Die Sondierungsgespräche zur Bildung einer Koalition im Bundestag zeigen schon jetzt erhebliche Auswirkungen auf die Immobilienbranche.
Bereits wenige Wochen nach der Bundestagswahl liegt nun das Ergebnis der Sondierungsgespräche zwischen den Parteien SPD, Bündnis 90 / die Grünen und FDP vor. Es ist ein Fahrplan für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. m
Klimaschutz und der Begriff der sozial-ökologischen Marktwirtschaft
Um das Pariser Klimaabkommen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus April 2021 (Az. 1 BvR 2656/18) zur Verschärfung des Klimaschutzes umzusetzen, sind die folgenden Maßnahmen geplant, die den Klimaschutz in einer „sozial-ökologischen Marktwirtschaft“ garantieren sollen:
- Weiterentwicklung des Klimaschutzgesetzes im Jahr 2022 mit Klimaschutz-Sofortprogramm
Genaueres steht noch nicht fest, aber, so lautet das Ergebnis der Sondierungsgespräche, „alle notwendigen Gesetze, Verordnungen und Maßnahmen werden auf den Weg gebracht“. Das deutet auf eine dringend notwendige konkrete Ausgestaltung der Regelungen aus dem Klimaschutzgesetz insbesondere hinsichtlich der Kostenverteilung hin. Wünschenswert wären zum Beispiel konkrete Regelungen zur Umlagefähigkeit von Sanierungsmaßnahmen sowie eine Anpassung der Betriebskostenverordnung. Gegebenenfalls ist aber auch mit schärferen Emissionsgrenzwerten zu rechnen.
- Sektorübergreifende Gesamtrechnung zur Einhaltung der Vorgaben aus dem Pariser Klimaabkommen
Sollten einzelne Sektoren ihre Emissionsvorgaben nicht erreichen können, werden vermutlich die anderen Sektoren dafür einstehen müssen. Auch hier kann es zu verschärften Emissionsregelungen für die Immobilienbranche kommen.
- Ausbau der Erneuerbaren Energien
Die verpflichtende Nutzung von Dachflächen zur Gewinnung von Solarstrom bei gewerblichen (und vermutlich in absehbarer Zeit auch privaten) Neubauten soll die Gewinnung von Solarenergie vorantreiben. Mindestens 2 % aller Landflächen Deutschlands werden für die Gewinnung von Windenergie vorgesehen, verbunden mit einem beschleunigten Ausstieg aus der Kohlestromversorgung.
- Überarbeitung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes und des europäischen Emissionshandels im Sinne des Fit-for-55 Programmes der EU
Das Brennstoffhandelsgesetz und der europäische Emissionshandel soll im Sinne des Fit-for-55 Programmes der EU überarbeitet werden. Energieeffizienz als zentraler Bestandteil der europäischen Klimaschutzstrategie muss also weiter in den Fokus gerückt werden. Langfristig wird vermutlich der Emissionshandel ganz ausgesetzt. Für den Übergang bleibt zu hoffen, dass Anreize gesetzt und nicht vernichtet werden. Genaueres steht noch nicht fest.
- Entwicklung intelligenter Systemlösungen für Individualverkehr und ÖPNV
Schon lange mahnt die Immobilienbranche, dass Verkehrsplanung nicht ohne Immobilienentwicklung funktioniert. Wie genau die Entwicklung intelligenter Systemlösungen aussehen soll, wurde bislang noch nicht konkretisiert. Es bleibt zu hoffen, dass die Lösungen in Zusammenarbeit mit der Immobilienbranche entwickelt werden.
Wohnungsbauoffensive zur Schaffung von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahrver
Bezahlbare Mieten war eines der Kernthemen im Wahlkampf. Dies umzusetzen hat sich auch die Ampelkoalition auf die Fahne geschrieben und will dies mit dem sogenannten „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ umsetzen. Zu dem Bündnis sollen alle wichtigen Akteure eingeladen werden.
- Baukosten senken durch serielles Bauen, Digitalisierung, Entbürokratisierung und Standardisierung
Baukosten sollen durch serielles Bauen, Digitalisierung, Entbürokratisierung und Standardisierung gesenkt werden. Jedem, der schon einmal eine Baugenehmigung beantragt hat, mutet der Ausspruch eines solchen Zieles abenteuerlich an. Es sind vorranging die Kommunen, die ihre Verwaltung digitalisieren müssen, um mit einer echten digitalen Bauakte effizienter zu werden. Die generelle Digitalisierung der Verwaltung (und dabei spreche ich nicht vom Scannen oder Bereitstellen von Antragsformularen als PDF zum Ausdruck) ist ein Mammutakt, an dem sich schon mancher Baudezernent die Zähne ausgebissen hat. Wir dürfen daher gespannt sein, wie auf Bundesebene eine solche flächendeckende Effizienzsteigerung angestoßen werden soll.
- Beschleunigung der energetischen Gebäudesanierung und Stärkung des Klimaschutzes beim Neubau
Auch bei der Definition von nachhaltigem Bauen bleiben die allgegenwärtigen Emissionsgrenzwerte spürbar. Mit Beschleunigung der energetischen Gebäudesanierung kann meiner Meinung nach (wie oben bereits vermutet) nur eine weitere Verschärfung der Emissionsgrenzwerte im Klimaschutzgesetz gemeint sein. Ggf. werden aber auch Fördermöglichkeiten oder der gezielte Einsatz der CO2 Bepreisung intelligent eingesetzt. Hier darf es keine pauschale Aufteilung des CO2 Preises (50:50) zwischen Mieter und Vermieter geben. Wer ein Gebäude mit neuestem Standard hält, darf nicht auch noch beim CO2 Preis zur Kasse gebeten werden.
Klimaschutz beim Neubau wird sich neben Emissionsneutralität an der Taxonomieverordnung zu orientieren haben.
- Verlängerung der bestehenden Mieterschutzregelungen
Die Mietpreisbremse wird für die nächsten Jahre fester Bestandteil in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt bleiben. Dies soll so lange fortgeführt werden, bis „genügend bezahlbare Wohnungen gebaut wurden und sich angemessene Mieten am Wohnungsmarkt bilden“.
- Fortsetzung der Unterstützung für den sozialen Wohnungsbau
Die derzeit bestehende finanzielle Unterstützung des Bundes für den sozialen Wohnungsbau soll fortgeführt werden. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben soll mehr Freiheiten erhalten.
- Bekämpfung illegaler Immobilienfinanzierung und das Ende der Share Deals
Schon bei den Debatten im Bundestag zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes wurde deutlich, dass die nun verhandelnden Parteien Share Deals als (reine) steuerliche Schlupflöcher betrachten. Dies wird in den Sondierungsergebnissen nicht anders dargestellt. Die Haltefristen sowie die Beteiligungsstruktur zum (grunderwerb-) steuerfreien Immobilienerwerb könnten daher weiter verschärft werden. Umgekehrt sollen Anreize zur Senkung der Grunderwerbsteuer durch die Länder geschaffen werden. Gewerbliche Immobilienkäufer aus dem Ausland werden (weitere) Versteuerungsnachweise erbringen müssen. Der Erwerb von Immobilien mit Bargeld wird verboten.
Ausblick: Immobilienbranche darf mit Änderungen rechnen
Alles in allem nimmt sich die Ampelkoalition viel vor. Insbesondere die Immobilienbranche wird den Strukturwandel zu spüren bekommen. Es bleibt abzuwarten, wie konkret die aufgezeigten Ziele umgesetzt werden sollen. Der nächste Planungsschritt sind die Koalitionsverhandlungen. Wir halten Sie weiter auf dem Laufenden…
In der Serie „Environment and Climate Change″ sind wir eingegangen auf neue Gesetze im Energierecht, den Inhalt des 12. Deutschen Energiekongresses, haben uns mit dem Mieterstrom, mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes und der H2O-Politik und der Herstellerhaftung in Russland befasst sowie die Konsultation und das Feedback zur BNetzA-Konsultation Wasserstoffnetze dargestellt. Weiter beschäftigt haben wir uns mit der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung, der Einwegkunststoffverbotsverordnung, dem „Green Deal″, den Auswirkungen der EU-Taxonomie auf die Immobilienwirtschaft und der Wasserstoffstrategie in Ungarn. Anschließend sind wir auf das Fit-for-55-Maßnahmenpaket sowie Entwicklungen in der nationalen Wasserstoffstrategie der Türkei und zuletzt auf die Beschaffungen des Bundes eingegangen.