Dieser erste Beitrag der Blogserie StaRUG gibt einen Überblick über die Chancen und Schwierigkeiten bei der Anwendung des StaRUG in der Praxis.
Das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (kurz: StaRUG) feierte am 1. Januar 2024 sein ein jähriges Jubiläum. Seinerzeit ist das StaRUG mit dem Ziel und den großen Erwartungen des Gesetzgebers angetreten, ein weiteres Sanierungstool neben der außergerichtlichen Sanierung und dem Insolvenzverfahren zur Verfügung zu stellen. Damit sollte ein für die Planbetroffenen effektives verbindliches Verfahren geschaffen werden, bei dem die Kontrolle über das Unternehmen sowie über das Verfahren beim Schuldner liegt.
Entsprechend diesem Regelungsziel sieht das StaRUG eine Vielzahl von wertvollen Restrukturierungsinstrumenten vor, die allen voran zur finanziellen Sanierung des Unternehmens genutzt werden können. Nicht zuletzt sollte durch die Einführung des StaRUG ein Anreiz für eine möglichst frühzeitige Sanierung geschaffen werden.
Drei Jahre StaRUG – eine Rückschau
Trotz dieses Paradigmenwechsels im deutschen Restrukturierungsrecht schien das StaRUG in der Praxis nur langsam Einzug zu halten. So war in den ersten beiden Jahren die Zahl durchgeführter StaRUG-Verfahren an den 24 Restrukturierungsgerichten in Deutschland mit 22 Verfahren im Jahr 2021 und 27 Verfahren im Jahr 2022 eher gering. Es wäre aber überstürzt, aufgrund der scheinbar nur geringen praktischen Anwendung in den Jahren 2021 und 2022 darauf zu schließen, dass das StaRUG die Erwartungen des Gesetzgebers und der Praxis nicht erfüllen kann.
Denkbar erscheint, dass die geringen Verfahrenszahlen auch darauf zurückzuführen sind, dass die während der Covid-Pandemie für das Insolvenzverfahren angepasste Rechtslage auch zu einer Zurückhaltung bezüglich der Einleitung eines StaRUG-Verfahrens geführt hat. Vor dem Hintergrund, dass das StaRUG-Verfahren als nicht-öffentliches Verfahren konzipiert ist, dürfte die Dunkelziffer der tatsächlich durchgeführten Verfahren wohl höher ausfallen. Auch werden in der Statistik solche „StaRUG-Verfahren“ nicht erfasst, die aufgrund des „Drohpotentials“ eines StaRUG-Vorhabens am Ende doch eine konsensuale Sanierungslösung gefunden haben. Dass das StaRUG als Sanierungstool großes Potential hat und die Restrukturierungslandschaft auch in den nächsten Jahren maßgeblich mitprägen wird, zeigen vor allem die StaRUG-Verfahren der Eterna GmbH im September 2021, der LEONI AG im März 2023 und der GERRY WEBER International AG im April 2023.
Vorteile des StaRUG-Verfahrens aus der Praxis
Das StaRUG-Verfahren als Sanierungstool kann von Unternehmen genutzt werden, die zwar drohend zahlungsunfähig, aber noch nicht zahlungsunfähig oder überschuldet sind.
Als wesentliche Vorteile des StaRUG sind zu nennen: die Verfahrensabwicklung, die Ausgestaltung als teilkollektives Verfahren und die Möglichkeit, einzelne Planbetroffene oder ganze Gruppen zu überstimmen.
Verfahrensabwicklung – schnell, diskret, günstig
Das StaRUG-Verfahren hebt sich im Vergleich zum Insolvenzverfahren durch seine Diskretion und Schnelligkeit ab. Erfahrungen der Praxis zeigen, dass ein Verfahrensabschluss nach bereits drei Monaten durchaus realistisch ist. Hinzutritt, dass weder eine gerichtliche Beteiligung noch öffentliche Bekanntmachungen zwingend im StaRUG vorgesehen sind. Dies erspart dem Schuldner zeitlichen Aufwand, Kosten und es verhindert den Eintritt etwaiger Image-Verluste. Das StaRUG-Verfahren kann schnell und heimlich durchgeführt werden, wodurch der mit dem Insolvenzverfahren stets in Verbindung gebrachte und gefürchtete „Makel der Insolvenz“ ausbleibt.
Teilkollektives Verfahren
Anders als das Insolvenzverfahren ist das StaRUG-Verfahren als teilkollektives Verfahren ausgestaltet. Ein Restrukturierungsplan muss nicht zwingend alle Gläubiger des Schuldners erfassen und entfaltet auch nur gegenüber den Planbetroffenen Wirkung. Vielmehr liegt es im Ermessen des Planerstellers nach sachgerechten Kriterien (§ 8 StaRUG) zu entscheiden, welche Gläubiger in den Restrukturierungsplan und damit dessen Wirkungen einbezogen werden. Eine Besserstellung von einbezogenen Gläubigern gegenüber denen, die außenvor bleiben, wird durch § 8 StaRUG vermieden. Der Planersteller kann so die Bestätigungsbereitschaft zur Annahme des Restrukturierungsplans steuern und diesen flexibel und autonom an die konkret vorliegenden Gegebenheiten anpassen. Die Auswahl nur weniger Planbetroffener kann zudem der Vertraulichkeit und Schnelligkeit des Restrukturierungsverfahrens dienen. Dies war im Fall Eterna zu sehen, welche im August 2021 das StaRUG-Verfahren ankündigte und dieses bereits Mitte September 2021 abschloss.
Abwendung von Akkordstörern
Außergerichtliche Sanierungen sind häufig von einer Vielzahl von unterschiedlichen Stakeholdern geprägt, die nicht selten unterschiedliche oder gar gegenläufige Interessen verfolgen. Dennoch wird eine Sanierung häufig nur dann gelingen, wenn zumindest der Großteil der Stakeholder bereit ist, einen Sanierungsbeitrag zu leisten. Diese Bereitschaft wird aber vor allem dann fehlen, wenn einzelne Gläubiger keinen Beitrag leisten (wollen), aber dennoch vollumfänglich an dem nachträglich eintretenden Sanierungserfolg im Sinne einer umfassenden Befriedigung partizipieren wollen. Derartige Akkordstörer haben vor der Einführung des StaRUG-Verfahrens nicht selten dazu geführt, dass außergerichtliche Sanierungen mangels ausreichender Einigungsbereitschaft gescheitert sind und der Gang ins Insolvenzverfahren alternativlos wurde.
Durch den gerichtlich bestätigten Restrukturierungsplan kann dieser Problematik nunmehr dergestalt entgegengewirkt werden, dass der Plan zum einen auch Wirkung gegenüber denjenigen Planbetroffenen entfaltet, die gegen den Plan gestimmt haben (vgl. § 67 Abs. 1 S. 2 StaRUG) und zum anderen durch den sogenannten „Cross-Class Cram Down“ gem. § 26 StaRUG auch gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidungen möglich sind. So bedarf es bei der Planabstimmung gem. §§ 25 ff. StaRUG keiner Einstimmigkeit, vielmehr genügt es, wenn die Mehrheit der Gruppen mit jeweils mindestens 75 % der Stimmrechte innerhalb der einzelnen Gruppen dem Restrukturierungsplan zustimmen.
Dies zeigte sich auch im Fall LEONI AG und ganz aktuell am Fall von Sparks Network.
Im Fall LEONI votierte die Mehrheit der Gruppen für die Annahme des Restrukturierungplans. Eine Gruppe von Altaktionären stimmte wegen des Bezugsrechtsausschlusses gegen die Annahme und Umsetzung des Restrukturierungsplans. Die Aktionäre wurden im Wege „Cross-Class Cram Downs“ zugunsten der für die Umsetzung votierenden Gruppen- und Gläubigermehrheit überstimmt. Das Restrukturierungsgericht Nürnberg bestätigte den Restrukturierungsplan und dieser wurde rechtskräftig.
Im aktuellen Fall Sparks Network stimmten zwei Gruppen für den Restrukturierungsplan und die Aktionäre als dritte Gruppe dagegen. Mithin wurden diese von der Mehrheit der anderen beiden Gruppen überstimmt. Die Bestätigung des Plans erfolgte am 4. Januar 2024 durch das Restrukturierungsgericht Berlin-Charlottenburg.
Anfangsschwierigkeiten und ungeklärte Detailfragen
Mit neuen rechtlichen Regelungen gehen regelmäßig Anfangsschwierigkeiten einher, die nicht zuletzt darauf zurückzuführen sind, dass Detailfragen in der Praxis häufig erst durch Literatur und Rechtsprechung aufbereitet werden. So auch beim StaRUG, was insbesondere zwei Entscheidungen aus dem letzten Jahr zeigen: Das Restrukturierungsgericht AG München (Beschluss v. 15. Februar 2023 – 1507 RES 3229/22) setzte sich mit der Problematik von reinen Gesellschafterplänen auseinander, das AG Hamburg (Beschluss v. 17. März 2023 – 61c RES 1/23) bzw. das LG Hamburg (Beschluss vom 20. April 2023 – 304 T 15/23) mit der Notwendigkeit eines Gesellschafterbeschlusses mit qualifizierter Mehrheit für die Anzeige eines StaRUG Vorhabens eines GmbH-Geschäftsführers. Beide Entscheidungen stießen in Literatur und Praxis auf teilweise erheblichen Gegenwind, was nicht zuletzt dazu führt, dass sich aus den weiterhin offenen Rechtsfragen zusätzlich Haftungsrisiken für Geschäftsleiter ergeben können.
Im Fall LEONI reichten einige Minderheitsaktionäre unter Führung der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) im September 2023 Verfassungsbeschwerde ein. Zweck war es, klären zu lassen, ob die Minderheitseigner im Rahmen des StaRUG-Verfahrens ausreichend Gehör gefunden hatten und ob die Regelungen des StaRUG gegen den Eigentumsschutz in Art. 14 GG verstoßen. Das Bundesverfassungsgericht lehnte die Verfassungsbeschwerde ohne Begründung ab.
StaRUG als Sanierungstool mitdenken
Trotz der zum Teil ungeklärten Rechtsfragen, stellt das StaRUG bereits jetzt ein wichtiges Sanierungstool dar, welches von Geschäftsleitern und Beratern stets mitgedacht werden sollte. Dies vor allem auch deshalb, weil es Geschäftsleitern in Zeiten von steigenden Zinsen und dem damit einhergehenden finanziellen Druck auf Unternehmen ein sinnvolles Instrument an die Hand gibt, um das Unternehmen im Wege eines Restrukturierungsplans wieder nachhaltig für die Zukunft aufzustellen. Es gilt, diese Möglichkeit als Chance zu verstehen und ein StaRUG-Verfahren offen anzudenken und wo sinnvoll pro aktiv anzusprechen. Die Prüfung der Durchführbarkeit eines Restrukturierungsverfahrens sollte demnach stets als Option, insbesondere auch im Hinblick auf Gläubigerverhandlungen als Alternative diskutiert werden.
Der Beitrag ist Teil unserer Blogreihe zur Unternehmensrestrukturierung nach dem StaRUG. Es erschienen bereits zahlreiche Beiträge zur europäischen Restrukturierungsrichtlinie, u.a. ein Beitrag zu den Moratorien und zu den Restrukturierungsplänen. Anschließend haben wir uns mit den Pflichten der Unternehmensleitung, dem Schutz von Finanzierungen und Finanzierungsgebern sowie den Restrukturierungsbeauftragten und Verwaltern befasst. Weiter sind wir auf die Entschuldung insolventer Unternehmer, arbeitsrechtliche Aspekte der Restrukturierungs-Richtlinie, das Dutch Scheme als Vorbild für den Restrukturierungsrahmen sowie eine Sanierung außerhalb der Insolvenzeingegangen.