Ankaufentscheidung berücksichtigen. Bestandshalter sollten zudem frühzeitig ihre Immobilien darauf überprüfen, ob diese bereits Taxonomie-konform sind und wenn nicht, mit welchem Aufwand dieses Ziel erreicht werden kann.
In der Serie „Environment and Climate Change″ sind wir eingegangen auf neue Gesetze im Energierecht, den Inhalt des 12. Deutschen Energiekongresses, haben uns mit dem Mieterstrom, mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes und der H2O-Politik und der Herstellerhaftung in Russland befasst sowie die Konsultation und das Feedback zur BNetzA-Konsultation Wasserstoffnetze dargestellt. Weiter beschäftigt haben wir uns mit der Wasserstoffstrategie, der Einwegkunststoffverbotsverordnung, dem „Green Deal″ sowie den Auswirkungen der EU-Taxonomie auf die Immobilienwirtschaft.