7. September 2012
Steuerrecht

Der „Narjanmarneftegaz“-Fall

Bei der Überschrift handelt es sich nicht etwa um einen Tippfehler: Vor kurzem haben wir in unserer CEE-Reihe über die russischen Zinsschranke-Regelungen und die neusten Entwicklungen auf diesem Gebiet berichtet und festgestellt, dass sich die für die Steuerpflichtigen zunächst günstige Rechtsprechung bei der Auslegung der Zinsschranke-Regelungen des russischen Steuergesetzbuches (SteuerGB) zunehmend umgekehrt hat.

Zum einen wurde der Diskriminierungsschutz aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen durch eine neue Auslegung der Zinsschranke-Regelungen aufgeweicht. Zum anderen änderte sich die Gerichts- und Behördenpraxis bei der Frage, ob und wann die Gewährung von Darlehen durch ausländische Schwestergesellschaften als sog. kontrollierte Verbindlichkeit anzusehen ist. Mit diesem Beitrag widmen wir uns dem jüngsten Urteil des Obersten russischen Arbitragegerichts (OAG), das diese neue Praxis bestätigt.

Zum Hintergrund: der „Narjanmarneftegaz“-Fall

Das russische Unternehmen OOO Narjanmarneftegaz (GmbH) wandte sich gegen eine Nachbesteuerung durch die russische Steuerbehörde. Grund für die Nachbesteuerung war die Anwendung der Zinsschranke-Regeln des SteuerGB auf ein durch eine ausländische Schwestergesellschaft gewährtes Darlehen für Narjanmarneftegaz. Dieses Darlehen wurde – anders als von Narjanmarneftegaz gedacht – von der Steuerbehörde als eine kontrollierte Verbindlichkeit eingestuft, so dass die dafür angefallenen Zinsen nicht vom Gewinn hätten abgesetzt werden dürfen.

Bisher konnte man durch die Einschaltung einer ausländischen Schwestergesellschaft die Anwendung der Zinsschranke-Regelungen vermeiden, sofern die ausländische Schwestergesellschaft kein direkter oder indirekter Gesellschafter des Darlehensnehmers war. Nunmehr sahen aber die mit dem „Narjanmarneftegaz“-Fall befassten Steuerbehörden und Gerichte in solch einer Konstruktion eine Umgehung der Zinsschranke-Regelungen. Sie änderten ihre bisherige Sichtweise und qualifizierten das durch die ausländische Schwestergesellschaft gewährte Darlehen als Darlehen der ausländischen Muttergesellschaft. Damit wurde, von dem bisherigen formalistischen Ansatz abweichend, die wirtschaftliche Substanz der Transaktion in den Vordergrund gerückt und zum ausschlaggebenden Faktor für die Auslegung der Zinsschranke-Regelungen gemacht.

Das Urteil des OAG und seine Folgen

Den Schlusspunkt im Fall „Narjanmarneftegaz“ setzte nun das Richterkollegium des OAG, indem es die Weiterleitung des Falles an das Präsidium des OAG zur Revision verweigerte und die Entscheidungen der Vorinstanzen inhaltlich bestätigte. Zwar herrscht damit endgültig Klarheit in diesem konkreten Einzelfall – die Anwendung der Zinsschranke-Regeln auf das durch die ausländische Schwestergesellschaft gewährte Darlehen wurde nicht beanstandet. Eine allgemeingültige Aussage bezüglich der Handhabung von Darlehen durch Schwestergesellschaften lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Für eine offizielle Richtungsweisung an die Steuerbehörden und die unteren Gerichte war dieser Beschluss des Richterkollegiums des OAG in seiner Begründung schlichtweg zu kurz. Nichtdestotrotz hat das OAG mit seinem Urteil zu erkennen gegeben, dass die Steuerbehörden künftig bei der Anwendung der Zinsschranke-Regelungen stärker als zuvor auf den Inhalt der Transaktionen abstellen dürfen.

Artur Baron und Pavel Vasin / Ansprechpartner: Thomas Heidemann

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Tags: Doppelbesteuerungsabkommen kontrollierte Verbindlichkeit Narjanmarneftegaz OAG Russland Zinsschranke